Dinslaken. Realschüler erfuhren bei der Besichtigung auch Wissenwertes über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der monotheistischen Weltreligionen.
„Ich glaube an keinen Gott, ich sehe andere Gründe, warum die Welt so ist, wie sie ist, aber wenn andere Menschen ihren Sinn darin finden, ist es gut“ – Luca, Klasse 10 der Realschule im GHZ, gibt sich im Gespräch mit Imam Ahmet Sen in der Diyanet-Moschee ganz gelassen. „Doch ich gestehe, ich finde den Islam interessanter als das Christentum“, gibt er schließlich preis. Wohl wegen der strafferen Regeln, sinniert er weiter.
Für viele der Zehntklässler war es der erste Besuch in einer Moschee
Um ein Sinnes-Tag-Projekt der zehnten Klassen am Gustav-Heinemann-Schulzentrum ging es auch bei dem Besuch von 21 Schülern und Schülerinnen in der Lohberger Moschee. Außer ihren muslimischen Mitschülern hatte zuvor noch niemand von ihnen eine Moschee betreten. Zwar hätten alle von ihnen im Religionsunterricht Grundkenntnisse über den Islam erworben, erzählt Lehrer Jürgen Kühn, aber sicher seien noch jede Menge Fragen offen geblieben.
Und so führten Imam Ahmet Sen, seine Frau Saziye, Nesrin Aydin, Enise Cetin und Metin Geyik, alle vom Moschee-Vorstand, erst einmal durch die prachtvoll gestaltete Moschee im ehemaligen Lohberger Konsum. Ahmet Sen und Nesrin Aydin erklärten die Funktion der Mimbar, der erhöhten durch eine Treppe zugänglichen „Kanzel“, von der der Imam das Freitags- und Feiertagsgebet verkündet, der Gebetsnische Mihrab, die gen Mekka ausgerichtet ist, dem Kursi, „Stuhl“, von dem aus der Imam auch Fragen der Gemeindemitglieder beantwortet, von dem Dikka, einem leicht erhobenen Stand, von dort aus würde der Imam beim Vorbeten vom Muezzin unterstützt.
Der Ruf des Muezzin erschallt heute nur noch beim Freitagsgebet „live“
Die Schüler hörten, dass der Ruf des Muezzin heute nur noch beim Freitagsgebet „live“ erschallt, ansonsten seine Stimme vom Band ertönt. Interessiert zeigten sich insbesondere die muslimischen Schüler an den täglichen fünf Gebeten, vor allem aber, was sie tun müssten, wenn sie diese einmal verpasst hätten.
Sie seien nachholbar, beruhigte sie der Imam, aber gebe es auch Zeiten, in denen keinesfalls gebetet werden dürfe, erklärte er. „Das rührt noch aus früheren Tagen, weil genau in dieser Zeitspanne die so genannten Feueranbeter beteten.“ Überhaupt, so Sen, sei das muslimische Glaubensbekenntnis dem der Christen gar nicht so unähnlich. Alle drei monotheistischen Religionen, das Judentum, das Christentum und der Islam, glaubten an den einen Gott, verehrten die gleichen Propheten und so seien weder Christen noch Juden dem Koran nach Ungläubige. Wer dies predige, kenne den Koran und seine Lehren nicht, sei fehlgeleitet.
Der gemeinsame große Nenner sei „Gott“, erklärte der Imam
Doch warum behaupte der Islam dann, der einzig wahre Glaube zu sein, kam die Gegenfrage eines Schülers. Eine schwere, aber schöne Frage, gab Ahmet Sen zu. Die Antwort. „Gott wollte es so“, ist ihm selbst zu wenig und so sinniert er, gleich einem Nasreddin Hodscha (humoristischer Held türkischer Volksliteratur), ein jeder müsse den richtigen Weg für sich selber finden, müsse sich für eine der drei Religionen entscheiden, denn immerhin sei der gemeinsame große Nenner „Gott“. Sen zählte die vielen Gemeinsamkeiten der drei Religionen auf, erläuterte die Unterschiede, der größte zum Christentum sei eigentlich nur der Glaube an Jesus. „Wir Muslime verehren Jesus als Propheten, für die Christen ist er Gottes Sohn, das wiederum ist für uns nicht möglich, denn Gott ist einmalig.“
Ein wenig augenzwinkernd kommt dann seine Frage daher: „Warum kam das Christentum, obwohl es das Judentum schon gab? Warum folgte dann, 600 Jahre später, der Islam?“ Selbst Jesu hätte, dem Koran zufolge, von nachfolgenden Propheten gesprochen. Mohammed sei also bislang der letzte Prophet, der letzte Gesandte Gottes. Als solcher, so Sen, soll er auch wahrgenommen und keinesfalls angebetet werden. Und wenn Mohammed der letzte Prophet Gottes sei, so müsste der Islam dann die letzte Verbesserung des einzig wahren Glaubens sein. Ein Gottes-Update also, um es salopp auszudrücken, bemerkte Lehrer Jürgen Kühn lächelnd.
>> Info: Mehrere Quellen heranziehen
Imam Ahmed Sen räumte mit so manchem „Irrglauben“, dem sogar viele Muslime verfallen, auf. Er spricht sich auch für das Lesen des Korans in der eigenen Muttersprache aus. Enise Celik beispielsweise liest den Koran auf Deutsch. „Ich kann viele Suren auf Deutsch besser verstehen als auf Türkisch oder gar Arabisch. Und man muss den Koran doch verstehen können“, erklärt sie.
Die Auslegung des Korans sei derzeit das allergrößte Problem, erklärt Sen. Um damit umzugehen, sollte man mehrere Quellen heranziehen und Experten befragen.
Bis 2019 wird Ahmet Sen noch Imam in der Diyanet-Moschee sein. Denn der Vertrag eines Imams läuft nur über fünf Jahre, dann geht es für ihn zurück in die Türkei.