Voerde/Hünxe. . Nach der Anhörung zum umstrittenen Neubau der Erdgasfernleitung Zeelink hat die Bezirksregierung das Wort. Wann die Entscheidung fällt, ist offen.

Nachdem in der vergangenen Woche zweieinhalb Tage in Neuss hinter verschlossenen Türen über den Neubau der Erdgasfernleitung „Zeelink“ verhandelt worden war, dort die Firma, die das Projekt realisieren will, und die Träger öffentlicher Belange (darunter die betroffenen Kommunen), Fachbehörden, Naturschutzverbände etc. und Bürger ihre Argumente vorgetragen hatten, liegt der Ball nun bei der Bezirksregierung Düsseldorf. Die Genehmigungsbehörde entscheidet über die von der Zeelink GmbH & Co. KG beantragte Planfeststellung für den Neubau der Gasleitung auf dem Abschnitt „Düsseldorf“, der auf Jüchener Gebiet beginnt und sich bis Schermbeck erstreckt. Man werde nun auf „Grundlage der Erkenntnisse aus den schriftlichen Einwendungen“ und des Wortprotokolls aus der Erörterung in Neuss alle „Positionen abwägen, gegebenenfalls Nachfragen stellen und dann eine Entscheidung treffen“. Wann damit zu rechnen ist, dazu könne, so die Bezirksregierung, keine konkrete Aussage getroffen werden.

Forderung zu Mindestabstand

Das zentrale Thema auch bei der Anhörung in der vergangenen Woche war das der Sicherheit der Gaspipeline. Teils verläuft die Leitung weit unter 100 Meter von Häusern entfernt – die Menschen, die dort wohnen, fürchten im Fall einer Havarie um Leib und Leben. Bürger, die sich in Hünxe und Voerde gegen die Pläne der Firma Zeelink wehren, fordern einen Abstand von mindestens 300 Metern zu Wohnsiedlungen. „Erst ab dieser Distanz gibt es – so sämtliche Gutachten – eine reale Chance, eine Havarie zu überleben“, betont Rainer Rehbein, einer der Sprecher der Hünxer Initiative gegen die Gaspipeline.

Die Äußerungen zum Thema Sicherheit von Zeelink auf der einen und den Kritikern auf der anderen Seite bei der Erörterung resümiert Rehbein so: „Wir haben mit Fakten argumentiert, das Unternehmen antwortete mit gebetsmühlenartigen Gemeinplätzen.“ Die Firma hält die Sorgen der Anwohner für unbegründet, argumentiert, wie gehabt, dass die nach „strengen Vorgaben des deutschen Regelwerks“ konstruierte, errichtete und betriebene Gasleitung „technisch sicher“ sei und durch zahlreiche Maßnahmen vor äußeren Einwirkungen geschützt werde. Dies sei bei der Anhörung deutlich dargelegt worden, sagt Helmut Roloff, Sprecher der Open Grid Europe GmbH, die den Auftrag für den Bau der Erdgasfernleitung hat. Außerdem führt er unter anderem eine vor Inbetriebnahme der Gasleitung erfolgende „Stressdruckprüfung“ zum Nachweis der Festigkeit und Dichtheit, einen „hochwirksamen“ Korrosionsschutz, eine Überwachung und Steuerung rund um die Uhr von einer Zentrale aus, Flüge über die Trasse oder Inspektionen ins Feld, bei denen die Leitung durchfahren wird – was dafür sorgen soll, dass der „ordnungsgemäße Zustand auch Jahrzehnte nach der Inbetriebnahme gewährleistet ist“.

Rehbein hält dagegen und verweist darauf, dass es bereits „reihenweise Katastrophen“ an Gaspipelines gegeben habe. „Korrosion, Materialfehler und Beschädigung von außen sind die häufigsten Ursachen“, widerspricht der Hünxer und bringt einen Unfall an, der sich 2007 in Hessen ereignete, bei dem Bewohner eines nahe gelegenen Dorfes knapp einer Katastrophe entgingen. Damals explodierte eine Gasleitung der E.ON Ruhrgas, als deren Tochter Open Grid Europe 2004 gegründet worden war.

„Leider darf sich dieser Industriezweig die technischen Regeln zur Sicherheit und zum Mindestabstand ohne Einflussnahme des Gesetzgebers selber schreiben“, erklärt Rehbein. Es gebe keinen gesetzlich definierten Abstand zur Wohnbebauung. Für den Leitungsbau gelte das Regelwerk des Energiewirtschaftsgesetzes und des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches, erklärt Beatrix Van Vlodrop, Sprecherin der Bezirksregierung Düsseldorf.

Ob die von der Firma Zeelink beantragte Trassenführung am Ende so kommen wird oder ob diese eine deutlich weiter von Wohnbebauung entfernte Alternative vorlegen muss, diese Entscheidung sei Teil des nun beginnenden Abwägungsprozesses. Maßgeblich „für die Beurteilung einer Planung ist, ob alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden“. Die Bezirksregierung werde das „sensible Thema Sicherheit“ rechtlich bewerten und in die Beschlussfassung mit einbeziehen. Die Firma Zeelink erklärt, bereits verschiedene Alternativtrassen geprüft zu haben. Aus ihrer Sicht ist die beantragte Trasse „unter Abwägung“ aller zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Belange, „namentlich auch der Schutz der Umwelt und des Menschen“, die „konfliktärmste“ Lösung.

Die Hünxer Initiative hofft, dass die Bezirksregierung eine „weise Entscheidung trifft, und zwar für die Menschen“, wie Rainer Rehbein erklärt. Sollte diese nicht so ausfallen wie erhofft, setzt er auf die Möglichkeit der Klage und rechnet den Gegnern dabei durchaus Chancen aus. Seine Zuversicht nährt er aus einem Fall in Niedersachsen: Die Gemeinde Stelle und Bürger hätten es vorgemacht und Open Grid Europe zu einer 55 Millionen Euro teuren Umleitung um das Dorf gezwungen. „Das bleibt unser Mindestziel.“

Die 215 Kilometer lange Zeelink-Pipeline beginnt an der belgischen Grenze bei Aachen und endet im Westmünsterland bei Ledgen. Das Vorhaben erstreckt sich über die Regierungsbezirke Köln, Düsseldorf und Münster. Die Anhörungen für die ersten beiden Abschnitte sind gelaufen. Die Erörterung im Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung Münster ist vom 11 bis 15. Juni in Legden geplant.

Das Vorhaben ist ein Gemeinschaftsprojekt der Open Grid Europe GmbH und der Thyssengas GmbH, die die Bau- und Betriebsaktivitäten in der Zeelink GmbH & Co. KG gebündelt haben. Der Neubau der Pipeline, so heißt es, sei die Voraussetzung für die erforderliche Umstellung von L- auf H-Gas. Die Förderung von L-Gas (low calorific gas) wird laut Zeelink bis 2030 um etwa 90 Prozent sinken.