Bochum. Dieter Hecking verbreitet an seinem ersten Arbeitstag als Trainer des VfL Bochum Optimismus, bleibt dabei aber realistisch.

Mal hielt Dieter Hecking die Arme hinter dem Rücken verschränkt, mal hielt er die Finger ans Kinn. Der neue Trainer des VfL Bochum stand etwas abseits, beobachtete aber genau, wie sich seine Spieler in der strahlenden Sonne verhielten. Er wolle sich erst selbst einen konkreten Eindruck machen, wie sich alle geben, was er von ihnen erwarten könne, sagte er später. Die Einheiten unterbrach er deshalb nicht, versammelte die Spieler erst nach Ende der Übungen im Kreis, sprach Dinge an, die ihn störten, die ihm gefielen. Es waren klare Ansprachen, die zum Teil auch die rund 100 Fans vor Ort wahrnahmen.

Genauso klar war Hecking dann auch gut zwei Stunden später bei seiner ersten Pressekonferenz in seinen Aussagen. „Wir müssen uns auf die Werte des VfL Bochum zurückbesinnen. Es war immer der Zusammenhalt innerhalb der Kabine und des Vereins. Und das Zusammenspiel mit den Fans. Ich hoffe, dass wir das Feuer wieder entfachen können“, sagte der 60-Jährige, als er auf dem Podium im Ruhrstadion saß. Die Mannschaft müsse nun endlich eine Einheit werden.

VfL Bochum auch nach zehn Spielen keine Einheit

Davon ist auch Anfang November bislang wenig zu sehen. „Wir haben uns als Mannschaft noch nicht gefunden, das muss man ganz klar sagen“, sagte Kapitän Anthony Losilla bereits am Vormittag. Heckings dringlichste Aufgabe wird nun sein, dies zu ändern. Wenngleich er die Spieler dafür mit in die Pflicht nahm. Er selbst könne nicht versprechen, dass es mit ihm gelingen wird, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Aber: „Es muss das vorrangige Ziel sein, die Mannschaft zu stabilisieren.“ Wie viel er auf eine Rettung setzen würde? „Sechs Euro“, sagte er scherzhaft, weil er vor dem Relegationsrückspiel keine fünf Euro mehr auf den VfL Bochum gesetzt hätte.

Dieter Hecking während seiner ersten Pressekonferenz.
Dieter Hecking während seiner ersten Pressekonferenz. © dpa | David Inderlied

Der Klassenerhalt wird eine Mammutaufgabe für Hecking, der für seine Wahl, beim VfL zu unterschreiben, im privaten Umfeld auch Unverständnis entgegengebracht bekommen habe. Auch er selbst sei zur Halbzeit des 2:7-Debakels gegen Eintracht Frankfurt am vergangenen Wochenende noch einmal spazieren gegangen und habe sich hinterfragt, ob er die Entscheidung wirklich so treffen wolle. Dann habe er sich aber gesagt: „Ich liebe Herausforderungen. Ich packe es an!“

Das tat er dann auch am Dienstagmorgen bereits, nachdem er sich noch am Montag auf der Geschäftsstelle und beim Präsidium vorgestellt hatte. Um halb neun waren die ersten Spieler am Morgen dann in der Kabine, er habe zehn bis 20 Sätze an sie gerichtet, um sie darauf vorzubereiten, was sie nun erwartet. „Wir wollen unangenehm sein“, sagte Hecking., der sich selbst als fußballbekloppt bezeichnet. „Wir müssen ans Arbeiten denken.“ Dabei gehe es auch um Schnelligkeit im Umschalten, das habe er bereits in den letzten Spielen beobachtet, dass dies nicht immer umgesetzt wurde. „Es wird nicht der filigrane Fußball sein. Wir brauchen Leidenschaft und Emotionen, aber müssen auch Fußball spielen.“

VfL Bochum: Dieter Hecking von Mannschaft überzeugt

Dass seine Mannschaft dies könne, davon scheint er überzeugt. „Es ist eine gute Mischung da, ich glaube auch, dass Qualität da ist, die nicht homogen ist“, sagte er. Ibrahima Sissoko und Dani de Wit seinen richtig gute Fußballer. „Aber wo sind die Rollen? Wo sehen sie sich? Da waren Vakanzen da“, sagte Hecking. Die Spieler hätten nicht immer da gespielt, wo es sie ihre Stärken am besten hätten abrufen können. Dies wolle er nun ändern, nutze dafür die vier Trainingseinheiten bis zum Spiel gegen Bayer Leverkusen am Samstag (15.30 Uhr, Sky). Klar sei, dass er die Richtung vorgeben wird.

Schon am Vormittag leitete Dieter Hecking das erste Training.
Schon am Vormittag leitete Dieter Hecking das erste Training. © Jürgen Fromme/firo Sportphoto | Jürgen Fromme

Auch aus diesem Grund fiel die Wahl von VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig auf Hecking, obwohl dieser seit 2020 nur in 14 Spielen an der Seitenlinie stand, zwischendurch vier Jahre als Sportvorstand beim 1. FC Nürnberg arbeitete. Er sei ein erfahrener Trainer. „Wir wollten einen Trainer, dem man die Mannschaft und die Kommunikation anvertrauen kann“, sagte der Schweiter. „Dieter kennt das Geschäft aus vielen Facetten“, so Kaenzig. „Wenn es menschlich und vom Timing her passt, braucht es auch etwas Glück. Entscheidend war, keinen Fehler zu machen. Die Patrone, der Schuss muss sitzen. Das war uns bewusst.“ Mit Hecking meinen die VfL-Verantwortlichen, diesen Mann für eine „historische Aufgabe“ gefunden zu haben.

Hecking selbst bemühte sich, die Erwartungshaltungen nicht zu hochzuschrauben. „Ich bin nicht der Messias, ich bin kein Zauberer“, sagte er. Er wolle ein Anker sein. Und wenn er dann mal unzufrieden sei, dann „ist meine Castroper Schnauze schnell auf“.