Voerde. Für früheren Realschulleiter endete das Berufsleben jäh. Er erlitt im Unterricht einen Herzstillstand. Das nahe Schul-Aus sieht er mit Wehmut.
Für Alfons Knauer kommt der Abschied vom Beruf jäh. Die Gesundheit durchkreuzt vor knapp einem halben Jahr den Plan des damaligen Leiters der Voerder Realschule, im Laufe dieses Sommers nach beinahe 40 Jahren in Diensten der Bildung in den Ruhestand zu gehen. Der Morgen des 1. April verändert sein Leben von jetzt auf gleich. Es ist die erste Stunde, Alfons Knauer gibt Matheunterricht in einer zehnten Klasse – und erleidet einen Herzstillstand. Was damals passiert ist, daran kann er sich nicht erinnern, das wisse er nur aus den Erzählungen, sagt der 65-Jährige.
Rückkehr in den Beruf war Alfons Knauer nicht mehr möglich
Seine Schüler reagieren in dem Moment geistesgegenwärtig und setzen einen Notruf ab. Als Ersthelfer versorgen ihn eine Schulsozialarbeiterin und eine weitere Lehrkraft. Es folgen Krankenhausaufenthalt, eine Zeit zu Hause, die Reha – doch eine Rückkehr in den Beruf ist ihm nicht mehr möglich. Heute gehe es ihm vergleichsweise gut, erklärt Alfons Knauer und stellt mit einem Lächeln fest: „Ich bin sehr zufrieden und glücklich, einen zweiten Durchgang bekommen zu haben.“
Gleichwohl hatte er sich den Übergang vom Beruf in den Ruhestand selbstverständlich anders vorgestellt. Andererseits habe ihm die Krankheit den Abschied von seiner Arbeitsstelle leichter gemacht, resümiert der in Friedrichsfeld wohnende 65-Jährige. Alfons Knauer war, wie er selbst sagt, in einem „erbärmlichen“ gesundheitlichen Zustand, musste sich auf seine Genesung konzentrieren. Die Sorge um seine Zehner-Klasse, die damals kurz vor dem Abschluss stand, nahmen ihm seine Kollegen, die beruhigend auf ihn einwirken konnten.
Langes Kapitel der Realschule Voerde geht im Sommer 2020 zu Ende
In knapp einem Jahr wird Alfons Knauers ehemalige Wirkungsstätte selbst Abschied aus der Voerder Bildungslandschaft nehmen: Das lange Kapitel der Realschule nach dann sechs Jahrzehnten ihrer Existenz geht mit dem Abschluss der letzten vier Zehner-Klassen, die am Mittwoch, 28. August, in ihr finales Jahr starten, im Sommer 2020 zu Ende. Bei dem Gedanken daran beschleicht den früheren Leiter ein komisches Gefühl. Das von der Politik in Voerde beschlossene Aus nahm ihn mental mit. „Wenn die eine Gesamtschule schließt und eine neue aufmacht, geht das nur, wenn die Realschule ausläuft“, beschreibt er die aus dem Entscheidungsprozess seinerzeit für die Realschule in Voerde resultierende Folge.
Alfons Knauer ist von der Schulform „Realschule“ – andernorts, sagt er, erfolgen Neugründungen – nach wie vor fest überzeugt. Der Friedrichsfelder spricht hier die sogenannte Neigungsdifferenzierung an, die es den Schülern möglich mache, sich zu spezialisieren und Schwächen in einem Hauptfach auch durch eine Zwei im Wahlpflichtfach auszugleichen. „Die Entscheidung über den Schulabschluss bleibt bis zum letzten Halbjahr offen“, erklärt der 65-Jährige. Die Realschule Voerde habe durch ihre damalige Größe ungemein viele Differenzierungsmöglichkeiten anbieten können.
