Dinslaken. Wolfgang Niedecken und seine um drei Bläser verstärkte Band begeisterten über knapp drei Stunden die 2300 Fans beim Fantastival im Burgtheater.
Irgendwann gegen Ende des Konzerts, wenn Wolfgang Niedecken die Band vorstellt, schiebt er den Mikroständer nach oben, hängt sich dran und krächzt: „Wir sind eine Rock ‘n’ Roll Band“. Niedecken macht den Lemmy. Weil sein BAP frisch getunt, aber mal kräftig die PS-Zahl erhöht hat. Axel Müller (Saxophon), Christoph Maschberger (Trompete) und Johannes Goltz (Posaune) jagen mächtig Dampf durch ihre Blechrohre. Und das gibt der ganzen Band eine Energie, die sie natürlich nicht wie Motörhead klingen lässt, aber streckenweise verdammt nach den Rolling Stones – mit Niedecken als Frontmann.
Atmosphäre im Burgtheater pustete Schauer und Gewitter weg
Und so ist dann auch die Atmosphäre an diesen Abend, an dem die angekündigten Schauer und Gewitter vom Rock ‘n’ Roll, Blues und sogar Reggae und Ska einfach weggepustet wurden. Nur ein paar Tropfen verlieren die Wolken, während sie sich vom Burgtheater verdrücken. Und Niedecken kann sein Burgtheater genießen, wie er es so sehr zu schätzen weiß. Als einen Ort, wo er, wenn er die Bühne betritt, die Bekannten im Rund persönlich begrüßen kann, wo er, wenn es dunkel geworden ist, in die vom Scheinwerferlicht erhellten Gesichter von 2300 Fans schauen kann, die quasi auf Augenhöhe seine Lieder singen. „Danke fürs Mitmachen“, ruft er ihnen zu, in einem solchen Rahmen eine gute Show zu liefern, sei „ein Kinderspiel für uns mit so einem Publikum“.
Das Kontingent an diesem Abend wird fast völlig ausgeschöpft
Die Energie springt wie ein Ping-Pong-Ball von der Bühne ins Rund und wieder zurück. „Stell dir vüür“: Die Bläser tanzen auf ihrem eigenen Ska-Satz, die Fans singen Punk-Chöre und Niedecken bleibt nur zu fragen: „Nochmal?“ Na, klar! Zeit haben alle an diesem Abend genug. Drei Stunden sind eingeplant und das Kontingent wird fast völlig ausgeschöpft. Ohne eine größere Pause, die erste halbe Stunde sogar ohne Moderationen nonstop.
Doch BAP wäre nicht BAP, gäbe es nicht auch die leiseren Töne. Niedecken bettet seinen Gesang nur in Maschbergers verhalltem Trompetenspiel ein und betört mit einer Mischung aus Jazz, Americana und Springsteen. „Du kanns zaubre“ darf natürlich ebenso wenig fehlen wie „Jraaduss“, das das Publikum zum Abschluss fast alleine singt.
Die Lieder mit den Frauennamen mit den vier Buchstaben
Und dann sind da natürlich die Lieder mit den Frauennamen mit vier Buchstaben „Rita“, „Anna“, „Heidi“. „Heidi? Das sind fünf, du Nuss!“ 2014 war es, beim „Märchen vom gezogenen Stecker“, als jemand jenes „Heidi“ rief, das seitdem bei BAP selbst legendär geworden ist. „Ich weiß noch ganz genau, aus welcher Ecke das kam“, sagt Niedecken lachend und zeigt Richtung der betreffenden Stelle ins Burgtheater.
Partystimmung. „Jebootsdaachs-pogo“, für die beiden Geburtstagskinder im Burgtheater. Band und Publikum machen „Hu-hu“. „Das ist gerechtfertigt, das sind die gleichen Akkorde wie bei ‘Sympathy for the Devil’’, erklärt Niedecken.
Null Sympathie dagegen für die AfD: Niedecken widmet ihr „Widderlich“. Und macht eine Trilogie zum musikalischen wie inhaltlichen Höhepunkt des Abends.
Das Set bringt die letzten vier Jahre auf den Punkt
Das Set, das die letzten vier Jahre auf den Punkt bringt, dass es unter die Haut geht, beginnt mit „Vision vun Europa“, erzählt die Geschichte einer Flucht und die Utopie, dass im unbekannten Land jenseits des Mittelmeeres „alle Menschen in Gleichheit und Würde leben könnten“. Das Stück vom Album „Lebenslänglich“ ist eine Meisterleistung kölschen Ethno-Rocks aus dem Jahr 2016. Und dann: „Kristallnaach“. Ein Stück aus den 80ern, leider aktueller denn je. Aber es gibt auch die anderen und die sind viele: „Arsch huh“ und die Zähne auseinander, wenn es gegen Rechts geht. Seit 1992: „bevor es zu spät ist“. Die Bläser verleihen dem Stück zusätzliche Kraft und positive Energie, das Burgtheater vibriert förmlich.
Lauter singt der Chor der 2300 nur noch bei „Verdamp lang her,“ es ist, als würde sich alle Energie des Abends in diesen drei Wörtern entladen. „Blew do, wo de bess“, aber die Kölner Flagge wechselte schon von der ersten Reihe zu Niedecken auf der Bühne.
„Ich mööch zo Foß no Kölle gon“ klingt es vom Band. Niedecken winkt: „Wir kommen wieder!“