Oberhausen. Nur jeder Fünfte nutzt die Darmspiegelung. Viele Krebsvorstufen bleiben so zu lange unentdeckt. Weshalb aber zögern so viele Patienten dennoch?

Darmkrebs gilt bereits als zweithäufigste Tumorerkrankung bei Frauen und dritthäufigste bei Männern in Deutschland. Dies belegen Daten des Robert Koch-Instituts. Dennoch nutzt auch in Oberhausen nur jeder fünfte Patient die von den Kassen bezahlte Darmspiegelung (Koloskopie) zur Krebsvorsorge. Allein in der Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen wurden im Jahr 2022 rund 600 dieser Untersuchungen durchgeführt. In 33 Prozent der Fälle wurden dabei Adenome entfernt (Krebsvorstufen), bei acht Prozent sogar Malignome (bösartige Tumore). Weil aber nur 20 Prozent der Berechtigten diese Untersuchung überhaupt nutzen, bedeutet dies allein auf diese Zahlen hochgerechnet: Mehr als 200 Oberhausenerinnen und Oberhausener dürften bereits an Krebs erkrankt sein – ohne es zu ahnen.

Doch was schreckt so viele Patientinnen und Patienten ab? Weshalb zögern sie die Darmspiegelung so lange hinaus? Damit auch Ihnen hoffentlich erspart bleibt, was so viele andere durchleiden müssen, habe ich beschlossen, meine eigene Geschichte öffentlich zu machen.

Das war knapp. Der Arzt sagte sogar: „Es war später als fünf vor zwölf!“ Dabei habe ich doch nur das getan, was so viele tun: meine Vorsorge-Untersuchung auf die lange Bank geschoben. Die Kontrolltermine zur Hautkrebs-Vorsorge nehme ich stets pünktlich wahr. Das Gleiche gilt für die Krebsvorsorge bei meiner Gynäkologin. Meine Hausärztin wies mich allerdings schon vor Jahren darauf hin: „Ab dem 55. Lebensjahr steht Frauen eine Darmspiegelung zur Krebs-Vorsorge zu, für Männer gilt dies bereits ab dem 50. Lebensjahr!“ Hm, unangenehmes Thema. Genau diese Untersuchung passte irgendwie nie in meinen Alltag. Dieses literweise Trinken des Abführmittels – und dann auch noch dieser Nachmittag, an dem man nur über der Toilette hängt. Je nach Präparat geht es früh morgens am nächsten Tag mit der Prozedur sogar weiter. Nein, dafür hatte ich keine Zeit (und darauf hatte ich vor allem keine Lust).

Ein Foto zur Beruhigung für den Sohn: Redakteurin Barbara Hoynacki direkt nach der Tumor-Operation im Krankenhaus.
Ein Foto zur Beruhigung für den Sohn: Redakteurin Barbara Hoynacki direkt nach der Tumor-Operation im Krankenhaus. © Unbekannt | Frank Hoynacki

Nun schreibe ich aber ausgerechnet häufig über Gesundheitsthemen und habe mit Ärzten aus Oberhausen bereits Telefon-Aktionen zur Darmkrebs-Vorsorge begleitet. Auch daher wusste ich: „Diese Darmspiegelung rettet Leben!“ Trotzdem dachte ich leichtsinnigerweise: Klar, das der anderen, aber meines doch nicht. Ich hatte nichts. Jedenfalls spürte ich nichts.

Der Moment des Erwachens

Meine Hausärztin blieb hartnäckig. Also meldete ich mich endlich für diesen Sommer an – und bat wenig später meinen Mann, den Termin für mich zu verschieben. Schließlich wollten wir in wenigen Wochen in den Urlaub fahren. „Das passt jetzt gar nicht!“, begründete ich meinen Entschluss. „Mama, das machst du jetzt!“, hielt unser Sohn sofort dagegen. „Augen zu und durch!“, meinte auch mein Mann. Also biss ich die Zähne zusammen und zog die Sache tatsächlich durch.

Das Abführen war nicht so schlimm wie befürchtet. Von der eigentlichen Untersuchung – wie üblich auch in meinem Fall bei einem niedergelassenen Gastroenterologen durchgeführt – bekam ich dank eines Schlafmittels gar nichts mit. Den Augenblick des Erwachens aber werde ich wohl nie vergessen. Mein Arzt beugte sich über mich, legte seine Hand auf meinen Arm und sagte sanft: „Sie haben einen Tumor im Darm, der muss raus, dafür müssen Sie aber in ein Krankenhaus.“ Er habe bereits Gewebeproben entnommen. Das Ergebnis sollte ich in ein paar Tagen erhalten. Damit hatte ich nicht gerechnet. Mit einem harmlosen, kleinen Polypen, der gleich bei der Spiegelung mit entfernt werden kann, ok. Das kommt mit zunehmendem Alter vor. Aber das? Und was heißt eigentlich Tumor? Habe ich jetzt Darmkrebs?

