Voerde. Der langjährige Erste und Technische Beigeordnete der Stadt Voerde geht in den vorzeitigen Ruhestand. Etwas Wehmut schwingt dabei schon mit.
Im Voerder Rathaus schließt sich ein langes Kapitel: Wilfried Limke, der zum 1. Januar 2007 bei der Stadt als Erster und Technischer Beigeordneter anheuerte, geht nun von Bord. Der studierte Architekt, der Morgen für Morgen aus seiner Heimatstadt Münster zum Arbeiten an den Niederrhein fuhr, verabschiedet sich in den vorzeitigen Ruhestand. Sein letzter Arbeitstag wäre offiziell der 31. August gewesen – aufgrund noch ausstehenden Urlaubs ist es schon am Freitag so weit.
Herr Limke, zwölfeinhalb Jahre in Voerde gehen für Sie nun zu Ende. Welche persönliche Bilanz ziehen Sie? Mit welchen Gefühlen verabschieden Sie sich?
Ich freue mich, einige Projekte für Voerde mit angestoßen zu haben, die die Stadt vorangebracht haben: „Voerde 2030“, die Visionswerkstatt zu Beginn meiner Arbeit, letztlich abgebildet in fünf Schlüsselprojekten, mittlerweile alle fertig gestellt oder planerisch auf dem Weg. Die Sanierung des Gymnasiums, der Neubau der Realschule, überhaupt die bauliche Übersetzung der Schulentwicklungsplanung, mit der aktuell laufenden Sanierung der Comenius-Gesamtschule. Der Neubau der Feuerwehren in Spellen und Friedrichsfeld, die Kindergärtenerweiterungen in 2010, der Neubau der Sportanlage für die SV 08/29, nach jahrelanger Standortsuche und dann auf einmal fast geschenkt. Der Straßenausbau in Möllen und an vielen anderen Orten, die Sicherung der Nahversorgung am Marktplatz in Friedrichsfeld. Die Neugestaltung des Rathausplatzes in Voerde mit dem signifikanten Rheinpegel, dem Wassernebel und den Floßbänken trägt erfolgreich zur Festivalisierung des öffentlichen Raumes bei. Viele Bebauungspläne mit Quartieren für junge Familien in Friedrichsfeld oder auf dem Gelände der ehemaligen Pestalozzischule und für die ältere Generation zum Beispiel an der Bahnhofstraße. Es war eine arbeitsreiche und sehr lohnende Zeit. Meine Erwartungen an die verantwortliche Tätigkeit in einer Kommune haben sich vollstens erfüllt. Aber es gibt noch viel zu tun. Die Revitalisierung des Kraftwerksgeländes, der Umbau der Dorfmitte in Götterswickerhamm, das neue „Alleebad“, die Digitalisierung und der kommunale Klimaschutz sind reizvolle neue Projekte. Aber für mich ist jetzt Schluss, wenn auch mit ein wenig Wehmut, nicht mehr mitmischen zu können.
Anfang 2015 begann Ihre zweite achtjährige Amtszeit als Erster und Technischer Beigeordneter der Stadt. Warum machen Sie diese nicht voll?
Ich bin ja nicht nur seit langer Zeit in Voerde tätig, sondern insgesamt fast 40 Jahre auf allen Verwaltungsebenen unterwegs gewesen. Nun ist es gut mit Arbeiten, ich sehe für mich noch andere Aufgaben und Ziele im Leben, die erstrebenswert sind.
Sie sind 2007 von der Bezirksregierung Münster in die Stadt am Niederrhein gewechselt – was hat Voerde für Sie zu einem spannenden, herausfordernden Arbeitsumfeld gemacht?
Bei der durchaus spannenden Arbeit im NRW-Bauministerium und bei der Bezirksregierung fehlte mir der hautnahe Bezug zur Arbeitsebene. Ich war zu weit weg von einer „echten“ Verantwortung. Dann als kaufmännischer Geschäftsführer der „Regionale 2004“ entwickelte sich das Interesse an kommunaler Arbeit. Seit der Zeit wollte ich unbedingt in die Kommune. Ich wollte da arbeiten, wo es wirklich brummt.
Was war in Voerde Ihr ganz persönliches Herzensprojekt?
Das eine Herzensprojekt gibt es nicht. Mir lag immer das jeweils neue Projekt sehr am Herzen. Fragen Sie einen Vater, welches Kind er am meisten liebt. Die Frage ist nicht zu beantworten.
In jeder beruflichen Vita gibt es auch Niederlagen. War dies für Sie die am Ende gescheiterte Verlagerung der Sportstätten der SV 08/29 Friedrichsfeld in den Babcock-Wald, die Sie durchaus mit großer Überzeugung begleitet und für die Sie von Teilen der Politik auch viel Kritik kassiert haben?
Eine verantwortliche berufliche Tätigkeit ohne Konflikte und Gegenwind ist für mich nicht vorstellbar. Gute Ideen gebrauchen die Auseinandersetzung, den Widerspruch, müssen erarbeitet werden. Der Neubau der Sportanlage in Friedrichsfeld war zu der Zeit nur mittels einer Standortverlagerung möglich. Darum war der Kampf für dieses Projekt, das ich übrigens schon von meinem Vorgänger übernommen hatte, so wichtig. Erst die fortschreitende Zeit mit Gesetzesänderungen und neuen Bewertungsansätzen für Sport im Quartier hat die nun realisierte Lösung möglich gemacht. Die modernste Sportanlage in NRW und dazu noch fast geschenkt. Wenn Sie das als „Niederlage“ bezeichnen, dann hätte ich gerne viel mehr Niederlagen erlitten.
