Dinslaken. . Die Bibliothek feiert 30. Geburtstag am jetzigen Standort. Wir haben mit Leiterin Edith Mendel über beliebte und ungeliebte Bücher gesprochen.

Die Stadtbibliothek feiert in diesem Jahr einen runden Geburtstag. Vor 30 Jahren bezog sie gemeinsam mit der Volkshochschule ihr jetziges Gebäude in der Innenstadt. Zuvor war sie in einem Ladenlokal an der Friedrich-Ebert-Straße (die jetzige „Kinderwelt“) beheimatet, die Kinderbücherei residierte im jetzigen „Canapé“. Die Leiterin der Stadtbibliothek war auch schon damals im Amt: Edith Mendel feierte jüngst ihr 40-jähriges Dienstjubiläum. Wir haben mit ihr über den Wandel der Lesegewohnheiten gesprochen. Diese haben sich „ganz stark verändert“ wie sie sagt.

In den vergangenen 30 Jahren wurde die Ausleihe von Videos, CDs und DVDs, Konsolen-und PC-Spielen und E-Books eingeführt, außerdem Online-Kataloge und Online-Datenbanken, digitale Vernetzung und die Selbstverbuchung. Veränderte Lesegewohnheiten werden daran sichtbar - und an den Ausleihzahlen der verschiedenen Themenbereiche.

Das wird wenig nachgefragt

Die Bücherei hat jährlich 150 000 Besucher, der Etat für Neuanschaffungen liegt mittlerweile bei 180 000 Euro. Aber auch die Nutzung ist gestiegen: Vor 30 Jahren hatte die Bibliothek nur halb so viele Ausleihen. Jedes Jahr werden bis zu 15 000 Medien, davon 10 000 Bücher angeschafft. Wenn ein Titel drei Jahre nicht ausgeliehen wurde, „fliegt er raus“, so Edith Mendel. „Wir sind keine wissenschaftliche Bibliothek, die der Archivierung verpflichtet ist, sondern eine öffentliche: Was in den Regalen steht, muss ausgeliehen werden.“ Und so dürfen sich die Besucher des Kiloverkaufs, der jedes Jahr in der Stadtbibliothek stattfindet, auf gleich drei Bücher über den SPD-Vorsitzenden Martin Schulz freuen. Alle drei Titel aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 „wurden nicht ein einziges Mal ausgeliehen“. Darüber hat sich auch Edith Mendel gewundert – und schiebt schnell hinterher, dass auch „Angela Merkel kein Bestseller“ ist. Sogar der Titel „Wie werde ich Philosoph“ werde häufiger ausgeliehen als Schulz. Auch die Biografie von Nena ist ein Ladenhüter – was Edith Mendel umso mehr erstaunte, weil Nena im vergangenen Jahr beim Fantastival in Dinslaken gespielt hat. „Sogar die Biografien über Karel Gott und Heino laufen besser“, so Edith Mendel - von Helene Fischer mal ganz zu schweigen.

Grundsätzlich werden biografische Bücher seltener ausgeliehen als früher, so die Bibliotheksleiterin. Vielleicht, so meint sie, liege es daran, dass die Menschen in den sozialen Netzwerken und Medien so viel über sich preisgeben, „dass man meint, man braucht die Biografien nicht mehr um sie kennen zu lernen“. Und: „Je anspruchsvoller der Titel, desto geringer die Zahl der Leser, die das ausleihen.“

Auch Bücher, die historisches Wissen vermitteln, werden weniger nachgefragt als früher – etwa 4000 Ausleihen im Jahr. Michael Bergers Buch über jüdische Soldaten, „Für Kaiser, Reich und Vaterland“, verließ nie sein Regal. Früher habe es viele „historisch interessierte Laien“, die den Bereich Geschichte zu einem der meist frequentierten gemacht haben. „Das ist sehr zurückgegangen.“ Die Auseinandersetzung mit historischen Themen finde man eher bei älteren Nutzern, es sei denn in den Schulen stehen Facharbeiten an.

