Dinslaken. Die Lichtburg in Dinslaken besteht seit 90 Jahren - und war immer in Familienhand. Der 100. Geburtstag wird aber an anderer Stelle gefeiert.

Ausgerechnet „Atlantik“! Ein Untergangsdrama, angelehnt an den Untergang der Titanic, war der erste Film, der in der Dinslakener Lichtburg gezeigt wurde. Das war fast genau vor 90 Jahren: am Samstag, 26. Oktober 1929. Tatsächlich ging auch das Kino unter – es wurde im Krieg zerbombt. Aber es wurde wieder aufgebaut. Und war immer in Familienhand.

Es war der Tag nach dem Schwarzen Freitag, dem Börsencrash in den USA. Der Beginn der Weltwirtschaftskrise. Aber davon ahnten die Menschen in Dinslaken 1929 noch nichts. Wer konnte, machte sich fein und ging in die Lichtburg. 1000 Plätze fasste der große Saal – der damals noch eine Bühne hatte. Kino – das war damals modernes Theater. Und eine der wenigen Unterhaltungsmöglichkeiten für die Menschen. „Es gab ja noch kein Fernsehen“, erinnert Heidrun Grießer (75), die die Lichtburg heute gemeinsam mit ihrer Tochter Heike (52) betreibt.

Das ist die Mutter der Dinslakener Kinos

Die Mutter der Dinslakener Kinos ist Heidrun Grießers Großmutter Helene Trenthammer. Schon 1915 zeigte sie im Hotel Reichskrone an der Neustraße die ersten „Filme“. Aus Not! Der Ehemann war im Krieg und „im Festsaal des Hotels feierte niemand Feste“, weiß Heidrun Grießer. Also besorgte sich ihre Oma auf dem Flohmarkt einen Projektor. Mithilfe eines Handkurbelgeräts vom Pferdemarkt wurden Bilder zum Leben erweckt: Die ersten bewegten Bilder, die in Dinslaken über eine Leinwand flimmerten! Stummfilme, die höchstens 10 Minuten lang waren – wegen des anstrengenden Kurbelns.

So sah die Lichtburg aus, bevor sie 1945 im Kriegzerstört wurde. Das Kino stand längs an der Straße am Neutor.
So sah die Lichtburg aus, bevor sie 1945 im Kriegzerstört wurde. Das Kino stand längs an der Straße am Neutor. © FUNKE Foto Services (ReprO) | Markus Joosten

Das „Kino“ lief so gut, dass nach dem Krieg Karl Trenthammer mit Teilhabern das „Moderne Theater“ an der Wallstraße eröffnete – „das war der erste Kino-Zweckbau“, so Heidrun Grießer. Dann starb Helenes Mann – hatte das Kino aber nicht seiner Frau übertragen. „Meine Großmutter hatte nichts von dem Geld“, bedauert Heidrun Grießer.

Aus dem Vorhang wurden Mäntel

Die tapfere Frau berappelte sich wieder. 1929 eröffnete sie die Lichtburg am jetzigen Standort. Für 16 Jahre. Am 23. März 1945 zerstörten Bomben das Kino. Die Eltern von Heidrun Grießer zogen mit der Großmutter weg. „Ich bin deswegen in Oberstdorf geboren“, berichtet Heidrun Grießer. Nach dem Krieg – ihr Vater war in Gefangenschaft – kamen die Grießer-Frauen zurück nach Dinslaken. Die Lichtburg war zerstört, das Kino an der Wallstraße beschädigt und konfisziert. Heidrun Grießers Mutter Elisabeth Schimmel verhandelte mit dem Kommandanten – und sicherte sich die Kinolizenz und Rechte als Geschäftsführerin an der Wallstraße „Sie war ja gebranntes Kind“, so Heidrun Grießer. 1946 wurde das Kino wieder eröffnet – allerdings ohne den roten Wollvorhang vor der Leinwand. „Meine Großmutter, meine Mutter, und ich hatten alle dunkelrote Wollmäntel“, erinnert sich Heidrun Grießer und lächelt. Ihre Mutter war eine selbstbewusste Frau. „Sie war für diese Zeit genau die richtige. Die konnte kungeln und flirten und machen und tun“, weiß Heike Grießer.

Die Stars waren zu Gast in Dinslaken

Und so erreichte sie, dass die Lichtburg wieder aufgebaut wurde. Ab 1951 wurden hier nicht nur Filme gezeigt, es fanden Revuen statt, die großen Schauspieler kamen zu Premieren, Showstars traten auf: Heinz Rühmann etwa war hier oder Conny Froboess!

Die Lichtburg nach 1951 - das Haus an der Ecke steht noch. Der Rest der Umgebung ist nicht wieder zu erkennen.
Die Lichtburg nach 1951 - das Haus an der Ecke steht noch. Der Rest der Umgebung ist nicht wieder zu erkennen. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Wenn neue Filme anliefen, kletterte ein Mitarbeiter aus dem Fenster und tauschte die Werbetafel über dem Eingang. „Und die Leute standen bis Oberfohren,“ so Heike Grießer. Sie ist mit der Lichtburg aufgewachsen. „Wenn ich bei der Oma geschlafen habe, durfte ich mir abends Süßigkeiten an der Kinokasse aussuchen“. Popcorn gab es damals noch nicht – aber Schokolinsen! Und eine Garderobe, wie im Theater. 1980 wurde erneut umgebaut, der Eingang an die jetzige Stelle (vorher war dort eine Kneipe) verlegt – und aus dem großen Kinosaal wurden drei. 2006 wurde renoviert.

Den 100. Geburtstag wird die Lichtburg wohl nicht mehr an dieser Stelle feiern: Auf dem Gelände hinter der Alten Feuerwache ist ein Kino-Neubau mit sieben Sälen geplant. Die Betreiberinnen: die Grießer-Frauen.

So geht es weiter

Der Bauantrag für das neue Kino soll noch in diesem Jahr gestellt werden. Geplant ist ein „Miniplex“, so Heike Grießer: Ein „Multiplex“ beginne bei acht oder neun Sälen, die neue Lichtburg soll sieben Säle bekommen. Der große Saal soll in etwa so groß sein wie das jetzige Kino 1 mit etwa 300 Plätzen. Der mittlere Saal wird mit 120 statt 140 Plätzen etwas kleiner als bisher, die weiteren Säle werden etwa 80 (statt bisher 66) Plätze haben. Dazu kommt ein Hotel. Was anstelle des geplanten Fitnessstudios entsteht, sei noch nicht spruchreif.

„Kino ist das preiswerte Vergnügen für Jedermann“ hat Heidrun Grießers Oma Helene Trenthammer immer gesagt. „Und das muss es auch bleiben, findet Urenkelin Heike Grießer. „Wir wollen nicht die Preise hochtreiben“. Auch das beliebte Popcorn werde das gleiche bleiben