Am Niederrhein. Das sagen die Trainer in Wesel, Hamminkeln und Umgebung zur anstehenden Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land.
Am Freitag möchte die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der UEFA Europameisterschaft 2024 im eigenen Land damit beginnen, ein neues Sommermärchen zu schreiben. Dazu gehören natürlich Erfolge wie der angestrebte Sieg im Auftaktspiel gegen Schottland. Doch wie weit kann es für die Nagelsmänner gehen? Und wer sind die großen Favoriten? Wir haben die lokalen Trainer gefragt.
„Deutschland ist ein bisschen wie der SV Bislich: Wenn sie voll fokussiert sind, können sie gerade zu Hause richtig guten Fußball spielen - aber es fehlt die Konstanz“, sagt Aycin Özbek, der es wissen muss, denn er ist der Trainer des A-Ligisten SV Bislich und wird dies in der kommenden Spielzeit auch noch eine letzte Saison sein. Wenig überraschend schlägt Özbeks Herz aber auch für die Türkei. „Sie können auch eine gute Rolle spielen, sie haben eine gute Offensive. Aber für eine große Überraschung wird es nicht reichen, dafür ist die Defensive zu schwach.“ Überhaupt glaubt Özbek nicht daran, dass es bei der kommenden EM einen Überraschungssieger geben wird: „Nein, die Rehhagel-Zeiten, wo man mit zehn Abwehrspielern ein Turnier gewinnen konnte, sind vorbei. Sicherlich braucht man eine sehr gute Abwehr, um Titel zu gewinnen, aber nur hinten reinstellen geht nicht mehr, dafür ist das Spiel insgesamt zu schnell geworden.“ Und wer gewinnt? „Klar kann Deutschland es schaffen - wenn sie fokussiert bleiben. Aber die größeren Favoriten sind für mich England und Frankreich.“
„Die Offensive kann richtig Alarm machen, aber die Defensive bereitet mir doch Sorgen“
„Entweder wird die EM für Deutschland sportlich richtig erfolgreich - oder das nächste Fiasko“, prognostiziert Dennis Reddmann, Coach des A-Ligisten VfR Mehrhoog. „Ich finde gut, dass die Mannschaft jung und hoffentlich auch hungrig ist. Die Offensive kann richtig Alarm machen, aber die Defensive bereitet mir doch Sorgen. Schottland ist kein Fallobst, die haben absolut nichts zu verlieren und werden sich zerreißen. Wenn Deutschland das Auftaktspiel verliert, steht die Mannschaft direkt wieder mit dem Rücken zur Wand. Und das ging in den letzten Turnieren ja nicht so gut aus.“ Favorit ist für Reddmann ganz klar Frankreich: „Sie sind offensiv einfach bärenstark und haben zudem viel Erfahrung im Team. England hat sicherlich auch viel Qualität in der Mannschaft, aber da finde ich den Trainer nicht so dolle.“
„Ich hoffe natürlich Deutschland - aber ich bin da sehr skeptisch“, beantwortet Björn Assfelder die Frage, wer denn seiner Meinung nach Europameister wird. „Die letzten Spiele waren nicht viel besser als die schlechten davor. Da ist viel Ballbesitz und viel Spiel um den Sechzehner herum, fast wie beim Handball, aber es kommt zu wenig dabei rum“, so der Trainer des Landesligisten PSV Lackhausen. „Und dann ist da auch immer noch die schlechte Restverteidigung. Ein schlechter Pass und schon geht es 60, 70 Meter rückwärts, wo häufig zwei Innenverteidiger auf sich alleine gestellt sind. Das passiert zu oft und kann auf Dauer nicht gut gehen.“ Überhaupt fragt sich Assfelder, mit welcher Spielphilosophie sich der DFB derzeit eigentlich identifiziert: „Nachdem man erfolglos versucht hat, den spanischen Tiki-Taka zu kopieren, sollen es jetzt Eins-gegen-Eins-Spieler richten. Aber es ist nun mal viel leichter zu verteidigen, als anzugreifen. Klar kann Deutschland mit der Euphorie im eigenen Land weit kommen - wenn wir denn diesmal die Gruppenphase überstehen. Den Anspruch, das Halbfinale oder Endspiel zu erreichen, sollte Deutschland als Fußballnation auch haben, den haben Länder wie England, Frankreich, Spanien oder Italien aber auch. Und auch die Türkei dürfte viel Unterstützung in den Stadien haben und könnte davon beflügelt werden.“
Jupp Tenhagen schaut die Euro 2024 gemütlich vor dem Fernseher
Dirk Juch, Sportlicher Leiter bei BW Dingden, traut der DFB-Elf im eigenen Land auch den Titel zu. „Ganz wichtig ist aus meiner Sicht dabei aber der Start gegen Schottland“, sagt Juch. Der langjährige Dingdener Coach hat die Arbeit von Julian Nagelsmann in den letzten Monaten wohlwollend zur Kenntnis genommen, „auch wenn die letzten beiden Auftritte wieder nicht ganz so überzeugend waren.“ Für Juch sind auf dem Weg zum Titel „die üblichen Verdächtigen“ wie Frankreich, Spanien, Kroatien oder die Niederlande die größten Konkurrenten. Sein Geheimfavorit ist Österreich.
Einer, der weiß, wie es ist, für die Nationalmannschaft aufzulaufen, ist Franz-Josef „Jupp“ Tenhagen. Der gebürtige Millinger absolvierte seinerzeit drei Partien für das DFB-Team. „Ich traue der Mannschaft einiges zu, denn die Spiele zuletzt waren sehr positiv. Ob es für den ganz großen Wurf reicht, ist schwer zu sagen, aber ich denke, dass das Halbfinale auf jeden Fall drin ist“, so der frühere Trainer des 1. FC Bocholt. Die Spiele der Nagelsmann-Elf wird der Ex-Profi gemütlich vor dem Fernseher schauen. „Public Viewing ist nichts für mich, ich denke, ich gucke mir die Partien gemeinsam mit Freunden an“, erklärt der 71-Jährige, der aktuell im Aufsichtsrat des VfL Bochum sitzt. Und der Besitzer eines Sportgeschäftes hat ebenfalls die üblichen Verdächtigen auf dem Schirm: „Ich glaube, dass Frankreich, England und Deutschland die großen Favoriten sind und einer dieser drei Mannschaften das auch machen wird.“