Kreis Wesel. . Dinslaken, Voerde und Hünxe gehören zum offiziellen „Wolfsgebiet Schermbeck“ im Kreis Wesel. Naturschützer sind begeistert, Schafhalter besorgt.
Nun ist es offiziell: der Wolf ist da - oder genauer: die Wölfin Das Land hat den Kreis Wesel offiziell zum ersten „Wolfsgebiet“ Nordrhein-Westfalens erklärt. Die Wölfin mit dem etwas unpoetischen Namen „GW954f“ hat die Region zu ihrer neuen Heimat auserkoren. Die Reaktionen darauf sind höchst unterschiedlich.
Hier war der Wolf nachweislich
Das „Wolfsgebiet Schermbeck“, so der offizielle Name, umfasst auch die Städte Dinslaken und Voerde und die Gemeinde Hünxe. Nachweislich war die Wölfin bislang -- neben Schermbeck und Hamminkeln – nur in Hünxe. Im August wurden dort Kot- und Urinspuren gefunden. Im Februar wurde ein Wolf im Bruckhausener Wald fotografiert. Ob die beiden Schafsrisse in der vergangenen Woche in Dinslaken-Oberlohberg sowie zwei Schafsrisse in Hünxe im September auch auf ihr Konto gehen, kann erst eine DNA-Probe bestätigen. „Nicht immer, wenn ein Schaf gerissen wird, war es ein Wolf“, so Wilhelm Deitermann, Sprecher des Landes-Umweltministeriums. Das Wolfsgebiet im Kreis Wesel wurde mit 958 Quadratmetern „extra groß gefasst, damit möglichst viele Tierhalter von der Förderung profitieren“, erläutert er.
Das sind die Folgen
In einem Wolfsgebiet können Nutztierhalter - unabhängig von der Anzahl der Tiere – Fördergelder für Herdenschutzmaßnahmen beantragen. So fördert das Land die Anschaffung von Elektrozäunen mit 80 Prozent. Wer mehr als 100 Tiere hat, bekommt Fördergelder für Anschaffung und Ausbildung von Herdenschutzhunden wie Pyrenäen-Berghunden oder Maremmano-Abruzzesen. Auch können Tierhalter finanzielle Entschädigungen für Tiere, die vom Wolf nachweislich gerissen wurden, beantragen. Allerdings muss das Amt innerhalb von 24 Stunden informiert werden.
Das sagen Naturschützer
Peter Malzbender, Vorsitzender des Nabu im Kreis Wesel, versteht die Sorgen der Schafhalter. Dennoch sei der Wolf ein notwendiges Regulativ: „Wir haben Futter en masse. Seit Beginn der Aufzeichnungen 1920 hatten wir noch nie so viel Schalenwild, Rehwild, Schwarzwild, Rothirsche.“ Das Wild würde zahlreiche Schäden in Wald und Landwirtschaft anrichten. „Die Jäger kriegen das nicht mehr in den Griff. Und jetzt kommt der Wolf.“ Seit dem Jahr 2000 sei der Wolf in Deutschland wieder heimisch – „und es hat nicht einen Vorfall gegeben, dass ein Wolf Menschen angegriffen hätte.“.
Das sagen Schafhalter
Kurt Opriel ist weniger begeistert. Eines seiner Schafe wurde in Oberlohberg gerissen. „Es ist positiv, dass wir nun Förderanträge stellen können. Generell bin ich aber gegen den Wolf.“ Ihm wäre lieber, die Anzahl der Wölfe würde wie in anderen Ländern – er nennt Finnland und Frankreich – reglementiert. Im dicht besiedelten NRW „ist der Wolf eine Gefahr“, sagt er.
Auch sein Kollege Maik Dünow, Sprecher der Berufsschäfer in NRW und Vorsitzender des Kreisschafzuchtvereins Wesel, hat Angst um seine Schafe. Für den Wolf seien diese Tiere anders als Wild eine „bequeme“ Beute. Dünow kritisiert die 80-Prozent-Förderung bei der Anschaffung von Elektrozäumen und Herdenschutzhunden. All dieser Mehraufwand wäre nicht notwendig, wenn der Wolf nicht da wäre, erklärt Dünow, der jedoch auch sagt, dass er nicht darüber entscheiden könne, ob das Raubtier hier sein soll oder nicht.
Erstmal müsse das Land die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Wolf bleiben könne: „Wer die Musik bestellt, muss auch die Rechnung bezahlen“, fordert Dünow etwa eine 100-Prozent-Förderung und weist auf weitere Punkte hin: Hunde dürften nach geltendem Tierschutzrecht nicht hinter Elektrozäunen gehalten werden. Auch fragt sich der Weseler, der seine Schafe unter anderem in Voerde auf dem Deich weiden lässt, wie dieser Bereich künftig bei Einsatz von Elektrozäunen und Herdenschutzhunden noch für die Öffentlichkeit nutzbar sein soll. „Die Deichverbände müssen sich Gedanken machen, wie sie die Schäfer halten wollen.“
Das sagt der Förster
Förster Michael Herbrecht, dessen Forstamtsbezirk nun offiziell Wolfsrevier ist, ist „ganz neutral: Ich nehme das pragmatisch.“ Er selbst ist auch Schafhalter. „Ich habe also meine Bedenken, was das Unangenehme betrifft.“ In den vergangenen Wochen musste er viele Fragen beantworten, auch von Pferdehaltern, sagt er - die seiner Meinung nach ganz unbesorgt sein können. Aber „ich bin auch Naturschützer und habe meine Freude daran. Wir haben hier mitten im Erholungsgebiet, in der Nähe von Großstädten eine so tolle Natur, dass so etwas möglich ist.“ Hat er, der täglich im Wald unterwegs ist, Angst vorm Wolf? „Nein“, sagt er. Der Wolf sei „viel zu scheu“, ihm über den Weg zu laufen. Wenn er ihn doch einmal treffen würde? „Dann mache ich ein Foto“, scherzt der Förster.
Stimmen auf Facebook
Überwiegend positiv wird die Nachricht aufgenommen. „Schön, herzlich willkommen, Wolf“ schreibt etwa Bianca Siepmann auf facebook.de/nrzdinslaken: „Es ist schön, dass die wunderschönen Tiere sich ansiedeln. Sie haben zurück geholt, was ihnen zusteht“, schreibt Nicole Dresselmann. „Dann ist nun dringend Aufklärung in der Bevölkerung fällig. Macht es den Wölfen schwer bis unmöglich an Nutztiere zu kommen. Der Mensch und seine Behausungen müssen für den Wolf negativ bleiben. Nur so hat er eine Chance“, meint Ulla Zink.
Hier gibt es weitere Informationen zum Wolfsgebiet
Das Land hat ein Wolfsportal auf www.wolf.nrw eingerichtet. Dort sind jeweils aktualisierte Wolfsnachweise zu finden.
Außerdem gibt es Verhaltenstipps für die unwahrscheinliche Begegnung mit dem Wolf: Vor allem solle man nicht versuchen, sich dem Wolf zu nähern, ihn anzufassen oder zu füttern, nicht weglaufen, sondern möglichst stehen bleiben und abwarten oder sich nur langsam zurückziehen. Wer den Wolf vertreiben wolle, könne etwa in die Hände klatschen oder mit den Armen winken.