Das ist beliebt

Romane und Regionales, Sprache, Pädagogik wird stark nachgefragt. Die Reiseliteratur ist die ausleihstärkste Gruppe mit 20 000 Ausleihen im Jahr. „Ich kann mich noch erinnern, als die ersten Leser kamen und etwas über die Dominikanische Republik haben wollten. Da gab es nicht ein Buch auf dem Buchmarkt.“ Wie beim Bezahl-Fernsehen laufen auch in der Bibliothek Serien auf DVD gut. „In diesem Bereich gibt es keine Ladenhüter.“

Der Handarbeitsbereich ist seit zwei Jahren „der Hype schlechthin“, so Edith Mendel. „Do it yourself“ ist modern, die Upcycling-Kurse, die die Stadtbibliothek mittlerweile – etwa im eigenen Färbergarten – gibt, sind ruckzuck ausverkauft. Leseförderung und Wissensvermittlung auf allen Gebieten sind Anliegen der Bibliothek - wobei der Fokus früher auf Schulklassen, heute auf Kindern im Kita-Alter und jünger liegt. „Wir entwickeln uns Richtung Ort für Wissensvermittlung und Ort des Machens und Experimentierens.“ Und zum „Wohnzimmer der Stadt“: Schließlich hat die moderne Bibliothek ein Café.

Und die Zukunft? In 30 Jahren werden sicher weniger Bücher im Bestand sein, meint Mendel, die Ausleihzahlen werden sinken. Aber: „Wir haben hier die Videos kommen und gehen sehen, die Kassetten kommen und gehen sehen, wir sind jetzt auf dem Weg, an dem langsam das Sterben der DVD und CD beginnt. Die Bücher sind das einzig Konstante geblieben. Man hat immer das Buch für tot erklärt. aber gestorben sind immer die anderen.“

Veranstaltungen im Jubiläumsjahr

2018 feiert nicht nur die Bibliothek 30-Jähriges sondern es ist auch das Jahr des 550. Todestages von Johannes Gutenberg, zudem hat die Europäische Union 2018 zum Europäischen Jahr des kulturellen Erbes erklärt – „Grund genug, die Ereignisse zu verknüpfen“, so die Stadt Dinslaken.

Die Geschichte des Buches soll dieses Jahr im Mittelpunkt von Veranstaltungen und Aktivitäten stehen. So gibt es vom 3. Februar (Todestag Gutenberg) bis zum 24. Oktober (Tag der Bibliotheken) eine Mitmachausstellung mit dem Titel „Gutenberg trifft E-Book“: Jeder soll sich einmal darauf einlassen dürfen, wie im Mittelalter vor 1000 Jahren an einem Pult bei Kerzenschein mit der Gänsefeder zu schreiben, mit Tinten – auch in Gold und Silber – zu experimentieren und sich mit dem Ausmalen und Schmücken von Büchern zu beschäftigen.

Auch das Drucken auf einer alten Druckerpresse soll versucht werden. „So bekommt man eine Vorstellung davon, wie mühsam die Herstellung eines Buches vor über 500 Jahren war“, so die Stadt.

Von der Herstellung des Papiers, über das Arbeiten und die Atmosphäre in einer mittelalterlichen Schreibwerkstatt, die Herstellung von Druckerzeugnissen bis hin zum Workshop zum Umgang mit dem E-Book-Creator soll Kindern und Jugendlichen sowie Schulklassen deutlich gemacht werden, dass die digitalen Kommunikationswege nicht denkbar wären ohne die Erfindung des Buchdrucks. Er ermöglichte es, Bücher und damit Informationen in Massen herzustellen und zu verbreiten. Außerdem war er ein starker Motor der Alphabetisierung in Deutschland.

Ab 3. Februar gibt es zweimal im Monat einen Workshop für Kinder, Jugendliche und Familien. Der Flyer mit den Terminen und Kontaktdaten für Schulen liegt in der Bibliothek aus. Karten zu drei Euro für Kinder und Jugendliche und fünf Euro für Erwachsene gibt es in der Kinderbücherei.

Da die VHS das Gebäude im gleichen Jahr wie die Bibliothek bezogen hat, soll das Jubiläum gemeinsam gefeiert werden.