Dinslaken/Voerde. . Bürgerinitiativen, Kreisbrandmeister und Politiker kritisieren: Sicherheit und Lärmschutz seien in Dinslaken und Voerde nicht gewährleistet

  • Bürgerinitiativen, Kreisbrandmeister und Politiker üben Kritik nach dem Baustart
  • Sicherheit und Lärmschutz an der Bahnstrecke seien nicht gewährleistet
  • Unstimmigkeiten seien bei dem offiziellen Termin verschwiegen worden

Keine Zusagen zur Verbesserung des Lärmschutzes, keine Zusagen zur Verbesserung der von den Feuerwehren geforderten Sicherheitsmaßnahmen an der Strecke – der Verband der Bürgerinitiativen entlang der Betuwe-Linie unter der Motto „Betuwe - so nicht! Sondern besser!“ kritisierte den offiziellen Baubeginn der Ausbaustrecke in Oberhausen als „Fehlstart unter Zeitdruck“.

Unstimmigkeiten wurden nicht erwähnt

Die Redner hätten fälschlicherweise den Eindruck erweckt, „alle Probleme seien so gut wie gelöst.“ Dabei sei das nicht der Fall, so der Verband der Bürgerinitiativen. „Entsetzt“ seien die Initiativen angesichts des entgleisten Gefahrgut-Transportes vor zwei Wochen in Dinslaken gewesen. Die Feuerwehren waren darüber nicht informiert worden, hatte Kreisbrandmeister Udo Zurmühlen moniert. Er ist von Beginn an Mitglied des Arbeitskreises Streckensicherheit und war ebenfalls zu Gast beim offiziellen Baubeginn in Oberhausen.

Bahn und Politik hätten sich „auf die Schulter geklopft und die Unstimmigkeiten nicht erwähnt.“ Es sei der Eindruck erweckt worden, dass einvernehmliche Gespräche zwischen Feuerwehren und Bahn stattgefunden hätten. Das sei aber nicht der Fall. „Man ist unseren Forderungen zwar etwas entgegengekommen. Aber von einer einvernehmlichen Lösung kann man nicht sprechen“, so Zurmühlen.

Feuerwehr fordert alle 200 Meter einen Zugang

Zu den Forderungen der Feuerwehren zur Sicherheit an der Betuwe gehört etwa, dass in den Lärmschutzwänden an der Strecke alle 200 Meter breite Zugänge für die Feuerwehr eingerichtet werden. Feuerwehrschläuche seien 200 bis 300 Meter lang, so Zurmühlen. Außerdem könnten die Helfer in Chemieschutzanzügen nur 300 Meter weit laufen. Das Eisenbahnbundesamt sei von den ursprünglichen 1000 Metern Abstand zwischen den Zugängen abgerückt und habe angeboten, durchschnittlich alle 550 Meter einen Zugang einzurichten. „Das kann bedeuten, dass es an der einen Stelle 800 Meter, an der anderen 250 bis 300 Meter sind“, so Zurmühlen. In jedem Fall zu viel. Für die eigenen Techniker plane die Bahn weitere Türen ein, die aber nur einen Meter breit seien. „Das ist zwar besser als nichts“, sagt Zurmühlen – aber mit schwerem Gerät nicht nutzbar. Bei einem Investitionsvolumen von knapp zwei Milliarden sollten 40 Millionen Euro für die Sicherheit drin sein, findet er und kündigt an, dass die Feuerwehren auf ihren Forderungen beharren. Der Ball liege nun bei der Politik und beim Eisenbahnbundesamt.

Keine Verbesserung für Friedrichsfeld wurde in Aussicht gestellt

Auch von einer Verbesserung des aktiven Lärmschutzes sei beim Baustart keine Rede gewesen, kritisieren die Initiativen: „Wir bekommen schlechten, nicht zeitgemäßen Lärmschutz.“ Zudem gebe es „keinerlei Zusagen für über 7000 Gebäude, in denen geschätzt 80 000 Menschen wohnen, die nur einmalig passiven Lärmschutz und das nur für Wohn- und Schlafräume bekommen.“

Ebenso seien bessere Bahnhöfe und Haltepunkte – etwa für „transparente Wände statt Angsträumen oder für einen Aufzug für den um sieben Meter höher gelegten Bahnhof Friedrichsfeld“ nicht in Aussicht gestellt worden.

