Voerde. Schreiben von NRW-Umweltministerium und Lanuv zu den von ihm angesprochenen Problemen im Umgang mit dem Wolf macht Ingo Hülser keine Hoffnung.

Nach der Veröffentlichung eines privaten Videos, das den Angriff zweier Wölfe auf einen Hirsch in Hünxe nahe einer Wohnbebauung zeigt, sind beim NRW-Umweltministerium und beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv) nach deren eigener Aussage zahlreiche Stellungnahmen von Bürgern und örtlichen Interessengruppen eingegangen.

In einem gemeinsamen Schreiben, das der NRZ vorliegt, nehmen beide dazu Position. Auch Ingo Hülser, Chef des Deichverbandes Mehrum, hatte sich nach der viel beachteten Sichtung eines zweiten Raubtieres im Wolfsgebiet Schermbeck, Mitte April an NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser gewandt. Mit der Existenz zweier Wölfe sieht er die Pflege der Deiche durch Schafe noch einmal mehr gefährdet. Und dafür müsse das Tier nicht einmal bis zum Rhein kommen.

Deichgräf befürchtet andernorts einen Anstieg der Nutztierrisse

Der Deichgräf befürchtet andernorts einen Anstieg der Nutztierrisse – noch verstärkt dadurch, dass eine Rudelbildung zu erwarten sei. Einer der Schäfer, der mit seinen Tieren den Voerder Deich beweidet, hatte auf eine Existenzbedrohung seines Betriebes durch die Anwesenheit eines zweiten Wolfes hingewiesen. Hülser sieht die Gefahr, dass Schafhalter deshalb aufgeben und somit die natürliche Bewirtschaftung der Deiche wegfallen könnte. Ministerium und Lanuv greifen in ihrer Mitte Mai verschickten allgemeinen Stellungnahme das Thema Deichbeweidung mit Schafen im Hinblick auf das Wolfsvorkommen zwar auf, die von Hülser aufgezeigte Problematik aber bleibt unerwähnt.

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Beide räumen ein, dass, wie vom Deichgräfen bereits in der Vergangenheit angesprochen, es auf dem Deich etwa aufgrund der gleichzeitigen touristischen Nutzung nicht überall möglich ist, mit den „herkömmlichen Schutzmaßnahmen“ (elektrifizierten Zäunen und Herdenschutzhunden) zu arbeiten.

Auf Anfrage der NRZ berichtet Hülser von Aussagen, die ihm gegenüber seitens des Umweltministeriums gemacht worden seien. Demnach soll es offenbar Überlegungen geben, Wolfrisse auf Deichen auch für den Fall zu entschädigen, dass der Herdenschutz dort nicht möglich war. „Das ist sicherlich eine gute Lösung, hilft aber nicht weiter“, erklärt Hülser mit Hinweis auf die befürchtete Folgewirkung, die mit einer steigenden Anzahl von Schafsrissen an anderer Stelle für die Deichpflege einherginge. Im Moment sei es so, dass der Deichverband Mehrum geringe Unterhaltungskosten dafür aufbringen müsse. Sollte die Möglichkeit, die Weidetiere als natürliche Rasenmäher einzusetzen, wegfallen, weil sich dafür keine Schafhalter mehr finden, sähe Hülser das Land NRW in der Pflicht, die Kosten dafür zu übernehmen.

Wie soll der Umgang mit zweitem Wolf zu managen sein?

Der Voerder Deichgräf, der in seiner Mail an die Ministerin konstatiert, dass das Land bisher nicht in der Lage gewesen sei, den Umgang mit nur einem Wolf zu managen, und sich fragt, wie es dies mit einem zweiten Raubtier zu tun gedenkt, spricht in jenem Schreiben auch die Frage an, wer die politische Verantwortung übernehme, „wenn Menschen direkt durch den Wolf angegriffen“ würden. Ministerium und Lanuv verweisen darauf, dass in den zurückliegenden 20 Jahren, seit es in Deutschland wieder diese Raubtiere gebe, keinen nachgewiesenen Fall eines Angriffs von Einzelwölfen oder gar eines Rudels auf Menschen gegeben habe.

Wölfe verhielten sich grundsätzlich dem Menschen gegenüber scheu und zögen sich bei möglichen Begegnungen von allein zurück. Bei dem in Nordrhein-Westfalen durchgeführten Verfahren zur Beobachtung der Entwicklung einer Wolfspopulation – dem sogenannten Monitoring – werde sehr großer Wert auf das Erkennen „von abweichendem Verhalten der Tiere gelegt“. Klar formuliertes Ziel sei es, dass solche Individuen frühzeitig erkannt werden müssten und im Falle einer Alternativlosigkeit dann auch aus der Natur entnommen würden.

>> GESPRÄCH MIT EUROPAABGEORDNETEM

  • In ihrer allgemeinen Stellungnahme machen NRW-Umweltministerium und Lanuv deutlich, dass für das Land der Schutz der Bevölkerung „oberste Priorität“ habe. Sofern dieser und die Unversehrtheit des menschlichen Lebens nicht gefährdet seien, müssten beim Umgang mit dem Wolf allerdings weitere Rechtsnormen beachtet werden: Wölfe seien durch europäisches und nationales Naturschutzrecht streng geschützt. Ein Nutztierriss rechtfertige keinesfalls alleine den Abschuss eines Wolfs. Dieser dürfe nur im Ausnahmefall als „Ultima Ratio“ nach den strengen Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes erfolgen.
  • Weil sich für die Betroffenen beim Thema Wolf „keine befriedigende Lösung“ abzeichne – das Land weise auf geltendes, auch europäisches Recht hin – will Voerdes Deichgräf eruieren, ob auf politischer Ebene Veränderungen im Umgang mit dem Raubtier herbeigeführt werden können. Hülser, der in seiner Heimatstadt für die CDU im Rat sitzt, hat für nächste Woche Pferdezüchter, Jäger, Vertreter der Kreislandwirtschaft und der Deichverbände auf Landesebene zu einem Gespräch bei Schäfer Maik Dünow in Wesel mit dem CDU-Europaabgeordneten Dr. Stefan Berger eingeladen.