Voerde. . Scheidender SPD-Landeschef spannte beim Jahresempfang der Voerder Genossen einen weiten thematischen Bogen und sparte dabei nicht mit Kritik.

Er gilt als Mann der markigen Worte, als einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt – und diesem Ruf ist der scheidende SPD-Landeschef Michael „Mike“ Groschek auch am Sonntag wieder beim Jahresempfang der Voerder Genossen in der Gaststätte „Zur Kutsche“ gerecht geworden. Der prominente Hauptredner der Traditionsveranstaltung spannte dabei einen weiten thematischen Bogen. Groschek leitete ein mit einem Dank an die „Helden des Alltags“, an all diejenigen, die als Ehrenamtliche Verantwortung übernehmen, um dann an einen anderen Helden zu erinnern: an den Polizisten Arnaud Beltrame, der sich bei dem islamistischen Terroranschlag in Südfrankreich gegen Geiseln hatte eintauschen lassen und später in Folge seiner schweren Verletzungen verstarb. Bei der Namensgebung Neugeborener sollte Arnaud und sollten nicht Vornamen aus TV-Shows ein Vorbild sein. Schließlich brachte Groschek die Übergriffe auf Uniformierte – Polizisten, Rettungskräfte etc. – zur Sprache.„Wer diese angreift, greift uns an“, sagte er und forderte „klare Kante“ gegenüber „solchen Pöbeltätern“.

Groschek ging auch auf den zurzeit viel diskutierten Begriff „Heimat“ ein

Auch auf den zurzeit viel diskutierten Begriff „Heimat“ ging Groschek ein, verwies dabei auf den letzten Pütt, der 2018 schließt und womit ein langes Kapitel Industriegeschichte zu Ende geschrieben werde. Unter Tage habe nicht gezählt, an welchen Gott der Kumpel glaubt oder ob er überhaupt an einen Gott glaubt, da sei es um Zuverlässigkeit und um das Aufeinandereingehen gegangen, betonte der SPD-Landeschef. Nicht der Glaube sei der Gegensatz, sondern die Gewalttäter seien die Gegner, sagte Groschek mit Blick auf die Terrororganisation IS. Seiner Kritik an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der wegen seiner Aussagen zum Islam unter Beschuss steht, ließ Groschek eine Bestätigung für die Haltung der Kanzlerin (ihr müsse der Rücken gestärkt werden) und eine humorige Einladung folgen: „Wenn Merkel eine Perspektive braucht, ist sie herzlich willkommen bei der AG 60plus.“

Der politische Gegner – insbesondere die schwarz-gelbe Landesregierung – wurde von den Genossen gestern mehrfach ins Visier genommen: Voerdes SPD-Fraktionschef Uwe Goemann bedauerte, dass Norbert Meesters der Wiedereinzug in den Landtag nicht gelang. Was es bedeute, „ihn nicht mehr als Ansprechpartner in Düsseldorf zu haben“ zeige der Blick auf das vor einem Jahr außer Betrieb genommene Kraftwerk. Alles liege auf dem Trockenen – das sei „unerträglich“, monierte er in Richtung Landesregierung.

Genossen übten mehrfach Kritik an schwarz-gelber Landesregierung

In einem dem Jahresempfang vorangegangenen Pressegespräch hatte Goemann erklärt: „Wenn wir die Landtagswahl gewonnen hätten, wären wir weiter“ – eine Kritik auch an der hiesigen CDU-Landtagsabgeordneten Charlotte Quik, die seiner Ansicht nach bei dem Thema zu inaktiv ist. Auf dem stillgelegten Kraftwerksgelände müsse Revitalisierung sichtbar werden, wenn dort Kräne und Bagger ihre Arbeit tun, sähen die Menschen, „da geht es voran“, befand Groschek in kleiner Runde. Auch das Thema sozialer Wohnungsbau bietet für ihn auf Landesebene Anlass zu scharfer Kritik: In NRW gebe es dafür heute ein Drittel weniger an Fördermöglichkeiten.

Nicht fehlen durfte beim Jahresempfang der Voerder SPD das Thema der innerparteilichen Erneuerung. Groschek will für das Amt des Landesvorsitzenden bekanntlich nicht mehr kandidieren. Der 61-Jährige, der von sich sagt, wegen Willy Brandt in die SPD eingetreten zu sein, betont die Notwendigkeit einer neuen Generation, einer Verjüngung und auch Rotation innerhalb der Partei. „Die SPD darf nicht zum Streichelzoo für Platzhirsche werden.“ Groschek setzt insbesondere auch auf die Kompetenz erfolgreicher Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker und sprach einen Satz, der die Genossen in Voerde aufhorchen ließ: „Ich bin ein Bürgermeisterfischer.“

Voerdes Bürgermeister bittet NRW-SPD um Unterstützung bei Kraftwerk, Betuwe und Bädern

Bürgermeister Dirk Haarmann schickte beim Jahresempfang der Voerder SPD mehrere Appelle in Richtung Landespartei.
Bürgermeister Dirk Haarmann schickte beim Jahresempfang der Voerder SPD mehrere Appelle in Richtung Landespartei. © Jochen Emde

Die Gunst der Stunde hat am Sonntag Bürgermeister Dirk Haarmann genutzt und beim Jahresempfang der SPD, im Beisein von Landeschef Michael Groschek, mehrere Appelle Richtung Landespartei geschickt: Diese möge sich im Hinblick auf die beim geplanten Betuwe-Ausbau bestehenden Knackpunkte – wie der von der Stadt geforderten Unterführung an der Schwanenstraße als Ersatz für den wegfallenden Bahnübergang oder den Bau von Aufzügen an der Bahnstation Friedrichsfeld – einsetzen. Auch in der Bäderfrage hofft Haarmann auf die Unterstützung der Partei, indem diese sich für entsprechende Förderprogramme stark mache. Zudem möge die NRW-SPD dafür eintreten, dass der Rückbau und die Entwicklung des Kraftwerksareals auf Landesebene ein „Top-Thema ist“. Haarmann mahnte, dass die Zeit dränge, und warnte davor, dass Investoren sich andernorts ansiedeln könnten.

Landrat Dr. Ansgar Müller unterstrich die Notwendigkeit, die „Erfahrungen aus den Kommunen“ zu nutzen, um in Bund und Land wieder Wahlen gewinnen zu können. Es bedürfe einer sozialdemokratischen Politik, die die kommunalen Belange im Auge habe. „Wir wissen, was die Menschen wollen, was sie sich wünschen“, betonte Müller, der den Wunsch äußerte, dass Groscheks Nachfolger die kommunalen Interessen „genauso berücksichtigt“, wie dieser es getan habe.