Voerde. . Jennifer Hermann ist Sozialpädagogin in Voerde. Im Interview spricht sie über Wertschätzung und Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen.

Im „Juz“ an der Friedrichsfelder Straße nimmt die Geräuschkulisse zu, es ist Freitag, Jugendtag. Hier machen wir unseren ersten Halt im Rahmen unserer Serie „#wasgeht“, in der wir den Blick darauf richten wollen, was die Jugendlichen beschäftigt. Wie ergeht es ihnen in dieser Region, in der viele in städtischen, manche aber auch in ländlicheren Ortsteilen groß werden. Wie viel Freizeit haben sie? Wo sind sie unterwegs? Einen Einblick hat Jennifer Hermann aus Gladbeck, sie ist Sozialpädagogin im Juz.

Wie hoch ist Ihrer Meinung nach die Wertschätzung für Kinder und Jugendliche?

Für Kinder ist sie auf jeden Fall hoch. Aber Jugendliche haben es schon schwieriger, weil sie sich fast nirgendwo aufhalten dürfen. Damit sind sie in ihrem Freizeitverhalten schon beschnitten. Jugendliche treten oft in Gruppen auf – das mögen viele Leute nicht so gerne. Irgendwo im Park abhängen wird auch nicht so gerne gesehen. Auf den Spielplatz dürfen sie nur solange sie nicht älter als 14 Jahre alt sind. Da haben sie es im Juz schon ganz gut.

Wie sieht die Freizeit von Kindern heute aus?

Mein Gefühl sagt mir, dass Kinder mehr Freizeit brauchen. In der Schule wird, auch durch den offenen Ganztag, schon viel abgedeckt. Dazu kommen weitere Freizeitmöglichkeiten. Gebastelt, gesungen, ein Instrument gespielt – das haben die Kinder schon erledigt, wenn sie zu uns kommen. Mit ganz so vielen Programmpunkten müssen wir dann nicht mehr aufschlagen. Im Juz gestalten wir außerhalb der Ferien ein sehr offenes Angebot. Nicht nach Trainingsplan oder mit festen Zeiten wie im Sport- oder Musikverein.

Orientieren sich die älteren Jugendlichen nach Voerde oder eher in die Region?

Natürlich orientieren die sich beispielsweise auch nach Wesel oder Dinslaken, weil dort die Berufskollegs sind. Wenn die Jugendlichen Bewerbungen schreiben, kontaktieren sie Betriebe hier und außerhalb, weil es im Kreis ja auch viele Möglichkeiten gibt.

Wollen denn viele Jugendliche nach dem Schulabschluss hierbleiben? Oder zieht es sie grundsätzlich raus – in größere Städte, weiter weg von zuhause?

Natürlich gibt es schon mal Jugendliche, die das so äußern. Jeder kommt mal auf die Idee, dass er nach Berlin ziehen möchte. Aber ich treffe immer noch viele, die hier geblieben sind. Ich habe nicht den Eindruck, dass es so eine Art Voerde-Flucht gibt, zumindest nicht im Kreis unserer Besucher. Vielleicht sieht es bei denen, die studieren, schon wieder etwas anders aus.

Wie bewerten Sie das Angebot für Kinder und Jugendliche in Voerde: Muss sich da etwas ändern?

Es muss auf jeden Fall beibehalten werden – die offene Jugendarbeit etwa, auch Spielplätze müssen erhalten bleiben. Das darf nicht reduziert werden. In meiner Heimatstadt Gladbeck wurde die offene Jugendarbeit stark beschnitten, da gibt es fast keine Freizeiteinrichtung mehr für diese Altersgruppe. Da beschränkt sich das Angebot dann etwa auf das der Sportvereine oder Kirchengemeinden.

Nur Vereinsangebote oder Freizeiteinrichtung reichen nicht?

Nein, denn man spricht mit den Angeboten verschiedene Personen an und nicht jeder möchte Mitglied in den ortsansässigen Vereinen werden. Hier in Voerde gibt es mit den Vereinen, Kirchengemeinden, der „Stock“ und dem Juz Einrichtungen mit verschiedenen Schwerpunkten und das ist auch gut so.

Wie einfach oder schwierig ist es, in so einer Einrichtung ein Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen aufzubauen?

Grundsätzlich sind die Jugendlichen, die hierher kommen, offen für den Kontakt. Natürlich wäre es schön, wenn mehr Personen dafür zur Verfügung stünden. Dann hätten die Kinder umso mehr die Möglichkeit, sich jemanden auszusuchen, dem sie sich öffnen wollen.

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Um was geht es dann, wenn sie sich öffnen?

Um alles: die kleinen Probleme, Streitereien und Liebeleien. Es kommen natürlich auch mal Kinder zu uns, die Schwierigkeiten mit ihrer Familie haben, mit Lehrern, in der Ausbildung oder auch mit der sexuellen Orientierung. Da ist alles dabei.

Kommen die Kinder eher aus Voerde oder auch aus den anderen Ortsteilen ins Juz?

Es gibt auch Jugendliche, die nehmen es auf sich, mit dem Rad oder der Bahn hierher zu kommen. Bei meiner früheren mobilen Jugendarbeit habe ich aber auch die Erfahrung gemacht, dass vielen von ihnen der Aufwand zu hoch ist. Die wollen dann lieber in ihrem Ortsteil bleiben.

Mit dieser Folge beginnen wir bei der NRZ eine Serie, die sich mit Themen rund um Kinder und Jugendliche aus Dinslaken, Voerde und Hünxe befasst.

Warum der Titel #wasgeht? Slogans mit einem Hashtag werden in sozialen Netzwerken gerne genutzt – auch von jungen Menschen. Wir wollen in der Serie erfahren, wie es ihnen ergeht. Was sie zu Themen wie Mobilität, Freizeitaktivitäten, Veranstaltungen und Vereinen denken. In den kommenden Wochen wollen wir Projekte besuchen, an denen sich Kinder und Jugendliche beteiligen, aber uns auch in Voerder und Hünxer Ortsteilen genauer umsehen.

Wenn ihr Anregungen und Ideen habt, meldet euch: lok.dinslaken@nrz.de oder bei Facebook.