Dinslaken. . Die Gaststätte Schnier an der Eppinghovener Straße betreibt „der letzte geborene Altstadtwirt in Dinslaken“. Gäste hier haben viel zu erzählen.

„Opa Gustav saß immer in der Ecke, las Zeitung und hielt ein Schwätzchen“, erzählt Jürgen Schnier von seinem Großvater. Er selbst ist „der letzte geborene Altstadtwirt in Dinslaken“, schon in der sechsten Generation. Die erste „Schenkgenehmigung“ wurde im Jahr 1776 ausgestellt, aber auch der „Erlaubnisschein zum Betriebe einer Schankwirthschaft“ (sic) von 1883 von Großvater Gustav, hängt gerahmt in der gemütlichen Wirtschaft.

Interessant ist die Tatsache, dass gerade die Zeit der industriellen Revolution das Biertrinken in Gaststätten hervorbrachte. Die Menschen hatten ausreichend Bares, um sich einen Besuch im Wirtshaus leisten zu können. Allerdings wurde der Alkohol in den Arbeitervierteln der Großstädte zum Problem, weshalb in Großbritannien 1915 die Sperrstunde eingeführt wurde. Der Grund: Die Arbeiter sollten nicht alkoholisiert zur Arbeit erscheinen.

Heute sind alkoholisierte Arbeiter hier kein Thema mehr

Heutzutage ist das in der Eppinghovener Straße, wo die nach dem Krieg wieder aufgebaute Wirtschaft „Schnier“ liegt, kein Thema mehr. Zu den Nachbarn habe man ein sehr gutes Verhältnis, auch zum „König am Altmarkt“, so der Wirt. Jürgen Schnier betreibt sein Lokal schon seit 30 Jahren, seine Frau Astrid Grossmann fühle sich für die Küche verantwortlich, es gebe zwei Angestellte und eine Küchenhilfe.

„Wir kochen eigentlich alles“, so Schnier, und betont, dass Gesellschaften unterschiedlichster Art in seiner Kneipe stattfinden, von der Hochzeit bis zum Beerdigungskaffee. Dann, oder zu bestimmten Anlässen, werde die Küche geöffnet. Ansonsten halte man sich an den Ausschank von Getränken. Ein Stammpublikum in mehreren Generationen kommt regelmäßig – nicht nur an Wochenenden.

Die Besucher hier haben viel zu erzählen

Dass die viel zu erzählen haben, ist selbstverständlich. „Jeder ist hier Bundestrainer oder Bundeskanzler“, sagt der „Einheimische“ Hermann Kuiper und lacht.

Und endlich wird auch das Geheimnis vom Pferd in der Kneipe gelüftet, das durch mehrere Lokale in Dinslaken kursierte: Eines schönen Abends, es ist wohl schon lange her, sei der Wirt einer Alt-Dinslakener Kneipe auf seinem Pferd in der Stadt unterwegs gewesen, berichtet Kuiper. In der Blücherstraße sei er dann in die gleichnamige Schenke hineingeritten. „Ein Bier für mich und mein Pferd“ soll er gerufen haben. Eine amüsante Geschichte, die sich immerhin einige Jahrzehnte unter den Wirten hielt.

Wirte müssen kreativ sein

„Da rechnet man auch nicht mit“, sagt Jürgen Schnier mit seinem trockenen Humor, und wieder einmal sind die Gespräche am Tresen lebendig geworden, obwohl es mal nicht um Politik oder Sport ging.

Das Wort „Erlebnisgastronomie“ fällt, ein Begriff, der mit dem Aussterben der einfachen Wirtshäuser in der Region einhergeht. Man müsse sich etwas einfallen lassen, um hervorzustechen und zu überleben, gibt Schnier zu verstehen.

Auch der Wirt hier sucht einen Nachfolger

Gerade an besonderen Tagen, jetzt an Karneval zum Beispiel, während der DIN-Tage oder bei „Tanz in den Mai“ sei seine Gaststätte ein Treffpunkt für viele Leute, sagt Schnier.

Er wird ein wenig wehmütig. Der Männerchor Dinslaken 1957, der sich jeden Montag bei ihm treffe, suche dringend Nachwuchs. Und auch über seine eigene Nachfolge mache er sich Gedanken. „Es ist schwer, jemanden zu finden“, sagt der Wirt. Er sei hier im Haus geboren, damals habe die Gaststätte noch „Zur Burgschenke“ geheißen. „Vatter Willi Schnier“ war mit dem Namenswechsel der Traditionskneipe im Jahr 1988 erst nicht einverstanden, doch heute heißt es nur noch: „Wir geh’n nach Schnier!“