Dinslaken. . Die 39-Jährige ist Religionsbeauftragte der Diyanet-Moschee in Lohberg. Sie hat aber nicht die gleichen Befugnisse wie die männlichen Imame.

  • Die 39-Jährige ist Religionsbeauftragte der Diyanet-Moschee in Lohberg
  • Sie betreut fünf weitere Gemeinden auf Kreisebene, darunter die in Möllen und Friedrichsfeld
  • Sie darf predigen, das Freitagsgebet bleibt ihr jedoch verwehrt

Für die Frage „Wer hat denn in Ihrer Ehe die sprichwörtlichen Hosen an“, benötigt Sazziye Sen keine Übersetzung und auch ihre Antwort ist eindeutig – sie deutet ganz entschieden auf sich. Die 39-jährige Türkin ist ein weiblicher Imam, ein Vorsteher einer Moschee, die dieselben Schulen durchlebt hat wie ihre männlichen „Amts“-Kollegen. Dennoch unterscheiden sie sich – sie darf zwar predigen, jedoch nur für Frauen. Das Gebet, vor allem aber das Freitagsgebet, ist ihr verwehrt. Wie auch bei den Katholiken nach 2000 Jahren Christentum immer noch keine Frau als Priesterin zugelassen ist.

Seit einem halben Jahr in Dinslaken

Seit einem Jahr ist die junge Frau, verheiratet mit dem Imam der Diyanet-Moschee, bereits in Dinslaken. Sie betreut nicht nur die Gemeinde in Lohberg, sondern fünf weitere auf Kreisebene, darunter die in Möllen und Friedrichsfeld. „Wir haben schon seit Jahren Frauen- und Religionsbeauftragte in unserer Moschee“, verrät Vorsitzender Özcan Yildiz, „im vergangenen Jahr wurde die Stelle vakant, zeitgleich mit der Stelle des Imam. Und da ihr Ehemann der Imam für unsere Moschee werden sollte, stellten wir gleich einen Antrag, Sazziye Sen als Religionsbeauftragte einstellen zu dürfen.“

Es sei schon immer ihr Traum gewesen, eines Tages Lehrerin zu sein, lässt Sazziye Sen Özcan Yildiz und Nesrin Aydin, Frauenvorstand der Diyanet-Moschee, übersetzen. Die Religion lag ihr dabei sehr nahe und auch ihr Kopftuch trage sie aus religiösen Gründen und sehr selbstbewusst. Wie übrigens auch Nesrin Aydin, diese sogar gegen den ausdrücklichen Wunsch ihres Mannes. Beide Frauen sind sehr selbstbewusst und selbstbestimmt, sind Frauen, die sich durchsetzen können.

Weiblicher Imam kann sich über wenig Arbeit nicht beklagen

Sie habe aufgrund ihres Kopftuches in der Türkei vor mehr als zehn Jahren Schwierigkeiten gehabt, Lehrerin zu werden, erzählt Sazziye Sen. Zu Militärzeiten war die Verhüllung des Haares verpönt. Da entschloss sie sich, Religion zu lehren und sie habe es bis heute nicht bereut. Deutschland sei das Wunschziel ihres Mannes gewesen, doch auch sie fühle sich in Lohberg sehr wohl, ihre beiden Kinder wollten gar nicht mehr zurück. Doch diese Option gebe es leider nicht.

Über Arbeit kann sich der weibliche Imam nicht beklagen. „Die Frauen hier sind sehr wissbegierig“, lässt sie Nesrin Aydin übersetzen. In der Regel sei sie für den Koranunterricht und die Religion zuständig, doch die Frauen kämen auch mit familiären sowie den Problemen des Alltags zu ihr. Sei es die richtige Kindererziehung, seien es die Identitätsprobleme heranwachsender Mädchen oder eben andere Dinge, bei denen sich Frauen und Mädchen scheuen, sie anderen anzuvertrauen.

Auch für die Integration unterwegs

Ganz normale Gemeindearbeit also, die sich, nachdem sie die Arbeiten in der evangelischen Kirche kennengelernt hätte, durch nichts unterscheide. Denn auch in Sachen Integration und christlich-islamischer Dialog ist Sazziye Sen unterwegs, organisiert Fahrten, trifft sich mit Frauen in den einzelnen Kirchengemeinden, engagiert sich in der Flüchtlingsarbeit, will ein gemeinsames Kochen ins Leben rufen.

Drei Koranklassen mit Frauen und Mädchen betreut sie, dabei lernen die Frauen den Koran in türkischer Sprache. „Sie wollen ihn nicht in Arabisch auswendig lernen, sondern verstehen“, so die Religionsbeauftragte. Denn dies sei ein wesentlicher Faktor, um Tradition und Religion unterscheiden zu können. „Tradition ist nicht Religion und umgekehrt.“ Da kommt unweigerlich die Frage nach dem Salafismus auf, nach der Gewaltbereitschaft vieler junger Männer, für „ihren Glauben“ wahllos zu töten.

„Ein Terrorist hat keine Religion“

„Ein Terrorist hat keine Religion, ein Terrorist ist ein Verbrecher und Verbrecher werden den Koran immer zu ihren Gunsten auslegen. Richtig ist das nicht“, sagt Sazziye Sen mit Nachdruck. Darum sei es so wichtig, den Koran verstehen zu lernen, sich ein wirkliches Bild von ihm zu machen. „Unser Glaube schreibt weder eine Unterdrückung der Frau vor, was so genannte Ehrenmorde ausschließt, noch befiehlt er das Töten Andersgläubiger“, so die Religionsbeauftragte, die alle Gewalt scharf verurteilt.