Dinslaken. Die Linke erinnert mit einer Ausstellung in ihren Räumen an 100 Jahre Märzaufstand auch am Niederrhein. Auch in Dinslaken fanden Kämpfe statt

„Nicht schießen, nicht schießen! Wir haben doch nichts getan...“ – Doch ihre Worte wurden nicht erhört, die jungen Mädchen und Frauen starben am Rutenwall im Kugelhagel der Reichswehr. Erschossen ohne Prozess, nur weil sie als Kartoffelschälerinnen und Krankenschwestern für die Rotarmisten arbeiten mussten. Hedwig Rabczinski aus Lohberg war eine von ihnen. Sie hatte eine Halbtagsstelle im Haushalt der Familie Feldhoff, schälte nachmittags für die „Rote Armee“ Kartoffeln.

Unterlagen sind schwer zu bekommen

Der Auszug von Pauline Feldhoff aus dem Buch „Der andere Blick“ des Frauengeschichtskreises Dinslaken ist nur ein Teil der Ausstellung zum 100. Jahrestag des Märzaufstandes von 1920, die die Fraktion der Linken in ihren Räumlichkeiten zeigt. Eine weitere Liste zählt die Namen der Getöteten vom 27. März sowie dem 1. und 2. April auf. Viele von ihnen stammten aus Lohberg, zwei aus Dinslaken, einer aus Bruckhausen – doch die Liste ist unvollständig. „Es ist schwer, an Bild- und Dokumentationsmaterial zu kommen“, erzählt Detlef Fuhg den Besuchern der Matinee am Sonntag. Entweder gebe es kaum Unterlagen in den Archiven oder sie seien nicht für den deutschen und europäischen Raum zu bekommen, müssten in Amerika für viel Geld gekauft werden. Die Aufarbeitung jener Zeit, obwohl der Märzaufstand einer der größten Aufstände seit den Bauernkriegen aus dem 16. Jahrhundert sei, ließe zu wünschen übrig, so Fuhg.

Dennoch konnte die Linksfraktion gemeinsam mit der Linksfraktion des Kreises und der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine interessante Dokumentation jener Ereignisse vor 100 Jahren auf die Beine stellen. Mit historischen Fotos und kolorierten Bildern des Dinslakener Künstlers Reiner Lange. Wenn auch Historiker Volker Gerwers am Sonntag nicht alle Fragen klären konnte. Der gebürtige Voerder spannte in einem kleinen Vortrag einen Bogen über die Ereignisse vom 13. März 1920 in Berlin bis hin zum Terroranschlag in Hanau .

Wie alles begann

Es war der 13. März 1920 als die Brigade Erhardt mit Stahlhelm und Hakenkreuz und die Putschisten Wolfgang Kapp und General Walther von Lüttwitz versuchten die neu geschaffene Weimarer Republik zu stürzen. Die Reichsregierung floh, rief zum Generalstreik auf, dem 11 Millionen Menschen folgten. Vor allem im Ruhrgebiet wurde die Arbeiterschaft in der so genannten Roten Ruhrarmee aktiv. 50.000 Mann stark sei die Rote Armee gewesen, so Gerwers. Andere Zahlen sprechen von 100.000. Ihr Kennungszeichen – die rote Armbinde.

Zwar war der Kapp-Lüttwitz-Putsch bereits am 17. März beendet, die sozialdemokratisch geführte Regierung wieder in Berlin, doch trotz Bielefelder Abkommen legten nicht alle Rotarmisten ihre Waffen nieder. „Den Arbeitern war es weniger um den Kampf gegen Rechts gegangen, als um die Sozialisierung von Großbetrieben. Der Kampf im Ruhrgebiet, und auch in Dinslaken, Friedrichsfeld und Hünxe ging weiter und forderte zahlreiche Opfer. 500 Rotarmisten waren allein in der Zitadelle inhaftiert und wurden brutal misshandelt“, berichtet Historiker Gerwers. Viele Denkmäler und Gedenktafeln im Ruhrgebiet erinnerten an die „vergessene Revolution“. Die meisten Rotarmisten und Mitglieder der Vollzugsräte seien aber nicht während der eigentlichen Kämpfe umgekommen, sondern von der Reichswehr und den Freikorps, aufgestellt von der Regierung, hingerichtet worden. Zahlreiche Massengräber zeugten in den Jahren davon, auch in Bruckhausen. Die Umbettung der dort Erschossenen fand im Juli 1931 statt. Bilder davon sind in der Ausstellung zu sehen.

Thema: Bedrohung von Rechts

Gerwers spricht die heutige Bedrohung von Rechts, auch durch die AfD, den Terror von Hanau, an. Doch die heutige Situation sei nicht vergleichbar, meint der Historiker. Die Weimarer Republik, durchaus nicht so demokratisch wie es scheint, ein demokratiefeindliches Heer sowie eine Großindustrie und einen Adel, die vom vom erneuten Kaiserreich träumten. „Heute aber gibt es eine starke Demokratie, für die die Menschen einstehen“, ist Volker Gerwers überzeugt. Kein Einzug in die Ausstellung fand die Ermordung des damaligen Lohberger Bergbaudirektors Heinrich Sebold im März durch Rotarmisten.

>>Öffnungszeiten

Die Ausstellung mit Fotos und Begleittexten, die die Linksfraktion der Stadt Dinslaken mit der Linksfraktion des Kreises Wesel und der Rosa-Luxemburg-Stiftung initiiert hat, ist bis zum 6. März jeweils von 10 bis 17 Uhr im „Linksr(a)um“ der Fraktion an der Friedrich-Ebert-Straße 46 kostenlos anzuschauen