Dinslaken/Voerde/Hünxe. Die Kommunen fühlen sich durch das Konjunkturpaket entlastet – aber nicht genügend. Es geht nicht nur um Altschulden. Sondern um Prinzipielles.

Das Konjunkturpaket der Bundesregierung soll auch die Kommunen entlasten. Die durch die Pandemie drohenden Ausfälle bei der Gewerbesteuer sollen aufgefangen werden, der Bund übernimmt einen höheren Anteil der Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger. Beides begrüßen die Kommunen Dinslaken, Voerde und Hünxe – hätten sich aber eine Übernahme der Altschulden gewünscht.

Das sagt die Stadt Dinslaken

„Die Unterstützung der Kommunen durch die Möglichkeit der regressiven Abschreibung und der Direktförderung bei der Gewerbesteuer ist eine gute Hilfe. Damit wird die Belastung der Kommunen durch die Krise deutlich reduziert und die Kommunen können weiterhin investieren und die Wirtschaft ankurbeln“, so kommentiert Dinslakens Kämmerer und Planungsdezernent Dr. Thomas Palotz. Die Erhöhung des Bundesanteils an den Unterkunftskosten wirke sich bei Kreisen und kreisfreien Städten positiv auf die Sozialleistungen in den Bereichen SGB II und XII aus. Für die kreisangehörigen Kommunen werde sich dies letztlich auf die Verringerung der Kreisumlage auswirken.

Digitalisierung und Schulen: „Weit über die Fördermittel hinausgehender Bedarf“

Das Investitionsprogramm für den Ausbau von Ganztagsschulen, Ganztagsbetreuung und im Bereich Digitalisierung sei „ein Schritt in die richtige Richtung, aber reicht bei weitem nicht aus, um die Bedarfe vor Ort zu erfüllen, so Sozialdezernentin Christa Jahnke-Horstmann: „Das Land NRW sollte ergänzend das erfolgreiche Programm ‘Gute Schule 2020’ fortführen.“ Die Stadt Dinslaken sei mit der ProZent bei den Schulsanierungen gut aufgestellt und werde weiterhin alle Fördermittel abrufen und für die Schulen nutzen. „Wie die hohen kommunalen Investitionen der letzten Jahre zeigen, ist aber ein wesentlich höherer Finanzbedarf vorhanden.“ Auch im Bereich Digitalisierung sieht die Dezernentin einen „weit über die Fördermittel hinausgehenden Bedarf“.

Bürgermeister: „Würde die Konnexitätslücke geschlossen, hätten wir in nicht einmal zwei Jahren die Kassenkredite vollständig getilgt“

„Eine Übernahme der kommunalen Altschulden muss weiter Thema bleiben,“ fordert Bürgermeister Dr. Michael Heidinger. Aktuell liegen die Kassenkredite in Dinslaken bei rund 45 Millionen Euro. „Man muss bedenken, dass unsere Altschulden entstanden sind, weil Städte und Gemeinden seit Jahrzehnten die Bundesgesetze subventionieren. Diese Ungerechtigkeit muss aufhören. Das wäre noch dringender als das Begleichen der Altschulden. Würde die Konnexitätslücke geschlossen, hätten wir in nicht einmal zwei Jahren die Kassenkredite vollständig getilgt“, so der Bürgermeister. Dinslaken hat die Hoffnung, dass das Konjunkturpaket die Wirtschaft und den privaten Konsum ankurbelt. „Dies wäre nicht zuletzt wichtig für den stationären Einzelhandel und die Gastronomiebetriebe.“

Das sagt die Stadt Voerde

Für Voerdes Bürgermeister Dirk Haarmann gehen die mit dem Konjunkturpaket für die Kommunen geplanten Hilfen „in die richtige Richtung“. Damit meint er zum einen die „direkte Kompensation“ von coronabedingten Gewerbesteuerausfällen. In Voerde beläuft sich die Gesamtsumme der Anträge auf eine Stundung oder Herabsetzung der von den Firmen zu leistenden Vorauszahlungen aktuell auf etwa 3,14 Mio. Euro. Den größten Teil machen dabei die Anträge auf Herabsetzungen der Vorauszahlungen für Teilbeträge oder auf Null aus. Diese liegen bei rund 2,8 Mio. Euro.

