Wesel. .
Der eine fragt, ob bei Regen wirklich Training sei, der nächste trödelt lange in der Kabine. Es folgt eine Anfrage an den Trainer, ob dieser nicht die Schuhe des Kickers schnüren könne. Thomas Fürst bleibt gelassen, weiß, wer das auch selbst kann und wer nicht. Diese Souveränität, die der Coach in dem munteren Treiben am Molkereiweg ausstrahlt, ist wohl Grundvoraussetzung, wenn man ein Integrationsteam betreut.
„Am Anfang waren wir Exoten hier, mittlerweile sind wir gern gesehen“, erläutert Fürst, Initiator der Idee einer organisierten Fußball-Mannschaft für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung beim PSV Lackhausen. Für das erste Turnier 2009 bei der Lebenshilfe Bocholt startete das I-Team noch als Wilde Kerle Wesel. Der PSV stellte die neutralen Trikots, wollte namentlich aber (noch) nicht genannt werden. „Ein Jahr später hatte ich Heinz Wittig überzeugt und Daniel Busch hat als Jugendkoordinator unsere Idee unterstützt“, erinnert sich der Ingenieur.
Durch die Autismus-Spektrum-Störung seines Sohnes Florian wurde Fürst mit diesem Thema konfrontiert und merkte schnell, dass es in Sachen Integration im Fußball in Deutschland mehr Kampagnen als Taten gibt. „Da sind die Holländer viel weiter.“ Für die Kinder, wie auch Sohn Florian feststellen musste, ist häufig sogar in den vierten oder fünften Nachwuchsmannschaften kein Platz. Und um als Mannschaft für den Behinderten-Sportverband zu starten, müssen Trainer sehr zeitintensive Kurse und Ausbildungen absolvieren.
Zwar hat Fürst mit seinem Trainerkollegen Jörg Hess einen ausgebildeten Fachmann an seiner Seite, doch auch der betont: „Bei dieser Sache sind Herz und Bauch gefragt, nicht das fachliche Können. Unser Ziel ist, über den Spaß am Spiel die Motivation zu schüren. Das Wichtigste ist, dass die Kinder mit Freude zum Training kommen und immer wieder Erfolgserlebnisse sammeln.“
Von Union Mülheim hatte Fürst den Tipp bekommen, sich doch einfach als Team beim FVN anzumelden. Zwar ist man auch dort noch von organisierten Spielrunden für I-Teams entfernt, „aber die Dinge werden ins Rollen gebracht. Anfang 2013 hatte sich der Beauftragte für Behindertenfußball im FVN, Axel Müller vom SV Oppum, bei mir gemeldet. Die Mannschaften und Ansprechpartner kennen sich untereinander und es gibt regelmäßig Turniere“, so Fürst. „Geplant sind Spielbetrieb für die U15 in Turnierform und echte Ligaspiele für die U19. Wir warten sehnsüchtig auf unser erstes offizielles Spiel.“ Die potenziellen Gegner wären Alemannia Pfalzdorf, Union Mülheim oder BV Weckhoven.
Trainieren wie die Profis
Fehlen werden dem PSV dann möglicherweise bereits seine beiden herausragenden Kicker. Nicolai Antkowiak (18) und Kai Hempel (17) werden im Sommer, beziehungsweise Oktober zum Fußball-Leistungszentrum nach Frechen wechseln. Dort herrscht dank der Unterstützung der Gold-Kraemer-Stiftung das Motto „Trainieren wie die Profis“. Von dort haben es Spieler schon in die Nationalmannschaft für Menschen mit Behinderung – in Sachen Integration aber noch viel wichtiger, in den regulären Fußball-Spielbetrieb geschafft.
„Mehr Gegner, mehr Spaß“, meint Kai, der mit Nicolai derzeit noch die Schule am Ring besucht und sich mit seinem Kollegen auf den Wechsel Richtung Köln freut. Dass die Mitspieler beim PSV derzeit teilweise in BVB-Trikots zum Training kommen, ist den beiden Gelsenkirchenern und natürlich eingefleischten Schalke-Fans egal. „Sie dürfen nur nicht frech werden!“
Strömender Regen erschwert die Kopfbälle für die Kamera, die guten Ansätze sind dennoch zu erkennen. „Es ist schwer zu sagen, wie weit es die beiden schaffen können“, sagt Jörg Hess. „Fußballerisch haben sie eine Menge drauf und spielen auch gut zusammen. Aber Kognition hat nicht viel mit Können zu tun.“
Grundlegende Dinge wie die Mauerbildung oder auch die Vermeidung von Querpässen vor dem eigenen Tor sind immer wieder Thema beim Training. „Für die Entwicklung wäre es sehr wichtig, solche Jungs auch mal in den regulären Teams mittrainieren und spielen zu lassen“, erklärt Thomas Fürst, gleichzeitig auch noch Geschäftsführer der PSV-Fußballjugend. „Dabei müssen alle Beteiligten natürlich Geduld haben.“
Für Kai und Nicolai scheint sich das Engagement und die Geduld ihrer Trainer nun auszuzahlen
Die hohen Ausbildungshürden beim Behindertensportverband für Trainer sind eher Ausgrenzung als Integration. Dabei ist es unser größtes Problem, genug Trainer zu finden. Nur mit genügend Trainern ist Nachhaltigkeit gewährleistet“, erläutert Thomas Fürst. „Kinder mit geistiger Behinderung, die gerne Fußball spielen würden, gibt es genug. Leider tun sich häufig auch die Väter dieser Kinder schwer, Trainer zu werden.“ Beim PSV Lackhausen haben sich mit den jungen Dustin Wolters und Patrick Schütz erfreulicherweise zwei weitere Helfer für das I-Team gefunden.