Dinslaken/Voerde/Hünxe. Immer noch arbeiten sich die Reisebüros an Stornierungen ab. Nur wenige Kunden buchen neu. Selbst an Nord- und Ostsee gibt es freie Plätze.
Ab in den Urlaub – davon träumen die Menschen, seit die Corona-Krise die Welt im Griff hält. Seit Juni ist die Reisewarnung zumindest für die Länder der EU aufgehoben, dennoch sind die Menschen bei der Urlaubsbuchung sehr verhalten, zumindest in den Reisebüros von Jens Förster (Reisebüro Förster Hünxe und Dinslaken), Dennis Grundmann (Reisebüro Lucke Friedrichsfeld) und Mehmet Demir (Magic Tours Dinslaken). Alle drei Reisebüros sind eigentlich eher mit den Stornierungen der vergangenen Monate beschäftigt, denn noch immer haben viele ihrer Kunden ihr Geld von den Reiseveranstaltern nicht bekommen.
Die Reisebüros arbeiten quasi ehrenamtlich
„Damit haben wir noch viel zu tun“, so Dennis Grundmann. „Viele Gelder und Gutscheine stehen noch aus, das wird uns sicher noch bis Ende des Jahres beschäftigen“, pflichtet ihm Kirsten Schult-Herbers vom Reisebüro Förster bei. Dessen ist sich auch Mehmet Demir sicher. Umbuchungen, Beratungen und das Ausstellen von Gutscheinen – auch bei ihm häufen sich gerade diese Dinge. Und dies immer noch quasi ehrenamtlich, denn für diese Arbeiten erhalten die Reisebüros keinen Cent. Lediglich an verkauften Reisen verdienen sie.
„Zu uns kommen inzwischen viele, die über das Internet gebucht haben und nun niemanden erreichen, der ihnen all ihre Fragen beantwortet“, erzählt Mehmet Demir. „Das machen wir. Und hoffen, dass die Menschen aus dieser Sache lernen und wieder vermehrt in den einzelnen Reisebüros ihre Urlaube buchen.“ Die im übrigen auch nicht teurer seien. Nur mit dem Service klappe es in den Reisebüros im Falle einer Misere aber besser, so Demir.
Anfragen für 2021 erhält das Reisebüro Förster, auch Buchungen für das kommende Jahr sowie Umbuchungen auf Ziele innerhalb Deutschlands haben die Mitarbeiter schon angenommen. „Nach Spanien fliegen jetzt einige unserer Urlaube in der kommenden Woche“, verrät Kirsten Schult-Herbers. Doch dies sei keine kurzfristige Buchung, den Urlaub hätten die Kunden bereits im vergangenen Jahr angemeldet. Einige Hotelumbuchungen für Spanien hätten vorgenommen werden müssen, denn nicht alle Unterkünfte stünden zur Verfügung, so Schult-Herbers.
Einige wenige Kunden buchen spanische Ziele
Im Reisebüro Lucke verzeichnet Inhaber Dennis Grundmann aktuell viele Kunden mit Klärungsbedarf. Einige wenige Kunden würden sich derzeit nach Gran Canaria, aufs spanische Festland und nach Mallorca wagen. Andere blieben lieber in Deutschland oder in den benachbarten Niederlanden. Für alle Spätentscheider hat er gute Nachrichten. „Noch gibt es viele freie Plätze an der deutschen und niederländischen Küste, von den anderen Regionen ganz zu schweigen“, so der Reisefachmann. Glück für NRW, dass sie als erste in die Ferien reisen. „Auf die auch hier üblichen Hygienemaßnahmen müssen sich die Kunden aber in jedem Ferienland einstellen. Die Restaurants haben so ziemlich alle geöffnet, Bars und Diskotheken aber oftmals noch geschlossen. Auch das Fliegen in inzwischen wieder voll besetzten Flugzeugen sehen die Kunden noch skeptisch, so Dennis Grundmann. „Da fliegt die Angst mit.“ Wohl deshalb entscheiden sich auch viele seiner Kunden für nahe gelegene Ziele, die perfekt mit dem eigenen Auto angesteuert werden können.
Noch gibt es Reisewarnungen
Weniger Angst vorm Fliegen als Angst vor der eigenen Verantwortung haben die Kunden von Mehmet Demir. Denn der Türkei-Spezialist bekommt zwar einige Anfragen, aber da es für die Türkei sowie auch für das zweite Lieblingsland der Deutschen – Ägypten – jeweils noch Reisewarnungen gibt, schrecken die Kunden zurück. Dabei, so Demir, ist die Türkei auf einem hohen Stand was die Hygienemaßnahmen betrifft.
„Die großen Hotels mit enormer Bettenzahl dürfen nur 60 Prozent ihrer Kapazität ausfüllen. Sie arbeiten aber mit voller Kraft und haben somit freie Kräfte für die Hygienereinigungen der Zimmer, die alle 24 Stunden stattfinden muss“, so Demir. Er hofft, dass die Bundesregierung sich bald entschließe, auch für die Türkei grünes Licht zu geben, denn auf eigene Gefahr fliegen, das wollen viele seiner Kunden lieber doch nicht.
Soforthilfe? „Ein Tropfen auf den heißen Stein“
Außerdem stornieren manche Veranstalter gleich alle Reisen bis Ende August. Ein Dilemma für die Reisebüros, von denen viele schließen werden, da ist sich Mehmet Demir sicher. Ihn ärgert, dass Veranstalter wie TUI gleich zu Beginn der Pandemie 1,8 Milliarden Euro bekommen hätten, die kleinen Veranstalter und die Reisebüros allerdings leer ausgingen. „Wir machen die Arbeit für die Großen, wir stehen ohne Geld da.“ Er bezweifelt, dass TUI jemals einen Gewinn in derartiger Summe verzeichnet hätte. Im Gegensatz dazu gab es für die Reisebüros gerade einmal 25.000 Euro Soforthilfe. „Nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein bei 16 Angestellten und mehreren Filialen“, rechnet Demir vor. Als Experte für Türkei- und Russland-Reisen weiß auch er nicht, wie lange er noch durchhalten könne. „Ich bin froh, dass ich meine Gewinne immer gut angelegt habe und davon etwas zehren kann, aber wie lange noch, das weiß auch ich nicht.“
Von 100 geschlossenen Reisebüros habe er kürzlich auf einer Veranstaltung gehört, nun kämen noch die Büros von Karstadt hinzu. „Ich habe die Finanzkrise, den Golfkrieg und einige andere größere Konflikte mitgemacht, aber nichts war so schlimm wie die Corona-Pandemie“, berichtet er. Hätte die Bundesregierung die 1,8 Milliarden für TUI prozentual auf alle umgelegt, wären vielen in der Branche eine Insolvenz erspart geblieben, sagt er. Jetzt aber hofft er, dass er bald wieder durchstarten kann in der Türkei und an anderen Zielen.