„Forderungen können nicht an Finanzierungsfragen scheitern“

„Angesicht des Überschusses von 6,2 Milliarden Euro im Bundeshaushalt 2016, können diese Forderungen nicht an Finanzierungsfragen scheitern“, findet der Verband der Bürgerinitiativen. Denn: „Es geht nicht nur um wenige Pechvögel, die zufällig am Gleis wohnen, denn die Baumaßnahme wirkt tief in unsere Lebensräume. Projekte, die jetzt gebaut werden, werden über ein Jahrhundert intensiv genutzt und haben erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität von Generationen.“ Die Pläne müssten „substanziell und nachhaltig nachgebessert werden.“

Städte Dinslaken und Voerde erwägen zu klagen

Scharfe Kritik gab es auch aus den Reihen der kommunalen Politik: Bernd Altmeppen, der die Voerder CDU bei dem offiziellen Startschuss vertrat, spricht von einer „Show-Veranstaltung“, die „mitten in der Pampa“ abgehalten worden sei. Er vermutet hinter der Ortswahl durchaus „Kalkül“ – gelenkt durch eine „große Angst“ vor Demonstrationen. Landesverkehrsminister Michael Groschek und Bahnvorstand Ronald Pofalla hätten „sehr salbungsvolle Reden“ gehalten. Doch Pofalla hätte diese Rede nicht halten können, wenn in Dinslaken ein Waggon des Zuges explodiert wäre, der wegen eines Geldautomaten auf den Schienen entgleist war. Zu Sicherheitsmaßnahmen oder zu der Frage, wie die Bahnhöfe „kunden- und sicherheitsgerechter“ gestaltet werden sollen, sei nichts Konkretes gesagt worden, kritisiert Altmeppen, der die Veranstaltung „sehr enttäuschend“ fand.

Noch kein Planfeststellungbeschluss für Dinslaken und Voerde

Nach Einschätzung von Voerdes Planungsdezernent Wilfried Limke, der mit Bürgermeister Dirk Haarmann am Freitag die Stadt vertrat, hätte der Baubeginn an der Strecke um ein Maß mehr an Planungssicherheit, wenn die wesentlichen Punkte „vorher beantwortet“ gewesen wären. Mit dem Startschuss werde das Zeitfenster kleiner und damit die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen, „zwingender“. Das Voerder Stadtgebiet umfasst zwei Betuwe-Abschnitte. Bisher liegt für noch keinen von beiden ein Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamtes (EBA) vor, den gibt es erst für einen, die Stadt Oberhausen betreffend.

„Wir müssen sehen, ob wir unsere Knackpunkte platzieren konnten“

Die Stadt Voerde habe genügend Argumente vorgebracht, eine Standardqualität an der Bahnstrecke zu sichern. Vielleicht, so hofft Limke, entstehe durch den Baubeginn auch insofern ein Entscheidungsdruck, als dass es zu einer Lösung der Dissensfragen kommt. Nach dem Planfeststellungsbeschluss „müssen wir sehen, ob wir unsere Knackpunkte haben platzieren können“, stellt Limke mit Blick auf eine mögliche Klage fest. Oberhausen geht diesen Weg.

Zuversichtlich stimmt den Voerder Planungsdezernenten noch etwas anderes: Der Staatssekretär beim Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, habe bei der Veranstaltung sehr deutlich zu erkennen gegeben, dass der Bund „genügend Geld“ bereitstelle: Vor dem Hintergrund hat Limke die Hoffnung, dass die „Ausführungsqualität“ der Bahnstrecke nicht am Geld scheitern werde.

Auch Dinslakens Bürgermeister Dr. Michael Heidinger war zum Baustart eingeladen – aber verhindert. Ebenso wie Voerde wartet die Stadt Dinslaken den Planfeststellungsbeschluss ab – und die Frage, ob danach noch eine weitere Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange vorgesehen sei.

Dinslaken fürchtet Verkehrschaos

Sollte dies nicht der Fall sein, denke man über eine Klage nach, so Stadtsprecher Horst Dickhäuser. Das dritte Gleis muss, so Dickhäuser angesichts des steigenden Güterzugverkehrs, „zwingend gebaut werden. Es ist nur die Frage, unter welchen Bedingungen.“

Wann die Bauarbeiten in Dinslaken und Voerde ankommen, steht noch in der Sternen. In Dinslaken fürchtet man aber schon jetzt ein größeres Verkehrschaos, weil für das dritte Gleis zentrale Brücken – über der B8 und über der Hünxer Straße – umgebaut werden müssen. (P.K./aha)