Berlin. Nach acht Jahren und sechs Staffeln geht die Serie um Queen Elizabeth II. zu Ende. Zum Finale geben die Macher noch einmal alles.
Die Queen am Filmprojektor. Sie legt selbst den Streifen ein. Auch wenn ihr das nicht gleich gelingt. Aber sie hat es doch gelernt. Und schickt sogar den Diener raus. Ganz allein sitzt sie im abgedunkelten Raum und sieht sich Privatfilme der Windsors an. Guckt auf ihre eigene Vergangenheit zurück. Es ist eine Schlüsselszene aus der letzten Folge der erfolgreichen Netflix-Serie „The Crown“. Und öffnet eine Meta-Ebene.
Weil hier Szenen aus der ersten Staffel laufen. Und so wie die Queen in dieser Szene, so haben ja auch die Zuschauer der Serie auf ihre Regentschaft geblickt, seit 2016 die erste Staffel startete. Und die Frage, die man sich immer stellte: Schauen die Windsors die Serie heimlich auch, auch wenn sie von ihr nicht immer amused sein dürften? – das werden wir wohl nie erfahren, aber auf diese Weise löst sich das doch ironisch ein.
„The Crown“: Der Blick durchs Schlüsselloch gehörte immer dazu
Über sechs Staffeln konnte man in dieser von Peter Morgan und Stephen Daldry konzipierten Serie die lange Regentschaft von Elizabeth II. verfolgen, erst jung und demütig gespielt von Claire Foy (mit Matt Smith als Prinzgemahl Phillipp), dann in älter und deutlich ruppiger von Olivia Colman (nun mit Tobias Menzies an ihrer Seite), zuletzt, wieder gütiger, ja fast schon altersmilde von Imelda Staunton (neben Jonathan Pryce). Dabei verfolgte die Serie immer zweierlei: Zum einen war da, natürlich, der Blick durchs Schlüsselloch in das Top-Secret-Privatfamilie der Windsors. Ein bisschen Voyeurismus gehörte immer zu der Serie.
Zum anderen aber war es auch eine Reise durch die jüngere Zeitgeschichte Großbritanniens, wobei jede Folge, in sich abgeschlossen, ein besonderes Schicksalsdatum im Fokus hatte. Mit dem Auftritt von Lady Diana (erst verhuscht von Emma Corin, dann mit trotzigem Stolz von Elizabeth Debicki gespielt) wurde dieses schön-strenge Konzept e aufgeweicht. Die Serie drohte zum seichten Herzschmerz zu verkommen, eine royale Soap Opera Und da konnten die Paparazzi, die Lady Di verfolgten, noch so sehr kritisiert werden: Irgendwie machte die Serie doch dasselbe und stellte schonungslos ihr Liebesleben aus.
Mit dem tragischen Unfalltod von Lady Di sollte die Serie ursprünglich enden. Es hätte sich dann auch ein Kreis geschlossen, weil Drehbuchautor Peter Morgan seine Beschäftigung mit der Königsfamilie 2005 mit dem Kinofilm „The Queen“ (mit Helen Mirren in der Titelrolle) begann, in dem es um die direkte Reaktion des Königshauses auf den Unfalltod ging.
Spoiler Alarm: Die Serie endet mit der „Operation London Bridge“
Aber wie das so ist mit Erfolgen: Man kann nicht aufhören. Und so wurde auch noch eine sechste Staffel entwickelt. Und diese wurde – ähnlich wie große Kinoserien, bei denen der letzte Film in zwei Teile zerdehnt wird - in zwei Häppchen serviert. Die ersten vier Folgen bis zu Dis Tod sind bereits seit vier Wochen zu streamen. Nun folgten die verbleibenden sechs. Und, so makaber das ist, der Tod bekam der Serie gut. Weil sich die Macher nun wieder auf ihr früheres Konzept besonnen haben.
Weil sich die Serie nun wieder auf einzelne Daten fokussiert und die Familiengeschichte darum herum spinnt. Es ist ein Kommen und Gehen: Erst stirbt Prinzessin Margareth (Lesley Manville), dann die Queen Mum (Marcia Warren). Dafür tritt William (Ed McVey) als neuer Traumprinz auf, der wie seine Mutter unter der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit leidet und deshalb seine Kate (Meg Bellamy) fast verliert, noch bevor er sie richtig kennengelernt hat. Und Harry (Luther Ford) schlüpft in das berüchtigte Nazikostüm.
Die Frage war nur, wie wohl die letzte Staffel zu Ende gehen würde. Eine Serie, die damit begann, dass Elizabeth Windsor zur Queen ernannt wurde, müsste eigentlich mit ihrem Tod enden. Der aber ist erst 14 Monate her. Das wäre nicht nur taktlos, es wäre auch zu nah gewesen. Aber die naheliegende Alternative, das 50-jährige Thronjubiläum, ist es auch es nicht geworden. Das gibt den Stoff für die vorletzte Folge.
Ein Wiedersehen mit den früheren Queen-Darstellerinnen
Wie also kommt die Serie zu ihrem Ende? Achtung Spoiler Alarm! Mit einer echten Überraschung: „Operation London Bridge“. Die Vorbereitung auf das Staatsbegräbnis von Elizabeth. „Ist das nicht ein wenig zu früh?“, fragt die Königin, die da noch nicht mal 80 ist. Aber so laufen die Regularien eben. Auf einer langen Tafel wird das schon mal veranschaulicht, mit einem kleinen Palast-Modell und einer Parade voller Zinnsoldaten. Die Queen bückt sich herab und schaut auf die Kutsche mit dem Sarg. Ein echter Gänsehaut-Moment, bei dem man sofort an die Fernsehbilder vom Vorjahr denken muss.
Es ist auch die Folge, in der die Queen endlich ihrem Sohn Prinz Charles die Erlaubnis gibt, Camilla Parker-Bowles zu heiraten, und auf der Hochzeit sogar eine Rede hält, die niemand vorher gelesen hat. Man erinnere sich dunkel an die Gerüchte damals, ob sie zu dieser Gelegenheit abdanken werde. Und auch das wird thematisiert. Da tritt noch einmal die resolute Queen der Olivia Colman auf, die ihrem älteren Ego Imelda Staunton vorhält, sie solle sich eingestehen, wie müde sie sei. Aber dann kommt auch die junge Claire Foy, die sie erinnert, was sie selbst einst gelobt hat: bis zum Ende für ihr Volk da zu sein.
Es ist eine hübsche Idee, alle drei Queen-Darstellerinnen noch einmal zusammenzubringen, die jüngeren quasi als innere Stimmen des Gewissens. Zwischendurch wurde die Serie gescholten, dass sie zu spekulativ sei, dass sie die Windsors zu scharf zeichne. Dabei war eigentlich immer das Gegenteil der Fall. Man zeigte sie viel empathischer, als man es den Vorbildern nachsagt. Mit der letzten Staffel und insbesondere der letzten Folge aber schließt sich ein Kreis. Damit geht, was nur selten gelingt, eine kühne und starke Serie rund, gefühlvoll und auch, ja, das Wort sei erlaubt, würdig zu Ende.
The Crown: Staffel 6, auf Netflix.