Sozialkosten: „nur der erste Schritt einer Soforthilfe“

Positiv sieht Haarmann zudem, dass der Bund seinen Anteil an den Kosten für die Unterkunft (KdU) von Sozialhilfeempfängern auf 75 Prozent anheben will. Die KdU werden von Kreisen und kreisfreien Städten getragen. Der Kreis wiederum gebe dies über die Kreisumlage an die Kommunen weiter, weshalb Haarmann an der Stelle eine Entlastung für die Stadt erwartet. Die Anhebung des Beitrages, den der Bund an den Kosten der Unterkunft leisten will, ist für Haarmann nur der erste Schritt einer Soforthilfe, eine komplette Ausfinanzierung der Kommunen für die zu erbringenden Sozialleistungen sei dies nicht. „Diese strukturelle Verbesserung wird nicht dazu reichen, dass wir dauerhaft die Haushalte ausgeglichen haben“, gibt er zu bedenken.

Bürgermeister: „Es nutzt nichts, wenn der Bund die halbe Brücke baut, wenn es das Land nicht auch tut“

Enttäuscht zeigt sich Haarmann darüber, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mit seinem Vorschlag, den Kommunen die Altschulden zu erlassen, am Widerstand der Union scheiterte. Voerde ächzt unter Kassenkrediten in Höhe von etwa 46 Mio. Euro. Haarmann erinnert daran, dass die Forderung des Bundes immer gewesen sei, dass die Länder dazu ihren Beitrag leisten müssten, bisher sei noch offen, wie NRW sich dazu verhalten wolle. „Es nutzt nichts, wenn der Bund die halbe Brücke baut, wenn es das Land nicht auch tut.“ Positiv sind aus seiner Sicht die angekündigten Investitionshilfen im Bereich des Kita- und des Ausbaus der offenen Ganztagsschule (OGS). Dies helfe gerade den Kommunen, die wie Voerde „vor großen Aufgaben“ stünden.

Das sagt die Gemeinde Hünxe

„Die Altschuldenlösung hätte mich auch gewundert, da erstmal das ,Konjunkturprogramm’ ohne größere Einigung beschlossen werden konnte“, sagt Michael Häsel, Kämmerer der Gemeinde Hünxe, und nennt mit Stand 31. Dezember 2019 für seine Kommune einen Kassenkredit in Höhe von fünf Millionen Euro. Aus seiner Sicht bleibe es bei zum Teil nicht planbaren Aussagen. „Vom Grundsatz sind die Maßnahmen natürlich zu begrüßen, da sie zu einer Verbesserung der Finanzsituation führen werden. Ob die Maßnahmen ausreichen, bleibt abzuwarten.“

Mehrwertsteuer: „erheblicher Bürokratieaufwand“ für Firmen

Zu einem pauschalen Ausgleich der Gewerbesteuer sei „keine konkrete Aussage für die Gemeinde Hünxe möglich“. Die dauerhafte Übernahme der Kosten der Unterkunft bis zu 75 Prozent bei den Sozialleistungen sei „grundsätzlich zu befürworten, aber nicht ausreichend“, so Häsel. Bei der Senkung der Mehrwertsteuer bleibe abzuwarten, „inwieweit die Senkung tatsächlich an den Endverbraucher abgegeben wird“. Für Firmen werde die sechsmonatige Befristung „zu einem erheblichen Bürokratieaufwand führen“.

Die restlichen Anreize im ÖPNV und bei Förderprogrammen sind aus Sicht des Hünxer Kämmerers zu befürworten. (P.K./P.N./aha)

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