Die Gewebeprobe ergab: Der Tumor war gutartig. Ich atmete auf. Entwarnung also? „Dann kann ich mir mit der Operation doch Zeit lassen“, schlussfolgerte ich im Telefongespräch mit der Arzthelferin. Doch diese drängte: „Nein, Sie holen sich sofort einen OP-Termin und wenn das nicht schnell genug klappt, sagen Sie uns Bescheid, dann kümmern wir uns.“ Ihr resoluter Ton machte mich stutzig. Ich legte auf und nahm den Hörer sofort wieder in die Hand. Keine 14 Tage später sollte ich in meinem Wahlkrankenhaus zur Voruntersuchung erscheinen. Mein Mann begleitete mich. Als ich die Stationstür öffnete, griff ich unwillkürlich nach seiner Hand. Es war die Krebsstation.

Risiken sind Darmwand-Durchbrüche und eine Bauchfellentzündung

Menschen mit kahlen Köpfen und Masken vor dem Mund trainierten an Rollatoren in Begleitung von Pflegekräften mühsam, einen Fuß vor den anderen zu setzen. „Das machen Sie gut, Frau Meier!“, hörte ich wie durch eine Nebelwand. Mir war plötzlich eiskalt. Diese bislang gut verdrängte Möglichkeit traf mich mit Wucht: „Das hier ist ernst.“ Mein Mann hatte den gleichen Gedanken, ich las es in seinen Augen.

Nur jeder Fünfte nimmt die Darmspiegelung in Anspruch

Adenome gelten als mögliche Krebsvorstufe. Etwa zwei Drittel aller entdeckten Darmpolypen fallen in diese Kategorie. Sie haben das Potenzial, sich über Monate oder Jahre hinweg zu Krebs zu entwickeln. Darmkrebs ist aktuell die zweithäufigste Tumorerkrankung bei Frauen und die dritthäufigste bei Männern in Deutschland. Dies belegen Daten des Robert Koch-Instituts.

Dr. Friedrich Teikemeier, Chefarzt Innere Medizin, Gastroenterologie und Kardiologie an der Helios St. Elisabeth Klinik in Oberhausen, erläutert: Die gängigen Methoden zur Früherkennung bei Darmkrebs sind dieDarmspiegelung (Koloskopie) und der Stuhltest.

Bei einer Koloskopie handelt es sich um eine Untersuchung des Dick- und Mastdarms mithilfe eines Endoskops. In der Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen wurden 2022 rund 600 Koloskopien durchgeführt. In 33 Prozent der Fälle wurden Adenome (Vorstufen), bei acht Prozent Malignome (bösartiger Tumor) entfernt.

Die Patientinnen und Patienten waren zwischen 52 und 79 Jahren alt. Je eher Darmkrebs erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Trotzdem nehmen nur rund 20 Prozent der Deutschen das von den Krankenkassen bezahlte Darmkrebs-Screening in Anspruch, auf das Männer ab 50 Jahren und Frauen ab 55 Jahren einen Anspruch haben – Oberhausen ist hier keine Ausnahme.

Dann erfuhr ich: In 30 Prozent aller Fälle ist ein rund zwei Zentimeter großer Darmtumor wie der meine bereits bösartig. Auch wenn die Gewebeprobe noch gutartig ausfällt, heißt das nicht, dass der Tumor in allen Gewebeteilen komplett gutartig ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich bereits Krebszellen gebildet haben, ist groß. Die Entfernung eines derartig flachen Adenoms in dieser Größenordnung ist außerdem nicht ohne Risiko. In meinem Fall kommt die Piece-Meal-Technik zum Einsatz. Das bedeutet: Der Tumor kann im Rahmen einer Koloskopie nicht im Ganzen abgetragen werden, sondern wird Stück für Stück gewissermaßen abgeknabbert. Dabei kann es zur Verletzung der Darmwand kommen und in der Folge zu einer lebensbedrohlichen Bauchfellentzündung.

Ich bin geschockt, aber ich weiß: „Da muss ich durch!“ Die Operation gelingt, der Tumor kann restlos entfernt werden. Bei der Gewebeanalyse aber werden tatsächlich schon erste entartete Zellen entdeckt. Doch da der Tumor noch keinen Kontakt mit Blutbahnen oder Lymphgefäßen hatte, ist keine weitere Behandlung erforderlich. Chemotherapie und/oder Bestrahlung bleiben mir erspart. Die nächste Kontrolluntersuchung ist in sechs Monaten. Diesen Termin werde ich garantiert nicht verschieben.

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