Hünxe. André Schürmann hält seine Rinder artgerecht auf einer Hünxer Weide. Das würde er gerne weitermachen. Aber der Herdenschutz wird nicht gefördert.
Lolita, Lenny und ihre Geschwisterschar schauen neugierig aus dem Stall. Zwischen drei Wochen und zwei Monaten sind die jungen Limousin-Rinder alt. Nun dürfen sie erstmals auf die Weide. Endlich! Bauer André Schürmann legt großen Wert auf artgerechte Haltung. Seitdem aber an Ostern in der Nähe zwei Wölfe einen Hirsch gehetzt haben, fürchtet der 40-Jährige um seine Tiere. Und anders als bei Schafhaltern gibt es für den Herdenschutz bei Rindern keine Förderung.
„Wir können schon kaum noch schlafen“
„Wir können schon kaum noch schlafen“, sagt André Schürmann. Dreimal habe der Wolf die Herde schon im vergangenen Jahr heimgesucht, immer fürchte man nachts, die Tiere wieder schreien zu hören. Die Mutterkühe seien in Panik in den Zaun gerannt, eine Kuh war verletzt, der Zaun danieder. Zum Glück sei nicht mehr passiert. „Aber jetzt sind hier zwei Wölfe unterwegs.“ Dagegen könnten auch die 600 Kilo schweren Mutterkühe ihren Nachwuchs nicht schützen. 40 bis 50 Kilo wiegen die Kälbchen - leichte Beute für den Wolf, fürchtet André Schürmann.
Er hat die Zucht von seinen Eltern übernommen und betreibt sie neben seinem Job im Einzelhandel. 50 Tiere – 25 Mutterkühe und Nachwuchs und ein Bulle – leben auf dem idyllischen Hof im Hünxer Bachtal. Seine Tiere haben allesamt Namen und nicht nur Nummern. „Das ist meine Herzenssache“, sagt der 40-Jährige, während er den Kuhdamen eine Runde Futter serviert.
Limousin-Rinder sind eine hornlose Fleischrasse, die besten Kühe behält er zur Zucht, die anderen und die Bullen verkauft er. Viel verdienen lasse sich mit der geringen Anzahl an Tieren nicht: „Deswegen gehen die kleinen Höfe ja auch alle kaputt.“ Wenn der Wolf – oder mehrere Wölfe – weiterhin oder sogar vermehrt seine Herde angreifen, „dann muss ich das aufgeben“, bedauert André Schürmann.
Zum Kalben holt er die Kühe schon jetzt in den Stall
Eigentlich kalben seine Tiere auf der Weide – das gehe schon jetzt nicht mehr. Und alle Tiere im Stall halten – das will Schürmann nicht, und es sei auch aufgrund der erhöhten Futterkosten nicht zu finanzieren. „Die Gesellschaft fordert immer von den Bauern artgerechte Haltung, schafft aber nicht die Voraussetzungen“, kritisiert er.
Sieben Hektar messen die Weiden des Hofes. Fast alles ist mit Stacheldraht und stromführendem Zaun eingefasst. „Der Wolf schafft es trotzdem da durch“, sagt Schürmann und seufzt. Er würde sich freuen, wenn sich ein Wolfsberater einmal damit befassen oder das Land ausreichenden Herdenschutz fördern würde – der bei Kühen allerdings stabiler sein müsse als bei Schafen.
Herdenschutz wird nur für „besonders gefährdete Arten“ finanziert
Aber NRW finanziert den Herdenschutz nur für „besonders gefährdete Arten wie Ziegen, Schafe und Gehegewild“, bestätigt Dagmar Groß, Sprecherin der Bezirksregierung. Eine „Förderung von Präventionsmaßnahmen für Kühe ist in der Förderrichtlinie Wolf nicht vorgesehen“, so die Sprecherin. Sie gehören nicht zu den „besonders gefährdeten Tierarten“.
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Ab Oktober gibt es keine Entschädigung mehr für gerissene Schafe, Ziegen und Gehegewild
Bis zum 1. Oktober 2020 – also zwei Jahre nach Ausrufung des Wolfsgebietes – bekommen Halter von Schafen, Ziegen oder Gehegewild noch eine Ersatzzahlung, wenn der Wolf eines ihrer Tiere reißt. Dann ende die zweijährige Übergangsfrist, innerhalb derer sie sich einen zu 100 Prozent geförderten „Grundschutz“ zugelegt haben sollten. „Kommt ein Schafhalter diesem Angebot nicht nach, so muss er nach dem 1. Oktober die Konsequenzen tragen“, erläutert Dagmar Groß.
„Der Wolf hätte längst vergrämt werden müssen“
Für die Rinderhaltung auf Weiden gilt das nicht. Weil es keine Förderung für den Herdenschutz gibt, bekommen die Halter auch nach dem 1. Oktober 2020 noch Entschädigungen für gerissene Tiere. Aber darum geht es Schürmann nicht. Er möchte seine Tiere artgerecht halten – ohne dass sie gerissen werden. Der Wolf, sagt er, „hätte längst vergrämt werden müssen.“