Voerde.

Der Gegensatz hätte kaum großer sein können: Gerade noch auf dem Parkplatz des Schulzentrums Nord in Voerde-Friedrichsfeld im nasskalten Herbstwetter und im nächsten Moment mitten im Urlaub in der Karabik. So zumindest konnte man sich als Teil des Publikums einer Veranstaltung fühlen, die in ihrer Größe und dem erforderlichen Aufwand an die Grenzen des Möglichen für die Kulturarbeit der VHS Dinslaken-Voerde-Hünxe in Voerde ging. „Pasión de Buena Vista“ ist eine Produktion für die ganz große Bühne: Drei Stars, eine Showband mit noch einmal drei Sängern und eine Tanzformation wirbeln vor der Kulisse Havannas, zu der auf der Bühne noch ein, wenn auch halbierter, typischer Straßenkreuzer gehört.

Aber Platz ist bekanntlich auch in der kleinsten Hütte und - das machte der Abend deutlich - in der Aula lassen sich internationale Produktionen realisieren, die schon bei „Wetten dass...“ oder im Fantastival zu sehen waren.

„Pasión de Buena Vista“ geht über die Assoziationen, die der Titel weckt, hinaus. Dafür sorgt die Liveband mit ihren Sängern in goldenen Hemden, dafür sorgt El Grupo de Bailar aus Manzanillo. In ihren Kostümen sehen die Tänzerinnen und Tänzer aus wie schillernde Paradiesvögel. Keines der Kostüme, in denen Aussparung und Auslassung an der einen Stelle und Tüll und Rüschen in überbordender Fülle an anderer eine immer wieder verblüffende Synthese eingehen, wird zweimal getragen.

Kaum, dass zum ersten Mal die Hüften zum Trommeln der Congas geschüttelt werden, sieht man Bewegung auch in den Zuschauerreihen. Und als wüssten es die Akteure auf der Bühne nur zu gut, dass Stillsitzen bei dem von ihnen vorgelebten Temperament und der Lebensfreude eine Qual sein kann, animierte Sänger Aliec-AlejandroRodriguez-Martinez nicht nur das Publikum zum Mittanzen zwischen den Stuhlreihen, El Grupo de Bailar holte einige Zuschauer mit auf die Bühne.

Es wird gesungen, getanzt und manchmal sind in den Choreographien kleine Geschichten von Liebe, Leidenschaft und Eifersucht verpackt. Aber was wäre die ausgelassenste Revue ohne ihre Stars?

José Guillermo Publa Brizuela ist ein Entertainer in Anzug und typischem Herrenhut, er kann nicht nur singen, er weiß auch sein Publikum zu unterhalten. Es ist in die Wiege gelegt, er ist der Enkel von Carlos Puebla. Und natürlich singt er dessen „Commandante Che Guevara“. Unterstützt wird er dabei von Felicita-Ethel Frias-Pernia, dem weiblichen Star der Show. Jahrgang 1978 wurde sie von Omara Portuondo als „ebenbürtige Nachfolgerin“ angekündigt, stand mit Ibrahim Ferrer auf einer Bühne.

Der Dritte im Bunde der aktuellen „Pasión de Buena Vista“ ist Alfredo Montero-Mojena. Der 77-jährige singt mit einem butterweichen lyrischen Tenor, sorgte mit Klassikern wie „Besame mucho“ für die romantischen Momente des Abends. Wenn dann noch die Solotrompete kraftvoll einen Gegenakzent setzte, stellte sich diese spezielle Mischung aus Gefühl, Melancholie und tief verwurzelter musikalischer Tradition ein - um im nächsten Moment wieder von der Energie des son cubano, diesem mitreißenden Mix aus spanischen Melodien und afrikanischen Rhythmen weggetanzt zu werden.

Und natürlich dürfen auch die großen kubanischen Welthits nicht fehlen: „Chan chan“, „Quisas quisas“, „Guantanamera“. Das Publikum antwortete dem spanisch-englischen Sprachmix der Moderationen auf deutsch: „Zugabe!“