Dinslaken/Voerde/Hünxe. Wie Händler in Dinslaken, Voerde und Hünxe die Coronaregeln umsetzen und wie Kunden reagieren. Eine traurige Begebenheit – und ein neuer Service.

Corona – war da etwas? Die Parkplätze der Dinslakener Baumärkte sind voll. Die Kunden schleppen Blumen und Erde, Farbeimer und Gartengeräte zu ihren Autos. Fast wie an einem Samstag. Bloß, dass Donnerstag ist. Und Corona. Ein ganz anderes Bild in den Supermärkten in Dinslaken, Voerde und Hünxe: Alle sind peinlich um Abstand bemüht, der Einkaufswagen dient als Puffer. Einkaufen in der Corona-Krise – wir haben es ausprobiert.

Großer Andrang in Baumärkten

Sommerliche Margeriten machen bei Stewes in Dinslaken Lust auf Draußen, auch die ersten Freilandgemüse-Pflanzen warten schon auf Hobby-Gärtner. Die Außenkasse am Gartencenter ist geöffnet. Auf den ersten Blick ist alles fast wie immer – wenn nicht ein Mitarbeiter die Einkaufswagen mit Desinfektionsmittel absprühen würde. Der Andrang ist „normal für den Frühlingsbeginn“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer Marcel Sommer. In der vergangenen Woche sei noch mehr los gewesen. Vor allem Garten- und Renovierungszubehör sei nachgefragt – viele Kunden hätten nun viel Zeit.

Im Baumarkt selbst umgibt Flatterband die Infopoints, um den gebotenen Abstand zu wahren. Zwei Mitarbeiterinnen im Gartencenter schützen ihre Gesichter mit Tüchern. Die Kunden sind gut verteilt – nicht schwer, in dem großen Markt.

Die Parkplätze der Baumärkte in Dinslaken sind voll.
Die Parkplätze der Baumärkte in Dinslaken sind voll. © nrz | aha

Beim Baumarkt B1 wenige Straßen weiter achtet eine Mitarbeiterin vor der Tür darauf, dass nicht zu viele Kunden in den Laden strömen. „Maximal zwei Personen pro Einkauf“ sind laut Aushang gestattet. „Nur eine von Ihnen darf einkaufen“, erklärt sie zwei verdutzten Frauen. Auf dem Parkplatz wartet eine Reihe Ehemänner, die ihrer Gattin den Vortritt gelassen haben. Desinfektionsmittel steht auf einem Tisch – mit dem Hinweis, man möge damit die Einkaufswagen reinigen.

Nur mit Einkaufswagen ins Geschäft

Bei Lidl in Dinslaken und bei Edeka Uttrodt in Bruckhausen übernimmt das ein Mitarbeiter. Der Edeka war schon immer ein Treffpunkt in Bruckhausen. Besonders in der aktuell kontaktarmen Zeit freuen sich Bekannte, die sich dort zufällig über den Weg laufen. Zwei Frauen, die sich sonst sicher in die Arme gefallen wären, grüßen sich zwischen Cornflakes und Marmelade so enthusiastisch, wie das in Corona-Zeiten eben geht: Mit einem „Corona-Küssen“ wie die eine sagt, durch die Luft – und über die Einkaufswagen hinweg. Denn wer in das Geschäft von Alexander Uttrodt möchte, muss einen Einkaufswagen mitnehmen, erklärt ein freundlicher Mitarbeiter vor der Tür. Auch, wenn man nur eine Packung Müsli kaufen will.

Das Tui-Absperrband hat wohl am Flughafen ausgedient - und sorgt nun für den richtigen Abstand an der Edeka-Fleischtheke.
Das Tui-Absperrband hat wohl am Flughafen ausgedient - und sorgt nun für den richtigen Abstand an der Edeka-Fleischtheke. © FUNKE Foto Services | Heiko Kempken

„Unser Ladenlokal ist relativ eng“, erläutert Inhaber Alexander Uttrodt, der – ebenso wie Lidl – auf diesem Weg die Anzahl der Kunden, die sich gleichzeitig im Geschäft aufhalten, reglementiert. Nach dem Einkauf wird der Wagen abgegeben und frisch gereinigt dem nächsten Kunden übergeben. Auch Edeka Bienemann hat am Donnerstag angekündigt, dass ab Freitag nur noch Kunden mit einem Einkaufswagen in die Geschäfte in Dinslaken kommen. Maximal zehn pro 100 Quadratmeter

