Dinslaken. Eine Skulptur für Leopold Strauss im Berufskolleg zeigt die Schrecken der Dinslakener Pogroms im November 1938. Und ist Mahnung, wachsam zu sein

Die Säule stand schon immer im Foyer des Berufskollegs an der Wiesenstraße. Die Ummantelung mit der Skulptur aus Zement ist allerdings neu. Geschaffen wurde die Leopold-Strauss-Erinnerungssäule von Studierenden der der Fachschule Sozialpädagogik. „Die Vergangenheit ist nicht dazu da, um sie zu vergessen, sondern vielmehr, um aus ihr zu lernen.“ Das Statement von Sonya Saka und Eva Witkowski steht gleich am Anfang der feierlichen Einweihung.

Die Säule der Erinnerung im Berufskolleg Dinslaken.
Die Säule der Erinnerung im Berufskolleg Dinslaken. © FUNKE Foto Services | Heiko Kempken

Dass das mit dem Lernen aus der Geschichte oft recht schwierig ist, weiß besonders Sonya Saka. Sie ist kurdischer Abstammung, gehört dem jesidischen Glauben an und weiß, was Verfolgung und Völkermord bedeuten. „Wir müssen uns aktiv gegen Vorurteile und Hass wehren, sonst wird sich nie etwas ändern“, so die junge Frau.

Strauss wurde schwer misshandelt

Das Engagement der sieben Studierenden des Berufskollegs, Sonja Saka, Jana Siebert, Ekaterini Panoudi, Eva Witkowski, Linda Symannek, Gwenna Hieronimus und Christoph Nitsche ist vorbildlich. Schon seit langem gestaltet das Berufskolleg die Feierlichkeiten zum Pogrom im November mit, im vergangenen Jahr sei so die Idee entstanden, an Leopold Strauss zu erinnern. Denn an seinem Tod haben Schüler der damaligen Fortbildungsschule, dem Vorgänger des Berufskollegs, großen Anteil.

Am Morgen des 10. November 1938 wurde Leopold Strauss von Jugendlichen schwer misshandelt. Hatten anfangs Nazi-Schergen seine Wohnung verwüstet, taten danach die Schüler ihr Übriges. Es war der damalige Schulleiter Erich Hildebrand, der seinen Schülern frei gab und sie aufforderte, sich an den Pogromen zu beteiligen. Dem folgten die Jugendlichen mit aller Gewalt. Die Verletzungen von Leopold Strauss müssen so schwerwiegend gewesen sein, dass er in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Seine Schwiegertochter und seine Enkelin Marianne holten ihn schließlich nach Essen, wo er ein halbes Jahr später an den Folgen jenes Überfalls verstarb.

„Dabei ist es bei uns passiert!“

Gerade im Wiederaufkeimen des Antisemitismus, der rechten Parolen, sei es wichtig, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, so Schulleiter Florian Eckert. Die Beschäftigung mit Leopold Strauss und der Vergangenheit der eigenen Schule mache den Teil der deutschen Geschichte so persönlich. „Jedes Jahr geben wir ein Statement ab, aber Leopold Strauss ist dabei immer ein wenig untergegangen“, berichtet Linda Symannek. „Dabei ist es bei uns passiert, in unserer Vorschule. Also betrifft es uns .“

Künstler Manni Hallen hat die Schüler unterstützt

Im Vorfeld der Aktion gingen die Schüler den „Steinigen Weg“ nach, standen vor seinem Haus, vor dem Leiterwagen, um die Atmosphäre einzufangen. Nach den Sommerferien ging es dann los mit dem Projekt. Der heimische Künstler Manni Hallen hatte die Vorarbeiten geleistet, die Schüler ließen schließlich ihren Ideen freien Lauf. So entstand eine, wie auch Künstler Manni Hallen sagt, beeindruckende Skulptur. In einer Szene führt eine Treppe zur Wohnung von Leopold Strauss im ersten Stock – die Tür ist geöffnet – der Betrachter sieht Leopold Strauss in die Augen. Auf der anderen Seite der verletzte Lehrer, Scherben erinnern an die Verwüstung der Wohnung. Dann der Pfadfindergruß – der Bezug zur Gegenwart. Drei Finger zeigen in Richtung des Himmels – der Daumen schützt den kleinen Finger. „Es geht darum, allzeit wachsam zu sein. Der Stärkere soll den Schwächeren beschützen“, erklärt Gwenna Hieronimus.

Gefördert wurde das Projekt durch „Demokratie leben“.

>>Hintergrund

Ein Stolperstein, initiiert vom Verein Stolpersteine in Dinslaken und unter der Patenschaft des Berufskollegs, erinnert an der Duisburger Straße 100 an Leopold Strauss. 1861 in Storndorf geboren, besaß er als einziger der elf Geschwister eine höhere Schulbildung und wurde zum Lehrer ausgebildet. Seit 1887 unterrichtete er an der jüdischen Volksschule in Dinslaken, 1896 erfolgte seine Ernennung zum Direktor, schreibt der Verein Stolpersteine. Strauss gehörte dem Stadtrat an.

Verheiratet war Strauss mit Saly, geborene Stern. Das Ehepaar hatte vier Kinder, Sohn Richard verstarb während des ersten Weltkrieges Alfred, Siegfried und Bertha sowie die Schwiegerkinder wurden ermordet. Einzig die Enkel Rene Wolf und Marianne Strauss überlebten. Info www.stolpersteine-dinslaken-ev.de .