Dinslaken. . Ulrich Borgmann ist stellvertretender Leiter der Feuerwehr Dinslaken und verhandelt seit zehn Jahren mit der Bahn im Arbeitskreis Sicherheit.

Mehr als ein Vierteljahrhundert nachdem die Bundesrepublik Deutschland und die Niederlande 1992 in Warnemünde die Grundlagen für den dreigleisigen Ausbau der Bahnstrecke Rotterdam-Genua beschlossen haben, werden in Dinslaken die ersten Vorzeichen dieser Betuwe-Route sichtbar: Am heutigen Samstag wird die ehemalige Brücke der Lohbergbahn an der Hochstraße demontiert. Sie steht dem Ausbau der Bahnstrecke im Weg.

Ulrich Borgmann (li.), hier mit dem Leiter der Feuerwehr Dinslaken, Udo Walbrodt.
Ulrich Borgmann (li.), hier mit dem Leiter der Feuerwehr Dinslaken, Udo Walbrodt. © Heiko Kempken

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass der Bau der Betuwe nun beginnt: Das Planfeststellungsverfahren läuft noch. Neben dem Lärmschutz ist die Sicherheit wichtiger Bestandteil. Seit zehn Jahren, seit 2008, setzten sich Feuerwehren und Bahn im Arbeitskreis Sicherheit über das Sicherheitskonzept auseinander. Nun scheint in wesentlichen Punkten eine Einigung gefunden.
Ist die Betuwestrecke in Dinslaken also künftig sicher? Das haben wir Ulrich Borgmann, den stellvertretenden Feuerwehrchef in Dinslaken gefragt, der im AK Sicherheit saß. „Ob es 100 Prozent Sicherheit geben wird, weiß ich nicht – dann müssen sich alle Beteiligten an alle Fakten halten. Aber es ist ein Kompromiss. Natürlich hätten wir gerne 120-prozentige Sicherheit.“ Diese Punkte sind für seine Bewertung wichtig:

Der Zugang zur Strecke

Die Bahn fährt auf einem drei bis fünf Meter hohen Damm durch Dinslaken. Dazu kommen drei bis vier Meter hohe Schallschutzwände. „Wir werden also vor eine etwa acht Meter hohe Wand gucken.“ Schallschutz ist wichtig für die Anwohner – für die Feuerwehr bedeutet er aber „eine Behinderung in der Rettungsaktion“, so Borgmann. Die Feuerwehr bekommt deswegen 31 Zuwegungen zur Strecke, die zwischen einem und 1,60 Meter breit sind. Breitere Türen, wie von der Feuerwehr gefordert, waren aus statischen Gründen nicht möglich. Das ist durchschnittlich alle 204 Meter ein Zugang. Der kürzeste Abstand zwischen zwei Zugängen beträgt 187 Meter, der längste 490 Meter. Die Zuwege führen zum Großteil über öffentlichen Grund. Schilder sollen dafür sorgen, dass sie nicht zugeparkt werden.

Die Bahn hatte ursprünglich alle 1000 Meter einen Zugang vorgesehen (also sechs auf dem Dinslakener Streckenabschnitt), die Feuerwehren hatten alle 200 Meter gefordert. Insgesamt hat die Strecke zwischen Emmerich und Oberhausen 291 Zugänge – durchschnittlich alle 250 Meter einen. „Da sind wir gut aufgestellt“, urteilt Borgmann. Die Bahn müsse aber dafür sorgen, dass die Strecke von außen über Sichtfenster einsehbar ist.

Die Versorgung mit Löschwasser

Für den Erstangriff kann die Feuerwehr aus maximal 300 Meter entfernten Hydranten und Löschbrunnen 1600 Liter/Minute zapfen. In Dinslaken kann die Feuerwehr wegen der Innenstadtlage auf mehr Hydranten zurückgreifen, so Borgmann. Mithilfe von mobilen Hytrans-Systemen, die eine Wasserentnahme und Weiterleitung aus öffentlichen Gewässern ermöglichen, kann auf 6000 l/min erhöht werden. Diese Zahl beruht auf Berechnungen der niederländischen Feuerwehr. Wenn der mittlere von drei hintereinanderliegenden großen Kesselwagen, die mit brennbarem Gefahrgut beladen sind, brennt, sind 6000 Liter Wasser pro Minute nötig, um den Brand zu bekämpfen.

