Dinslaken. . Etwa 100 Menschen folgten am Mittwochabend dem Aufruf der Wunderfinder und nahmen am Aktionsabend für soziale Gerechtigkeit am Neutor teil.

Nicht gelb sondern orange sind die Westen der Wunderfinder an diesem Abend. Der Verein will den Eindruck der Gewaltbereitschaft der Gelbwesten-Demos vermeiden und friedlich aber nicht weniger eindringlich Probleme öffentlich zur Sprache bringen, die es auch in Dinslaken gibt. Etwa 100 Menschen beteiligen sich am Mittwoch an der ersten Dinslakener Demo für soziale Gerechtigkeit.

Kerzen drücken Sorgen aus

Bezahlbarer Wohnraum, Armut von Rentnern, Alleinerziehenden, Kindern, Lohngerechtigkeit – große Banner an einem Bauzaun auf dem Neutorplatz bringen plakativ zur Sprache, was viele Menschen sorgt. Die Besucher platzieren Kerzen vor den Plakaten, die ihre Not am ehesten ausdrücken. Es werden viele Kerzen am Ende des Abends, die meisten flackern vor dem Stichwort „Bezahlbarer Wohnraum.“

Arm - trotz „jahrzehntelanger Maloche“

Einige Redner konnten für den Abend gewonnen werden. Sabine Kluth

Ludger Krey, Vorsitzender der Wunderfinder, begrüßte die Besucher.
Ludger Krey, Vorsitzender der Wunderfinder, begrüßte die Besucher. © Arnulf Stoffel

von der Selbsthilfegruppe für Alleinerziehende im Kreis Wesel etwa zeigt am Beispiel der fiktiven Frau Meier, Krankenpflegerin und alleinerziehende Mutter zweier Kinder, wie schnell Alleinerziehende in Armut geraten können. Steuergerechtigkeit, Kinderbetreuung auch an den Randzeiten würde helfen – der Mutter, die so den Lebensunterhalt für ihre Familie finanzieren kann anstelle ihren Job zu verlieren, und der Gesellschaft, in der Pflegekräfte benötigt werden.

Frank Rutert ruft auf, beim Thema Mobbing hinzusehen. Ein Besucher ergreift das Wort: Es könne nicht sein, dass Menschen nach „jahrzehntelanger Maloche“ als Rentner dennoch arm seien.

Jung, ausgebildet - dann drogensüchtig und obdachlos

„Obdachlosigkeit“ schreibt ein junger Mann in Großbuchstaben auf ein

Jede Kerze symbolisiert eine Sorge.
Jede Kerze symbolisiert eine Sorge. © Arnulf Stoffel

leeres Banner. „Mehr Hilfe“ ergänzt er noch. 34 Jahre ist er jung, drogenabhängig wie schon sein Vater, erzählt er. Nach unzähligen kalten Entzügen ist im Methadonprogramm. „Seit zehn Jahren schon“, sagt er und dass diese Zahl in selbst erschreckt. Ohne Drogen kann er nicht leben, mit bekommt er keinen Job, keine Wohnung, schläft in der Obdachlosenunterkunft. „Dabei habe ich Anlagenmechaniker gelernt.“

„Armut auf verschiedenen Ebenen bekämpfen“

„Es gibt unterschiedliche Ebenen, auf denen wir Armut bekämpfen müssen“, sagte Bürgermeister Michael Heidinger. Auf der Bundesebene etwa gehe es um die Themen Hartz IV und Renten: „Menschen, die Jahrzehnte lang gearbeitet haben, müssen am Ende ihres Berufslebens auch davon leben können, was an Rente da ist.“

„Dahin schauen, wo die Risiken sind“

Vor Ort benötige man zusätzliche „Angebote, wo Gesetze Lücken haben,

wo Gesetze die Menschen nicht erreichen.“ Heidinger hob das Engagement der Wohlfahrtsverbände, der Politik und der Menschen in Dinslaken hervor – allen voran der Wunderfinder, die Bedürftige am Bahnhof unterstützen. „Wir müssen dahin schauen, wo die Risiken sind: Das gilt für Alleinerziehende, das gilt für Altersarmut und auch für Kinderarmut. Das ist nicht immer nur eine Frage von Ressourcen sondern auch von Kümmern und von Infrastruktur,“ so der Bürgermeister.

Den Blick für Armut schärfen

In Dinslaken gebe es bereits viele Angebote. „Aber das reicht noch nicht

Der Bürgermeister im Gespräch mit Sabine Kluth.
Der Bürgermeister im Gespräch mit Sabine Kluth. © aha

aus, wir müssen beim Thema Kinderarmut noch besser werden.“ Veranstaltungen wie der Aktionsabend auf dem Neutorplatz „können uns wachrütteln, den Blick für Armut zu schärfen und an Lösungen zu arbeiten.“

Die Veranstaltung „schreit nach Wiederholung“ bilanzierte Ludger Krey, Vorsitzender der Wunderfinder, der angesichts der spontanen Aktion von dem großen Zuspruch überrascht war. „Wir werden da dranbleiben.“

>> HINTERGRUND

Die Wunderfinder kümmern sich seit knapp zwei Jahren um die Bedürftigen Menschen am Bahnhof, versorgen sie mit Kleidung und Essen. Mittlerweile gibt es aber auch Ausgaben von Kleidung und Schuhen für Senioren sowie von Kleidung, Schuhen und Spielzeug für Alleinerziehende (montags, 10 bis 13 und 15 bis 18 Uhr). Infos: wunderfinder-dinslaken.de.