Dinslaken. Ein Anwalt für Erbrecht erhebt wegen der Vorgänge ums Stammen-Haus Vorwürfe gegenüber der Stadt Dinslaken, dem Eigentümer und der Lebenshilfe.
Ein Rechtsanwalt aus Gelsenkirchen mit Wurzeln in Dinslaken holt zum juristischen Rundumschlag in Sachen Glockenspiel aus. Heinz-Günther Meiwes, Notar a.D. und Fachanwalt für Erbrecht und Ur-Dinslakener hat beim Bürgermeister eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Mitarbeiter des Bauordnungsamtes und eine Ordnungswidrigkeitsanzeige gegen den neuen Eigentümer des Stammen-Hauses eingereicht sowie die Lebenshilfe zur Wiedergutmachung des Schadens aufgefordert.
Das wirft Meiwes der Stadt Dinslaken vor
Die für die Bearbeitung und Genehmigung der Fassadenerneuerung zuständigen städtischen Mitarbeiter stünden unter dem Anfangsverdacht der Amtspflichtverletzung, so Meiwes. Der bevorstehende Verkauf des Stammen-Hauses und die Sorge der Bürger um einen Verlust des Glockenspiels seien im vergangenen Jahr in der NRZ thematisiert worden, so Meiwes. „Ihre Fachbehörde hat trotz öffentlicher Erörterung der Problematik augenscheinlich nichts unternommen, um die Einhaltung der Gestaltungssatzung im Falle des Hauses Stammen sicherzustellen,“ so sein Vorwurf an Bürgermeister Michael Heidinger. „Hierin liegt der Verdacht einer Amtspflichtverletzung, die der Stadt Dinslaken Schaden zugefügt hat. Zudem ist das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit und Pflichterfüllung des Verwaltungshandelns beschädigt.“
Das wirft der Anwalt dem Hausbesitzer vor
Außerdem hat Heinz-Günther Meiwes gegen den neuen Besitzer des Stammen-Hauses Anzeige wegen des Verstoßes gegen die Gestaltungssatzung erstattet. „Die städtebaulich prägende Fassade des Hauses Stammen mit dem charakteristischen Glockenspiel wurde beseitigt und das Haus durch eine neubaumäßig-glatte und in der Farbgebung graue Fassade entstellt,“ so der Anwalt.
Das schreibt Meiwes an die Lebenshilfe
In einem weiteren Schreiben fordert Meiwes die Lebenshilfe auf, ihren „Fehler schnell wieder gut zu machen.“ Die Lebenshilfe hat das Haus an der Neustraße vom Uhrmacher Hans Stammen geerbt. Der Erhalt des Glockenspiels war in Stammens Testament festgeschrieben – er war aber nicht Teil des Kaufvertrags mit dem neuen Eigentümer. Die Lebenshilfe hat auf die „mündliche Zusicherung“ des Käufers vertraut, wie Vorsitzender Meinhard Reichelt im Gespräch mit der NRZ sagte.
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„Eine wirksame und verbindliche mündliche Nebenabrede zum Kaufvertrag, der insgesamt notariell zu beurkunden ist, gibt es nicht“, so Meiwes. Daher sei die Erklärung, die Bewahrung des Glockenspiels sei mündlich vereinbart, „rechtlich und inhaltlich falsch. Es gibt keine wirksamen mündlichen Nebenabreden neben dem schriftlich fixierten Vertragswerk, das notariell zu beurkunden ist. Das wird Ihnen jeder Notar auch mitteilen.“
„Die testamentarische Auflage bindet den Erben“, so Meiwes. Die Erfüllung der Auflage stehe „nicht im Belieben des Zuwendungsempfängers, sondern ist eine gesetzliche Pflicht“. Die Lebenshilfe habe sich „durch Verkauf unter Missachtung der Auflage schadensersatzpflichtig gemacht“ und solle „alles tun, um den Fehler zu beseitigen“.
„Als alter Dinslakener über Vorgänge gewundert“
Als „alter Dinslakener“ habe er sich über die Vorgänge gewundert, so Meiwes. „Ich nehme immer noch Anteil am Geschehen in meiner Heimatstadt.“ Als Fachmann könne er „die beschwichtigenden Ausführungen der Beteiligten nur belächeln. Wie kann man als Verantwortlicher der Lebenshilfe derartig nachlässig mit rechtsverbindlichen Auflagen des Testators Hans Stammen und seinem letzten Willen umgehen und sich auf unverbindliche mündliche Zusagen des Käufers neben dem schriftlich fixierten notariell beurkundeten Kaufvertrag verlassen wollen? Wie kann die Stadtverwaltung seit Januar 2019 tatenlos zusehen, dass das Haus Stammen verkauft werden soll, und nichts tun, um die Beteiligten auf die Einhaltung der Gestaltungssatzung hinzuweisen? Wie kann die Baubehörde die Fassadenerneuerung genehmigen, ohne auf Einhaltung der Gestaltungssatzung zu bestehen und dies zur Auflage zu machen?“
Das sagt die Stadtverwaltung Dinslaken
Die Dienstaufsichtsbeschwerde werde „zeitnah durch den Bürgermeister bewertet“, so Stadtsprecher Marcel Sturm auf Anfrage der NRZ. Grundsätzlich sei eine „Sanierung der Fassade dieses Privatgebäudes im Rahmen der Gestaltungssatzung nicht anzeige- und genehmigungspflichtig. Der Verstoß selbst war freilich erst erkennbar, nachdem die Fassade im Anschluss an die Bauarbeiten enthüllt worden war.“ Die Verwaltung habe auf den Verstoß bereits reagiert: „Die Bauaufsichtsbehörde hat mit der Anhörung des Eigentümers ein Verfahren eingeleitet“.
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