Bis die 6000 Liter an der Strecke sind, dauert es allerdings etwa 30 bis 45 Minuten, so Borgmann. Für den Erstangriff reichen die 1600 l/min auf jeden Fall, so Borgmann. „Wir sind guter Dinge, dass wir diese Zeit des Eintreffens überbrücken können.“ Drei Gefahrgutwaggons hintereinander dürfen in Deutschland erst fahren, wenn die Strecke ausgebaut ist. Momentan müssen sie an der Grenze noch umgehängt werden.

Das Notfallmanagement

Diese Frage ist nicht Bestandteil des Kompromisses sondern des weiteren Planfeststellungsverfahrens. „Mit dem Notfallmanagement sind wir nicht einverstanden“, betont Ulrich Borgmann. Grund: Damit die Feuerwehr im Unglücksfall eingreifen kann, muss der Strom von der Strecke genommen werden. 15 000 Volt fließen durch die Leitung. Selbst wenn sie nach einem Unfall abgeschaltet werde, bestehe noch eine Restspannung von 5000 bis 7000 Volt, so Borgmann. Von zehn Metern aus könnte die Feuerwehr einen Brand in dem Bereich bekämpfen – näher ran kann sie nicht.

In den Niederlanden, wo die Strecke schon seit 2007 in Betrieb ist, dürfen Feuerwehrleute die Restspannung mit Erdungsschaltern ableiten. In Deutschland gibt es ein solches System nur in Tunneln, ansonsten ist es untersagt. Ansonsten hatte die Bahn ein anderes Verfahren angeboten: Die Feuerwehren sollten Stangen in die Leitung einhängen und unten mit einer Klemme auf die Schiene setzen. „Das haben wir flächendeckend abgelehnt“, so Borgmann: „Es ist zu gefährlich.“

Nun müssen die Rettungskräfte auf das Eintreffen eines Notfallmanagers der Bahn warten, der dafür eine halbe Stunde Zeit hat. Das ist heute schon ein Problem: Ulrich Borgmann verweist auf ein Unglück in Düsseldorf: In einem Video auf Youtube ist zu sehen, wie die Feuerwehr auf den Manager warten musste, obwohl ein Arbeiter in Lebensgefahr war.

Das Informationsmanagement

Anders als in den Niederlanden, wo die Trasse nur für Güterverkehr vorgesehen ist und meist an der Autobahn entlang führt, ist in Deutschland neben Güterverkehr auch Personenverkehr auf der Strecke unterwegs. Es werden in rund 800 Meter langen Zügen also Menschen, aber auch Gefahrgut wie Benzin, Öl, Gas oder Chemie transportiert. Die nächsten Häuser sind nur 15 Meter von der Strecke entfernt.

Als Anfang 2017 in Dinslaken ein Güterzug wegen eines Tresors auf den Schienen entgleiste, war das eine ungewollte Generalprobe für das Informationsmanagement der Bahn. Die Bahn hätte sofort die Feuerwehr informieren müssen. Was nicht geschehen ist – obwohl sich Gefahrgut in dem Zug befand. Die Stadt weist daher in ihrer Stellungnahme zum Deckblattverfahren noch einmal darauf hin. Die Informationen über Art des Gefahrguts, Besetzung der Züge, Betretbarkeit der Strecke hat allerdings laut Ulrich Borgmann nur der Notfallmanager – der sie dann per Fax an die Feuerwehr schickt.

>> HIER GIBT ES WEITERE INFORMATIONEN

Der Planungsausschuss diskutiert am Montag, 17. September, 17 Uhr (Rathaus), über den Kompromiss und die Stellungnahme der Stadt.

  • Die Stadt Dinslaken hat weiter Infos auf ihrer Seite dinslaken.de (Wirtschaft & Wohnen/Bauen & Wohnen/ Verkehrsplanung) zusammengefasst.

  • Die Bahn informiert auf emmerich-oberhausen.de.