Am Ende hat sich dank eines Bundesförderwettbewerbs genau zur richtigen Zeit und der erfolgreichen Bewerbung der Stadt beim Sportplatz alles zum Guten gefügt. Gab es denn in Voerde eine Entwicklung in Ihrer Verantwortung, für die Sie sich einen anderen Verlauf gewünscht hätten?
In Möllen haben wir seit Jahren einen „Arbeitskreis Wohnumfeldverbesserung“, der sich um die Sicherstellung gleicher Lebensverhältnisse in diesem Ortsteil kümmert. Gleiche Lebensverhältnisse meint zum Beispiel die Nahversorgung, den ÖPNV, die Versorgung mit zeitgemäßem Wohnraum, die Möglichkeit der Eigentumsbildung oder altengerechtes und barrierefreies Wohnen. Da bleibt noch viel zu tun, die Entwicklung muss nochmal angekurbelt werden. Vielleicht bekommt die Idee im Zuge der Überplanung des Kraftwerksgeländes neue Impulse. In Spellen hätte ich mir gewünscht, dass das Projekt „Hausaufgaben“ auf eine breitere Resonanz gestoßen wäre. Hier sind private Initiativen für kooperative Ideen gesucht, um gewachsene Wohnlagen behutsam nachzuverdichten.
Es stehen noch Großprojekte wie der Betuwe-Ausbau, die mit der Deichsanierung verbundene Dorfentwicklung von Götterswickerhamm oder die Entwicklung der von Still- und Leerstand geprägten Geschäftsimmobilie am Rathausplatz zur Realisierung an. Sie sagten, dass es Sie wehmütig macht, nicht mehr mitmischen zu können. Warum?
Von Anbeginn meiner Tätigkeit in Voerde habe ich in dem interkommunalen „Arbeitskreis Betuwe“ mitgearbeitet. Ich denke, dort konnte im Sinne der Ausbauqualität viel erreicht werden, aber für den Erhalt der Eisenbahnkreuzung an der Schwanenstraße und eine „echte“ Barrierefreiheit des Bahnhofs in Friedrichsfeld hätte ich noch gerne weiter gekämpft. Der Umbau der Innenstadtimmobilie im Herzen Voerdes wird von Eigentümer- und Investorenseite schon seit einigen Jahren ernsthaft und immer noch angestrebt. Ich habe den Glauben daran nie verloren und hätte mich gefreut, die Abrissbirne für das Parkdeck noch in meiner Dienstzeit zu erleben. Ich habe über die Jahre viele Menschen in Voerde und kennen und schätzen gelernt, in der Verwaltung, in der Politik, beim Bäcker, in der Eisdiele oder auf dem Markt. Da werde ich einige Leute wirklich vermissen.
Niemals geht man so ganz: Manche bezeichnen den Rheinpegel-Stahlkoloss auf dem Rathausplatz auch augenzwinkernd als „Limke-Pin“. Haben Sie sich damit selbst ein Denkmal in Voerde gesetzt?
Nein. Die Neugestaltung des Rathausplatzes ist das Ergebnis eines öffentlichen Gestaltungswettbewerbs, an dem sich mehrere Planungsbüros beteiligt haben. Die Ideen wurden in Workshops mit dem begleitenden Arbeitskreis Ortskerngestaltung und einer breiten Öffentlichkeit an Modellen diskutiert und abgewogen. Geleitet von der Idee, Voerde an den Rhein zu bringen, sind die dazu realisierten Gestaltungselemente unverwechselbar und identitätsstiftend für Voerde. Über den „Limke-Pin“ kann ich trotzdem schmunzeln. Ich habe mich gefreut, als der Rheinpegel es sofort als Wahrzeichen auf den Voerder Kaffeebecher geschafft hat. Selbst in der jüngsten Kriminalliteratur wird er schon erwähnt.
Was wünschen Sie Voerde für die Zukunft?
Ich wünsche mir sehr und weiß, dass Voerde nicht nachlässt, an seiner Zukunft zu bauen. Für eine kleine Mittelstadt bleibt der Wettbewerb unter den Kommunen eine gewaltige Herausforderung. Voerde muss weiter attraktiver werden und seinen Einwohnerinnen und Einwohnern Heimat sein. Dann ist alles gut. Politik und Verwaltung haben das in deutlich schwierigeren Zeiten geschafft. Voerde ist gut aufgestellt, auch die neuen Anforderungen sehr professionell zu meistern.
Wie werden Sie Ihre künftige freie Zeit nutzen?
Zu allererst werde ich mich um meine privaten Sozialkontakte kümmern. Die habe ich in den letzten Jahren sehr vernachlässigt. Ich habe mittlerweile Enkel, mit denen ich mehr Zeit verbringen möchte. Ich will wieder mehr Laufsport treiben und reisen. Aber erst einmal schlaf ich mich aus.
Die Fragen stellte
Petra Keßler