Dinslaken. Im Anschluss an das Konzert im Walzwerk sprachen Phil Seeboth und seine Kollegen mit der NRZ über die aktuelle Situation der Profimusiker.

Phil Seeboth lässt es krachen, knacken, jammern und heulen. So klingt das, wenn ein Gitarrist den Blues hat und Phil Seeboth ist ein Gitarrist. Und was für einer. Technisch versiert und mit einem Gespür für das, was zu tun ist, dass es einen immer wieder packt. Zum dritten Mal trat er am Samstag im Walzwerk Dinslaken auf und es braucht keine prophetischen Fähigkeiten, um vorauszusagen, dass das auch längst nicht das letzte Mal war.

Aber was wäre das fantastischste Gitarrespiel, kombiniert mit einer guten Gesangsstimme, wenn das „Drumherum“, sprich die Band auf der Bühne, nicht wäre. Die Gäste im Innenhof des Walzwerks Dinslaken erlebten, durch den Fallschirm gut geschützt und doch im in diesen Tagen sichereren Freien, Phil Seeboth gemeinsam mit Bassist Klaus Brunschede und Schlagzeuger Leon Meier. Tatsächlich war es für die Drei eine Premiere im Walzwerk. Phil Seeboth holt sich für sein Blues Project wechselnde Musiker ins Boot, dieses Mal wurde der Münsteraner in Köln fündig.

Wenn Musik zum „Mannschaftssport“ wird

Im Walzwerk hat man Seeboth auch schon mit seiner Band erlebt – unter anderem mit Felix Lohmann am Schlagzeug. Der Unterschied zum Trio: Das eine ist mit, das andere ohne Keyboard. Und das hat Konsequenzen, nicht nur, was das Klangbild betrifft. Im Gespräch mit der NRZ zieht Phil Seeboth den Fußball zum Vergleich heran: „Du hast eine andere taktische Aufstellung, um das Feld abzudecken.“ Sobald mehr als nur ein einzelner Singer-Songwriter auf der Bühne steht, ist Musik ein „Mannschaftssport“. Jeder hat seine Funktion und braucht seinen Raum. Und es nützt auch der tollste Star-Stürmer nichts, wenn ihm keiner die Bälle zuspielt.

Und genau da kommt eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Sport und Musik hinein: die Spielpraxis. Kein Training ersetzt den echten Wettkampf, die Liga und, ein ganz aktuelles Thema, die Motivation durch die Zuschauer.

„Ein guter Musiker wirst du nicht im Proberaum, sondern auf der Bühne“, erklärt Leon Meier. Offene Livesessions, wie es sie in Köln gibt, seien essenziell für junge Musiker, weil sie dort im Zusammenspiel mit den erfahrenen Kollegen lernten. Weil sich dort aus den neuen Konstellationen neue Bands formieren können. Und weil daraus Innovation entstehen könne.

Klaus Brunschede drängt auf eine Verjüngung der Bluesszene

Gerade das ist Klaus Brunschede wichtig. Er war der Älteste im Trio am Samstag, aber gerade er drängt nicht nur auf eine Verjüngung der Bluesszene, sondern auch auf eine musikalische Erneuerung. In Deutschland hielte man sich zu stark an die alten Vorbilder aus den USA oder England.

Der Unterschied zwischen den Stilen? Phil Seeboth macht ihn vom Klima abhängig: „Im Southern hast du diese lang gehaltenen, singenden Töne – klar, da ist es heiß und schwül, da macht man nicht so viel.“ In Irland dagegen spiele man sich die Finger warm.

Und in Deutschland? Da wird der Kampf, Profimusiker zu sein, härter und härter. „Danke für die Unterstützung der Livemusik! Danke für die Unterstützung des Walzwerks“, rief Phil Seeboth zum Schluss des Konzerts den Gästen zu, die gerade ein klasse Livekonzert zusammen mit einem Drei-Gang-Menü der New-Orleans-Küche genossen haben und als „Nachschlag“ zu Brownies und gefüllten Pfannkuchen Claptons „Cocaine“ bekamen.

Für alle drei Seiten ist Thomas Grosses Konzept ein Gewinn

Thomas Grosses Konzept ist eine echte Win-Win-Win-Situation für alle, sind sich die drei Musiker einig. Weil das Publikum einen schönen Abend hat, die Location am Leben erhalten bleibt und die Musiker auch ihre Gage erhalten. Die Situation der vergangenen Monate? Sie zeigte mehr als deutlich, wie schwer sich Deutschland tatsächlich mit der vielzitierten Kulturlandschaft tut.

Phil Seeboth hat sich während des Auftrittsverbots für Musiker bewusst gegen Streaming-Angebote entschieden: „Wenn Musik so überflüssig ist und so wenig relevant, dass man in Hartz IV geschickt wird, braucht man nichts verschenken.“ Es geht um Wertschätzung, es geht um die Anerkennung eines Berufes, dem eine jahrelange, intensive Ausbildung teils von Kindesalter an vorangegangen ist. Und wieder ist es ein Bild, das jetzt nicht die Aktionen auf der Bühne, sondern die der Politik auf den Punkt bringt.

Klaus Brunschede beschreibt eine Karikatur, die er gesehen hat: „Da sagt ein Musiker zum Piloten: ,Dann sehen Sie es doch als Hobby, wenn Sie nicht davon leben können.“ Die Live- und Clubszene ist ein Wirtschaftsfaktor: Wenn dieser jetzt nicht genauso ernst genommen wird wie andere Zweige auch, droht der Kulturnation Deutschland, um noch ein Bild zu zitieren, der Abstieg in die Amateurliga.