Dinslaken. . Vor 25 Jahren wurde der „Judenkarren“ im Stadtpark von Künstler Alfred Grimm enthüllt. Gedenkfeier zum Pogrom in Dinslaken am Freitag um 11 Uhr.

Es sind Gräueltaten, die nicht vergessen werden dürfen, damit sich diese Art von Weltgeschichte weder in Dinslaken noch anderswo wiederholt. Die koordinierte Aktion der Nazis, mit Schergen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 offen gewalttätig gegen jüdische Deutsche und deren Einrichtungen zu agieren, hinterließ auch in Dinslaken ihre zerstörerischen Spuren. Auch hier wurde die Synagoge niedergebrannt, auch hier wurden Menschen gejagt und misshandelt. Rund 50 Nazis verwüsteten das jüdische Waisenhaus an der Neustraße, ein seit Jahrzehnten deutschlandweit bekanntes Haus von guten Ruf. Die Kinder wurden durch die Straßen getrieben: Die älteren mussten die Kleinen in einem Leiterwagen ziehen, eine menschenverachtende Parodie des hiesigen Viehhandels.

Am 10. November 1988 zogen Dinslakener Schüler anlässlich des 50. Jahrestags der Pogromnacht mit einem Leiterwagen durch Dinslaken – zu einer Zeit, in der die Erinnerungskultur in der Stadt nach Jahrzehnten des Schweigens erst langsam erwachte. Ein schmerzlicher wie notwendiger Prozess, dem ein dauerhaft sichtbares Zeichen gesetzt werden sollte. Gemeinsam mit den beiden katholischen und evangelischen Kirchengemeinden schrieb die Stadt Dinslaken den Entwurf eines Mahnmals aus – Alfred Grimms Konzept konnte die Verantwortlichen überzeugen. Vor 25 Jahren, am 5. November 1993, hievte ein Kran die lebensgroße Bronzeplastik auf ihren Betonsockel im Stadtpark am Dinslakener Kreisverkehr, am 10. November 1993 wurde sie feierlich enthüllt.

Unter den Ehrengästen des Festakts waren Menschen, die in Dinslaken aufgewachsen sind und wegen ihres jüdischen Glaubens vor den Nazis aus Deutschland fliehen mussten. Es war die erste Rückkehr nach über 50 Jahren, eine erste Geste der Versöhnung der Überlebenden mit den Nachfahren neben einem Mahnmal, das sperrig, schonungslos, provokant und gerade deshalb angemessen ist. Denn Grimm macht es den Dinslakenern nicht leicht.

Der geschwärzte Bronzekarren ist beladen mit den ebenfalls in Bronze gegossenen grausamen Beweisen des Naziterrors: Schuhe, Knochenreste, Gebisse, wie man sie nach 1945 in den Konzentrationslagern fand. Und vor dem Karren der NZ-Scherge als Silhouette. Der Blick hindurch macht den Betrachter zum Mittäter, eine unerbittliche Mahnung an alle Deutschen, die sich durch ihr schweigendes Zusehen mitschuldig gemacht haben und angesichts der immer wieder aufflammenden Gefahr von Rechts zu jeder Zeit mitschuldig machen können.

Alfred Grimm konzipiert seine Werke im öffentlichen Raum so, dass sie der Zeit, der Witterung und auch unabsichtlicher wie mutwilliger Beschädigung stand halten. Trotzdem erwähnt er gerade im Hinblick auf das Mahnmal – diesem folgten in den letzten Jahren die Mahnsteine in Erinnerung an den Beitrag jüdischer Dinslakener zum Handwerk und zum Geschäftsleben in der Stadt vor 1933 -, dass es in 25 Jahren nie ein Anschlagsziel von Rechten wurde, als habe er mit Schmierereien oder ähnlichem gerechnet.

Stattdessen wurde das Mahnmal zu einem Symbolbild der Erinnerungskultur in Dinslaken, Ort des alljährlichen Gedenkens an die Pogromnacht, Beginn einer ganzen Reihe von sichtbaren Zeichen des Gedenkens und der Aufarbeitung, zu denen die erwähnten Mahnsteine ebenso gehören wie die Stolpersteine von Gunter Demnig, aber auch die Vielzahl von Publikationen über Dinslaken in der NS-Zeit, der jüdischen Gemeinde und den Schicksalen Dinslakener Juden.

Als der Platz d’Agen umgestaltet wurde, gab es Sorge, dass auch das Mahnmal betroffen sein könnte – vor fünf Jahren gab es Diskussionen in den Fraktionen, ob ein anderer Platz geeigneter sein könnte. Doch das Mahnmal blieb. In unmittelbarer Nähe des Kreisverkehrs, an dem sich früher der jüdische Friedhof befand und fast in Sichtweite des Standorts der Synagoge. Spuren des jüdischen Lebens in der Stadt, die völlig ausgelöscht wurden. Was bleibt, ist die sichtbare Erinnerung an das, wozu Menschen fähig sind. Eine Gedenkstätte, von der der Künstler selbst sagt: „Das Mahnmal ist aktueller denn je.“