Dinslaken. .
Raus aus Nazi-Deutschland. Rund 1000 Kinder wurden zwischen Dezember 1938 und Juni 1939 von jüdischen Hilfsorganisationen nach England, in die Niederlande und nach Belgien gebracht, in der Hoffnung, dass sie dort vor der Bedrohung durch die Nationalsozialisten geschützt seien.
Zwei Jahre Arbeit
Während die Kindertransporte ins sichere England heute in vielen Büchern detailliert dokumentiert sind, ist die Aufarbeitung der Schicksale derjenigen jüdischen Kinder und Jugendlichen, die in Belgien und den Niederlanden nach Kriegsbeginn verfolgt und deportiert wurden bzw. sich von dort aus auf die Flucht beispielsweise in die USA begaben, bislang lückenhaft. „In Deutschland gibt es kein Buch über die Kindertransporte in die Niederlande und nach Belgien“, so Anne Prior.
Letzteres wird sich allerdings im Sommer ändern. Zwei Jahre hat die Dinslakenerin, die seit vielen Jahren die Schicksale Dinslakener Verfolgter und Ermordeter durch das Naziregime aufarbeitet und Initiatorin und Vorsitzende des Vereins zur Verlegung der Stolpersteine in Dinslaken ist, für ihr Buch recherchiert. Nun befindet sich ihr Buch „Geben Sie die Kinder nicht auf!“ mit neuen Erkenntnissen über die Kinder des jüdischen Waisenhauses in Dinslaken beim Essener Klartext Verlag im Satz. Vier Transporte mit jeweils 250 Kindern organisierten jüdische Hilfsorganisationen aus Deutschland und Belgien. Eine Emigration, die vom belgischen Staat bewilligt war. Die Dinslakener Waisen gehörten im Dezember 1938 zu den ersten, die auf diesem Weg nach Belgien gelangten. Ihre Gruppe war vor der Abreise aus Köln auf 35 gewachsen: Besorgte jüdische Eltern aus benachbarten Städten schickten ihre Kinder mit ins vermeintlich sichere Nachbarland. 2013 begann Anne Prior ihre Recherchen für das Buch beim International Tracing Service ITS in Bad Arolsen. Im Gepäck eine Liste mit den Namen der jüdischen Waisenkinder aus Dinslaken, deren Schicksale bislang nicht geklärt waren. Anne Prior forschte weiter, nahm Kontakte nach Israel und in die USA auf. Sie stieß auf bewegende Schicksale, fand aber auch Überlebende.
Den Namen ein Gesicht geben
In Anne Priors Buch geht es um die Menschen. Man wird darin nicht nur Namen und Schicksale finden. Auch viele Fotos, darunter einige bislang nicht publizierte Aufnahmen, geben den Namen ein Gesicht. Menschliche Kontakte begleiteten Anne Prior bei der zweijährigen Arbeit an „Geben Sie die Kinder nicht auf!“. „Ich habe in den jungen Historikern, mit denen ich zusammentraf, viele ausgesprochen nette Leute kennengelernt.“