Für viele Schüler führte der weitere Weg über ein Berufskolleg
Viele Schüler hätten nach ihrem Abschluss ein Berufskolleg besucht und seien darüber schließlich zum Fachabitur oder zur allgemeinen Hochschulreife geführt worden. „Das ist für viele ein sehr guter Weg.“ Die Gesamtschulen dagegen steckten in dem Dilemma, sich nicht leisten zu können, viele Schüler in Richtung Berufskolleg zu entlassen, weil sie sonst die an bestimmte Schülerzahlen gebundene Bildung ihrer Oberstufe gefährden würden, erklärt Alfons Knauer. Der frühere Realschulrektor sagt denn auch über sich, „immer ein Verfechter des Schulwechsels nach der Klasse 10“ gewesen zu sein.
Als Lehrer sei es ihm immer wichtig gewesen, von den Lebensumständen seiner Schülerinnen und Schüler, von der Denke der Eltern und deren Einstellung gegenüber dem Kind zu wissen und mit ihnen in einem guten Kontakt zu sein. „Ich habe versucht, eine relativ hohe Vertrautheit und Verlässlichkeit herzustellen“, jeden einzelnen Schüler kennenzulernen, bilanziert Alfons Knauer. Seine schönsten Erlebnisse in fast 40 Jahren an der Voerder Realschule? Der Realschulrektor im Ruhestand muss darüber nicht lange nachdenken: „Die gab es für mich immer dann, wenn Schüler erfolgreich waren, wenn sie ihre Leistungsreserven abgerufen haben.“
Bald gibt es ein Wiedersehen des ehemaligen Paukers mit seinen früheren Pennälern: Dann trifft Alfons Knauer seine erste Klasse, Entlassjahrgang 1988.
Emotionaler Moment bei der Abschiedsfeier
Im Kreise seiner ehemaligen Kollegen wurde der langjährige Leiter der Realschule Voerde, Alfons Knauer, Ende Juli durch den zuständigen Dezernenten bei der Bezirksregierung Düsseldorf, Peter Frödrich, in den Ruhestand verabschiedet. Neben Bürgermeister Dirk Haarmann meldeten sich auch Jürgen Albri und Fritz Potz, die Amtsvorgänger des 65-Jährigen, zu Wort – mit einigen Erinnerungen. Die früheren Kollegen boten lyrische und musikalische Beiträge dar. Ein besonders emotionaler Moment während der Feier war, als Schüler seiner ehemaligen Klasse Alfons Knauer ein eigens gestaltetes Kunstwerk als Geschenk überreichten. Während des Unterrichts in dieser Klasse hatte er den Herzstillstand erlitten. Angesichts ihrer geistesgegenwärtigen Reaktion damals nannte er sie und die Ersthelfer seine Lebensretter.
Ab 1980 hatte Alfons Knauer ohne Unterbrechung an der Realschule Voerde unterrichtet – zunächst Geschichte und katholische Religion, einige Jahre später dann sattelte er, als es Versorgungsprobleme im Bereich Mathematik gab, auf noch dieses Schulfach drauf.
Im Februar 2010 übernahm Alfons Knauer die Leitung der Realschule Voerde
Im Juni 1993 wurde Alfons Knauer stellvertretender Schulleiter, Rektor war zu diesem Zeitpunkt Jürgen Albri. Als dieser im November 2008 zur Bezirksregierung Düsseldorf abberufen wurde, übernahm der Friedrichsfelder die kommissarische Leitung, bevor er im Februar 2010 zum Realschulrektor wurde.
Bernd Rolles, sein bisheriger Stellvertreter, wird die Realschule Voerde nun bis zu ihrem Aus im Sommer nächsten Jahres kommissarisch leiten. Für Alfons Knauer war dies ein „Glücksfall“ und die „beste Lösung“, die er sich vorstellen konnte. Bevor Bernd Rolles 2018 nach Voerde kam, war er Konrektor der Realschule in Hamminkeln gewesen, die in jenem Jahr ausgelaufen ist.