Voerde. Gesundheitsminister Jens Spahn schneidet beim Martiniabend der CDU in Voerde ein weites Feld von Themen an – und formuliert auch einen Appell.

Mit knapp 20 Minuten Verspätung fährt die große, dunkle Limousine am Eingang zum hell beleuchteten Wasserschloss an der Allee vor, etwa eineinhalb Stunden später verschwindet sie auch schon wieder zur langen Fahrt in Richtung Osten. Berlin wartet. Von der Gans, die beim Martiniabend des CDU-Ortsverbandes Voerde serviert wird, kostet der Bundesgesundheitsminister nicht mehr. Die Zeit, die er für seinen Besuch als hochrangiger Redner der Veranstaltung im Haus Voerde mitgebracht hat, füllt er mit einem kurzweiligen, frei gehaltenen Beitrag, bei dem er ein weites Feld von Themen – und dabei nicht nur solche aus dem eigenen Ressort – anschneidet.

Veranstaltung war schnell ausgebucht

Das Interesse, Jens Spahn an diesem Abend zu hören, ist groß. Seit 1988 veranstaltet der CDU-Ortsverband Voerde den Martiniabend – und er könne sich nicht an eine Veranstaltung erinnern, die „derart schnell ausgebucht war“, konstatiert Vorsitzender Bert Mölleken nach der kurzen Vorstellung des jüngsten Ministers im Kabinett Merkel. 120 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Ärzteschaft hatten sich für den Martiniabend angemeldet.

Ausgangspunkt für die Ausführungen des Bundesministers ist die Feststellung, dass in dieser Zeit viel Unsicherheit und ein Vertrauensverlust, der so groß sei wie lange nicht mehr, herrschten – und dies, obwohl 80 bis 90 Prozent der Menschen sagten, dass es ihnen gut bis sehr gut gehe. Viel dieses Vertrauensverlustes habe nicht zuerst mit sozioökonomischen Aspekten, sondern mit der Frage zu tun, ob der Staat noch so funktioniere, „wie wir uns das vorstellen“. Die Überschrift über allem müsse sein, „Vertrauen zurückgewinnen“.

Spahn kritisiert „Verächtlichmachen von Kompromissen“

Es müssten wieder bessere Debatten geführt werden, wobei man nicht immer einer Meinung sein müsse. Der Minister kritisiert das „Verächtlichmachen von Kompromissen“ – ohne die gehe es in einer Familie genau so wenig wie in der Politik. Aus der Debatte heraus müsse man wiederum zu Entscheidungen kommen. „Die meisten Pflegekräfte interessiert es nur überschaubar, wer Gesundheitsminister ist.“ Ihnen gehe es um Entscheidungen, „die den Unterschied machen“.

Sodann ist Spahn, der Kritik an den „ganzen Befindlichkeitsdebatten“ übt, bei der Inneren Sicherheit und einem Lob für NRW-Minister Herbert Reul, bei der steigenden Zahl der Beschäftigten bei der Bundespolizei und schließlich bei der Aussage, dass, wer Rettungs- und Einsatzkräfte „mit Wort und Tat angreift“, dafür bestraft werden müsse. Spahn geht auf die Grundrente ein, über die just an jenem Sonntag im fernen Berlin die Koalitionsspitzen nach stundenlanger Verhandlung eben per Kompromiss eine Einigung erzielen. Es gehe um die Frage, wer trotz sehr, sehr langer Arbeit wenig Rente bekomme.

Gesundheitsminister will mehr Tempo bei der Digitalisierung

Der Gesundheitsminister sprach auch die Notwendigkeit an, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Daher sei es wichtig, „Wachstumsimpulse zu setzen“. Für Spahn spielt da die Digitalisierung eine bedeutende Rolle – auch im Bereich Gesundheit: „Wir wollen elektronische Patientenakten.“ Der Minister fordert hier mehr Tempo. Im Allgemeinen würde sich Jens Spahn wünschen, mit einem „Stückchen Zuversicht“ in die Zukunft zu gehen. Mit seinem Appell an die große Zuhörerrunde, hier mitzuhelfen, wie auch dabei, dass wieder gut debattiert wird, beendet er seinen Vortrag mit der Überschrift „Wohlstand bewahren, Zukunft gewinnen. Was Deutschland tun muss“, doch nach Berlin ist er damit noch lange nicht entlassen.

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Die Gelegenheit, Fragen an ihn zu stellen, wird rege genutzt. Es geht um Engpässe in der Medikamentenversorgung – für den Minister „kein guter Zustand“, hier will er den Blick auf die Vergabeverfahren und die Frage lenken, welche Lieferketten dahinter stecken. Zum Thema Pflege kündigt er einen Vorschlag an, der zu „mehr Balance“ zwischen der Eigenverantwortung der Familie und dem, was die Pflegeversicherung leisten kann, führen soll.

Spahn warnt vor Gefahren einer Masernerkrankung

Spahn wirbt dafür, dass der Bundestag eine Impfpflicht für Kitas und Schulen beschließt, und verweist auf die „höchst ansteckenden“ Masern, die „zu irreversiblen Schäden bis hin zum Tod“ führen könnten. „Dann kommt die Freiheitsdebatte.“ Die hält der Minister in dem Fall für unangebracht: „Hier habe ich nicht nur Verantwortung für mich, sondern auch für andere.“

Seine Stippvisite in Voerde beendet Spahn humorig: Die Lebenserwartung in Deutschland steige täglich um sechs Stunden. Das sei, sagt er in Zeiten, in denen von „Überalterung“ gesprochen wird, erst einmal „doch etwas Schönes“. Der Minister hat sich da selbst einiges vorgenommen. Er würde gerne 108 werden.