Dinslaken/Hünxe. Staatsanwalt geht von heimtückischem gemeinschaftlichen Mord aus. Dagmar E. wurde erstickt und in Unterwäsche im Wald vergraben. Ging es um 6000 Euro?

Als einzigen Verwandten gab Dagmar E. in ihrem Facebook-Profil ihren Sohn Alexander an. Er wohnte bei ihr, sie bezahlte ihm eine Ausbildung. Nun gestand der 24-Jährige, maßgeblich am Tod seiner Mutter beteiligt gewesen zu sein. Er war es, der die Ermittler zu ihrem Grab im Hünxer Wald nahe der Schwarzen Heide führte. Die Kripo Duisburg hat den Sohn und drei Freunde – drei Brüder (24, 20 und 18 Jahre) – festgenommen. Staatsanwalt Alexander Bayer geht von einem gemeinschaftlichen Mord aus Heimtücke aus. Offenbar ging es um 6000 Euro.

„Sehr emotionslos“

Dagmar E., die am 30. September 2014 zuletzt lebend gesehen wurde, wurde offenbar in ihrer Wohnung erwürgt. Als sie gefunden wurde, trug sie nur ihre Unterwäsche. Wer in welcher Form an der Tat beteiligt war, muss noch geklärt werden.

„Ich nehme die Schuld auf mich, aber lasst meine Brüder in Ruhe.“ Das sagte der Sohn bei der Polizei. Informationen, nach denen der 24-jährige autistische Züge aufweise, konnte die Polizei gestern nicht bestätigen. Der Verdächtige werde dahingehend untersucht. Allerdings kam er den Ermittlern „komisch vor.“ Ulrich Werner, Leiter der Mordkommission, bezeichnet ihn als „sehr emotionslos“. Alexander habe „Wesenszüge, die ungewöhnlich sind“ und „keine sozialen Kontakte“ – außer den drei Freunden, die er als seine Brüder bezeichnet.

Den ältesten der drei in Dinslaken lebenden Brüder hatte Alexander vor acht Jahren im Berufskolleg Dinslaken kennen gelernt. Der Vater der Brüder betreibt eine Trinkhalle in Wesel, die zuletzt zweimal ausgeraubt wurde. Weil die Familie nicht versichert war, lieh Dagmar E. dem ältesten Bruder im vergangenen Jahr 6000 Euro. Weil der 24-Jährige das Geld nicht zurückzahlte, bestellte ihn Dagmar E. für den 30. September 2014, den Tag ihres Verschwindens, in ihre Wohnung. Sollte die Rückzahlung nicht geregelt werden, drohte sie, zur Polizei zu gehen. Denn die 58-Jährige lebte offenbar über ihre Verhältnisse, hatte Geldsorgen: Sie konnte die Autoreparatur und die Wasserrechnung nicht bezahlen.

Davon hatte sie am Tag zuvor einer Freundin am Telefon berichtet, die die Polizei schließlich auf die richtige Spur führte. Auswertungen der Handydaten der Beschuldigten zeigten, dass zumindest eines der Handys am Tatabend zwischen 0 und 1 Uhr im Hünxer Wald eingeloggt war.

Außerdem hörten die Ermittler ein Telefongespräch zwischen den Verdächtigen ab. „Wenn wir zu dem Platz zurückkehren und alles wegmachen, haben die keine Beweise mehr. Aber das wäre aber das Ekeligste, was wir im Leben gemacht haben“, zitierte Ulrich Werner gestern den Inhalt.

Am Mittwoch vergangener Woche nahm die Polizei den Sohn und die drei Brüder fest. Der Sohn führte die Ermittler dann im Hünxer Wald „zielstrebig zu einem stillgelegten Bachlauf, der zugeschüttet war“, berichtete Ulrich Werner. „Da isse“ habe er dann gesagt und sich zum Auto zurückbringen lassen. Seither schweigen alle Tatverdächtigen. Der 24-jährige mutmaßliche Tathelfer soll während der Tatzeit in seiner Wohnung telefoniert haben. Sollte das Gericht der Anklage folgen, drohen ihm und Alexander lebenslängliche Haft, dem 20-Jährigen drohen 15, dem 18-Jährigen 10 Jahre Haft. Ob die 6000 Euro oder die 1000 Euro, die Alexander aus einem aufgelösten Bausparvertrag ausgezahlt bekam, das Motiv waren, oder ob es um die Eigentumswohnung des Opfers ging? Seine persönliche Einschätzung sei, dass sich die drei Brüder „als Parasiten an dem jungen Mann bedient haben“, so Werner.

Bei seiner Ausbildungsstelle zum Mediengestalter in einer Düsseldorfer Agentur erschien Alexander nach dem Verschwinden seiner Mutter nicht mehr. Die gemeinsame Wohnung verließ er, um bei den Brüdern zu leben. Für die regen sexuellen Kontakte, die Alexander seiner Mutter nachgesagt hatte, fand die Polizei bei den Ermittlungen keine Bestätigung.