Dinslaken. Familie mit eineiigen Drillingen hat Anspruch auf Hilfe vom Jugendamt, bekommt sie bislang aber nicht. Jetzt kommt doch Bewegung in die Sache.

Bei Carolina und Chris Bülling kommt wohl alles im Dreierpack: Auf das dreifache Baby-Glück, als am 10. Dezember 2018 mit Mia, Mira und Milana ihre eineiigen Drillinge geboren werden, folgt jetzt allerdings dreifache Ernüchterung.

Wie sich Untersuchung für Untersuchung bei Ärzten herausstellt, bringt doch jedes der drei nach 32 Wochen zur Welt gekommenen Mädchen seine Einschränkungen mit: fehlender Mundschluss, Trinkschwäche oder eine Regulationsstörung, die zu viele Reize aufnehmen lässt und eines des Mädchen so sehr überfordert, dass es mitunter ein oder anderthalb Stunden ununterbrochen schreit . . .

Alle drei Mädchen haben Pflegegrade bekommen

Die Mädchen erhalten zwei unterschiedliche Pflegegrade, die für ihre ersten 18 Lebensmonate gelten. Und als ob das nicht schon genug wäre, erleidet Chris Bülling Ende Juni einen Herzinfarkt. „Es war der Horror, er hätte das fast nicht überlebt“, erinnert Carolina Bülling sich immer noch geschockt.

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Davon habe Chris Bülling sich erholen müssen, hätte eigentlich eine stationäre Reha machen sollen, mehrere Wochen lang, weiter weg, am besten am Meer. Doch das ging nicht, ambulant musste reichen. „Ich konnte mich nicht alleine um die drei Mäuse kümmern“, sagt Carolina Bülling. „Wir sind doch auch zu zweit schon überfordert“, sagt sie. „Auch wenn wir tolle Freunde haben, die uns immer wieder helfen, managen wir den Großteil doch alleine. Wir haben einfach viel zu wenige Hände.“

Schon am 20. Februar sagt das Ehepaar Bülling zum Jugendamt: „Wir brauchen Hilfe“

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Das Treffen mit der NRZ, bei der Carolina und Chris Bülling von ihren Rückschlägen erzählen, findet am 12. August statt: Die 31-Jährige und ihr gleichaltriger Mann sitzen im Wohnzimmer, schaukeln jeweils ein Baby auf dem Arm. Das dritte Mädchen, Mira, liegt gerade in einer Babywippe und lächelt zufrieden.

Es ist nicht das erste Mal, dass Carolina und Chris Bülling offen über die Überforderung mit den drei nun acht Monate alten Knirpsen sprechen und Unterstützung fordern: Schon am 20. Februar, als das städtische Jugendamt dem „Drillingswunder von Dinslaken“ einen Begrüßungsbesuch abstattete – also schon bevor die Komplikationen bei Mädchen und Mann auftraten –, hätten Carolina und Chris Bülling ganz klar gesagt: „Wir brauchen Hilfe.“ Doch vom Jugendamt fühlt die Familie sich bis jetzt im Stich gelassen.

Eindruck der Eltern: Jugendamt ruht sich darauf aus, dass es keine Tagesmutter findet

„Aufgrund der Pflegegrade der drei Mäuse haben wir zwar 40 Stunden pro Woche an Unterstützung bei Erziehung und Haushalt bewilligt bekommen, aber das Jugendamt sagt bloß: Wir finden niemanden für die Stelle – und wollen auch keinen extra einstellen.“

Seit drei Monaten etwa übernimmt die Stadt im Rahmen der niederschwelligen „Frühen Hilfen“ zwar die Kosten einer Haushaltshilfe – „aber die kommt nur für neun Stunden die Woche – und das reicht vorne und hinten nicht“, sagt Carolina Bülling. Sie und ihr Mann haben den Eindruck, dass sich das Jugendamt darauf ausruhe, dass es für die 40 Stunden keine Tagesmutter findet. „Doch wir brauchen diese Unterstützung“, sagt Carolina Bülling. „Und wir haben das von Anfang an ganz klar gesagt. Frühzeitig, bevor überhaupt etwas passieren könnte. Da muss doch drauf reagiert werden!“

Die Stadt reagiert schnell

Nachdem die NRZ den Fall der städtischen Pressestelle direkt nach dem Treffen am 12. August schildert, kommt eine Reaktion. Am 13. August erhält Carolina Bülling einen, wie sie sagt, „sehr ausführlichen Anruf“ von einer Mitarbeiterin des Jugendamtes. Auch Stadtsprecher Marcel Sturm teilt am vergangenen Donnerstag eine neue Entwicklung mit: Am kommenden Montag soll es erneut ein Treffen der Beteiligten geben, um das Vorgehen zu bereden.

„Denn inzwischen gibt es eine Tagesmutter, die halbtags bereit wäre in die Familie zu kommen. Auch die Möglichkeit auf drei Plätze in einer Großtagespflegestelle wird Thema am Montag sein“, sagt Sturm. Den Vorwürfen der Familie, dass sich seitens des Jugendamtes nicht ausreichend gekümmert werde, widerspricht er. Da die Stadt dafür zuständig sei, sich um die Bereitstellung der 40 Wochenstunden Tagespflege zu kümmern, kümmere sie sich auch. Sie engagiere sich „inklusive ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr in der Sache“, sagt Marcel Sturm.

>> Stadt: „Die Bereitschaft, umfassende Betreuung zu bieten, war stets gegeben“

Laut Stadtsprecher Marcel Sturm hat der Begrüßungsbesuch durch das Jugendamt im Februar stattgefunden, erst im April allerdings „wurde die Sachlage als Fall an die Koordinierungsstelle Frühe Hilfen herangetragen“. Von Seiten der Stadt „war (und ist) von Anfang an eine große Hilfsbereitschaft gegeben“, sagt Sturm. Der Fall habe auch die Mitarbeiter des verantwortlichen Bereichs „nicht unberührt gelassen“, auf die Probleme, Bedarfe und neue Situationen innerhalb der Familie sei „unmittelbar eingegangen und nach besten Lösungen gesucht“ worden.

So habe die Stadt „verschiedene Möglichkeiten der Hilfegewährung (ASD, Frühe Hilfen) und verschiedener Modelle zum Einsatz einer Tagespflegeperson (TPP) geprüft“. Allerdings habe sie keinen Einfluss auf Umstände, wie zum Beispiel die Absage von Tagespflegepersonen.

Die Unterstützung durch eine Haushaltshilfe sei „schnellstmöglich als freiwillige Leistung der Stadt Dinslaken installiert“ worden, so Sturm. „Die Prüfung geeigneter Anbieter und die Einholung von Angeboten etc. nahm Zeit in Anspruch. Die Familie haben wir stets informiert.“ Er betont: „Die Bereitschaft, umfassende Betreuung zu bieten, war von unserer Seite aus stets gegeben, konnte aufgrund fehlender Tagespflegepersonen leider noch nicht zum Erfolg führen.“