Dinslaken. Kopie statt Original? Die marode Plastik von Waldemar Kuhn vor einer Realschule in Dinslaken sorgt für Diskussionen. Das sind die Alternativen.

Der Satz in der Beschlussvorlage Nr. 1979 für die Sitzung des Kultur- und Partnerschaftsausschuss am nächsten Dienstag liest sich zunächst gut: „Insoweit wird vorgeschlagen, dass die Rekonstruktion des Kunstwerks zum Stadtjubiläum im Jahr 2023 wieder aufgestellt wird.“ „Die sieben Säulen der Weisheit“ sollen also in Dinslaken nicht erschüttert werden, man kümmert sich um das 1965 für damals reichlich viel Geld angeschaffte Kunstwerk von Waldemar Kuhn, das mit dem alten Gebäude der Jeanette-Wolff-Schule zu verschwinden drohte, da es fest mit dem Eingangsbereich verbunden ist.

Marode Betonplastik

Aber so schön ist es leider nicht. Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Und bei den Säulen der Weisheit scheint es gleich ein Herr von Teufeln zu sein. Die Betonplastik ist marode, von Rissen durchzogen und auch an Stellen durchlöchert, die sich Waldemar Kuhn, der für das „Schrottkreuz“ in Emmerich nachhaltig berühmt ist, in seiner experimentellen Plastik für Dinslaken so nicht gedacht hat. „Ein wirtschaftlicher Totalschaden“, heißt es in der Beschlussvorlage.

Die Verwaltung wird dem Kulturausschuss vorschlagen, die Plastik aus den 60ern mittels moderner 3D-Technik zu scannen und statt ihrer eine Rekonstruktion, sprich eine moderne Reproduktion, zu einem späteren Zeitpunkt herzustellen. Zwei Techniken werden vorgeschlagen: Entweder wird eine „Negativform mit geeigneten Material zur positiven Konstruktion ausgeformt“, oder man nimmt ein „späteres CAD-gesteuertes Formen oder Fräsen in Kunststoff“ vor. „Diese Rekonstruktion wird anschließend mit einem an die originale Oberfläche erinnerndes Material überzogen, damit auch die neue Oberfläche dem originalen Kunstwerk möglichst nahe kommt“.

Der Wert einer Rekonstruktion

In diesem letzten Satz stehen die beiden entscheidenden Formulierungen: „nahe kommt“ und „originales Kunstwerk“. Und um ein solches handelt es sich bei den „Sieben Säulen der Weisheit tatsächlich: Waldemar Kuhn hat nicht den Entwurf für einen Betonklotz geliefert, der in einer Form ausgegossen wurde, sondern das Material vor Ort wie Mörtel geformt: Es ist eine echte bildhauerische Originalarbeit. Die „Rekonstruktion“ dagegen hat den Wert eines Abgusses, einer Replik.

Ist das unser Verständnis von Kunst? Auch in Zeiten von Digitalisierung und Massenproduktion gibt es doch noch eine gewisse Sehnsucht nach dem Echten, nach dem Unmittelbaren, nach dem Zeitzeugnis.

Das Original erhalten?

Die IG Altstadt setzt sich nach wie vor für den Erhalt den echte „Sieben Säulen“ von Waldemar Kuhn ein. „Ich weiß, es gibt eine die Möglichkeit, das Original zu erhalten“, erklärt Dr. Ulrich Tekathen gegenüber der NRZ. Die IG Altstadt lasse die Sache nun von einen Fachanwalt prüfen. Tekathen hat auch eine interessante Idee für eine neue Deutung der „Sieben Säulen“, die an die sieben freien Künste des Mittelalters und damit an die Grundpfeiler unserer modernen Wissenschaft erinnern: Die Plastik aus den 60er Jahren könnte die zentrale Komponente des Denkmals für die Städtepartnerschaft mit Agen werden.

Auch „Ikarus“ soll gerettet werden

Ronny Schneider wird als Vorsitzender des Kultur- und Partnerschaftsausschusses am Dienstag neben der Kuhn-Plastik noch ein anderes Thema auf den Tisch bringen: Ebenfalls an der Jeanette-Wolff-Schule befindet sich die Metallplastik „Ikarus“.

Auch der „Ikarus“ müsste restauriert werden, und für ihn wird ebenfalls noch nach einem neuen Verbleib gesucht. Aber Ronny Schneider möchte ihn retten, „und zwar im Original. Wir haben einfach zu wenig davon. Das müssen wir erhalten“.