Bei Real Dinslaken gibt es solche Regeln aktuell noch nicht. Aber der Laden appelliert an die Vernunft der Kunden – und weist mit großen Schildern darauf hin, dass ein Einkauf kein Familienausflug ist. Hier sind auch noch alle Waren im Verkauf – auch nicht ganz so Lebensnotwendiges wie E-Geräte und Osterdeko. Bei Action hingegen ist alles was nicht der Grundversorgung dient, abgedeckt. Eine Frau diskutiert mit dem Filialleiter über Zubehör für eine Espressomaschine, das sie trotzdem erwerben möchte. Selbst wenn er sich erweichen ließe – die Kasse nimmt die Artikel derzeit gar nicht an.

Lieferservice für Alte und Kranke

Vor Edeka Stepper in Friedrichsfeld fährt „Der rasende Ralle“ mit seinem Wagen vor. André Stepper hat einen Lieferservice für ältere und kranke Kunden eingerichtet. Einmal in der Woche fährt Ralf „Ralle“ Giebelmann, ehemals Bergmann und nun in Rente, die Lebensmittel zu den Kunden in Voerde, Friedrichsfeld und Spellen und bringt die Kisten mit Lebensmitteln bis an die Haustür.

Auch die Bäckerei Ernsting beteiligt sich: Brot, Brötchen und Kuchen können mitbestellt werden. Derzeit werden „nur“ zehn Kunden beliefert – der Lieferservice war schon vor der Corona-Krise geplant. Andre Stepper möchte das Angebot gerne ausbauen, damit mehr Kunden beliefert werden können. Ziel sei, bald zweimal in der Woche zu fahren, so der Geschäftsinhaber. Das scheitere derzeit nur an der Warenverfügbarkeit, das DRK und sehr viele Bürger hätten schon angeboten, Edeka und den „rasenden Ralle“ bei der Auslieferung zu unterstützen.

Ernsting stellt das Mehl aus seinen Großbeständen - Mitarbeiter von Edeka Stepper packen es ab.
Ernsting stellt das Mehl aus seinen Großbeständen - Mitarbeiter von Edeka Stepper packen es ab. © FUNKE Foto Services | Heiko Kempken

Vor allem, natürlich, sei Toilettenpapier knapp. Andre Stepper erzählt von einer älteren, gebrechlichen Dame, die in der vergangenen Woche mit ihrem Rollator den für sie weiten Weg zum Laden bewältigt hat – und dann keine Seife und kein Toilettenpapier mehr bekam. Die Frau hat vor Verzweiflung geweint - weil sie eben nicht drei, vier Läden abklappern kann. Ebenfalls in der vergangenen Woche hätten Kunden anderen noch Waren aus dem Korb gerissen – „oder gleich den ganzen Einkaufswagen mitgenommen, wenn da interessante Sachen drin lagen“, berichtet Andre Stepper und schüttelt den Kopf. Die Abgabemengen sind mittlerweile reglementiert und seit der Rede der Kanzlerin am Wochenende würden sich die Kunden besonnener verhalten.

Aktion gegen Warenknappheit

Gegen die Warenknappheit in zumindest zwei Bereichen unternehmen Stepper und Bäcker Ernsting derzeit selbst etwas: Weil auch Mehl und Hefe stark nachgefragt sind, stellt Ernsting seine Großbestände zur Verfügung, die Edeka-Mitarbeiter dann abpacken und in den üblichen Größen verkaufen. Die Hefe gibt es an der Käsetheke – bei der die Kunden durch ein Absperrband des Reiseunternehmens Tui auf Abstand gehalten werden. Früher hat das Band, das Stepper über Beziehungen von einem Reisebüro bekommen hat, wohl an einem Flughafen Reisende geleitet. Nun zaubert es vielen Kunden ein Lächeln ins Gesicht. Und das ist in Corona-Zeiten besonders viel wert.