Leipzig/Hamminkeln. Janis Blaswich steht jetzt auf der ganz großen Fußball-Bühne. So erlebt der beim VfR Mehrhoog groß gewordene Keeper seine Zeit bei RB Leipzig.

Seinen Spitznamen verdankt das Stadion, das auch wegen seiner nah am Spielfeldrand steil heraufragenden Tribünen zu den beliebtesten Sportstätten Großbritanniens zählt, dem angrenzenden Friedhof. „Paradise“ haben die für ihr so leidenschaftliches wie friedvolles Auftreten bekannten Anhänger des irisch-katholisch geprägten Fußball-Klubs ihre Arena getauft. Janis Blaswich hatte natürlich schon eine Vorahnung, was da am Dienstagabend im Celtic Park von Glasgow auf ihn zukommen würde, doch die Realität übertraf dann schließlich noch alle Erwartungen.

„Eigentlich kann man sich gar nicht vorstellen, was da los ist“, schwärmt der Torhüter von RB Leipzig am Tag nach der Rückkehr aus Schottland. Für den 31-jährigen Keeper vom Niederrhein, der sich als Dreikäsehoch beim kleinen VfR Mehrhoog zum ersten Mal zwischen die Pfosten stellte, ist mit der Champions-League-Partie beim europäischen Kultverein ein weiterer Traum in Erfüllung gegangen. „Ein absolutes Highlight“, sagt Blaswich, der die Atmosphäre „noch einmal ganz anders genießen“ konnte, als der für das angestrebte Weiterkommen in der Königsklasse so wichtige 2:0-Erfolg seines Bundesligisten unter Dach und Fach war: „Vorher lag der Fokus natürlich voll auf dem Spiel.“

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Es sind allgemein aufregende Tage für Blaswich, der nach neun Jahren beim VfR Mehrhoog in der Jugend von Borussia Mönchengladbach zum Fußball-Profi reifte und in den vergangenen vier Jahren in der niederländischen Provinz beim beschaulichen Ehrendivisionär Heracles Almelo mit stetig guten Leistungen überzeugte. Der Traum von der Bundesliga hat den Mann, der zuvor aus Gladbach in die dritte Liga nach Dresden und Rostock ausgeliehen worden war, aber nie losgelassen.

Und so nahm Blaswich im Sommer das RB-Angebot an. In Leipzig war der Mehrhooger als klare Nummer zwei hinter dem ungarischen Nationaltorhüter Péter Gulácsi eingeplant, doch schon am 20. August durfte Blaswich für den angeschlagenen Stammkeeper bei Union Berlin (1:2) erstmals ran.

„Hätte mir andere Umstände gewünscht“

Vor anderthalb Wochen folgte der erste Einsatz in der Königsklasse. Beim 3:1 im Hinspiel über Celtic musste Blaswich nach 13 Minuten sofort zur Stelle sein, weil sich Gulácsi eine schwere Knieverletzung zuzog, die sich später auch als der befürchtete Kreuzbandriss herausstellte. Im Team von Marco Rose ist Janis Blaswich nun auf absehbare Zeit die Nummer eins. Der sagt selbst: „Es ist keine einfache Situation. Wir verstehen uns hier in Leipzig als Torwart-Team und wir versuchen ,Pete‘ in jeglicher Form zu unterstützen. Natürlich hätte ich mir andere Umstände gewünscht. Ich will vor allem der Mannschaft einfach helfen, die sportlichen Ziele zu erreichen.“

Bislang klappt das sehr gut. Obwohl nach dem Gulácsi-Schock gerade von außen viel auf Blaswich eingeprasselt ist und der Torhüter plötzlich zu einem der gefragten Gesprächspartner in Leipzig wurde, bringt der Mehrhooger seine Leistung. Sein großer Erfahrungsschatz hilft ihm dabei.

Immer noch Kontakt zur Mehrhooger Clique

„Natürlich kann es auch als 19-Jähriger gut gehen, wenn du in einer solchen Situation bist. Aber die vielen Spiele, die ich in den letzten Jahren machen konnte, helfen mir natürlich enorm, und ich hoffe, ich kann die nötige Ruhe ausstrahlen“, sagt Blaswich, der sich mit seiner Frau und dem mittlerweile zweijährigen Sohnemann gut in Leipzig eingelebt hat: „Es ist eine tolle Stadt, in der man viel unternehmen kann. Natürlich ist es aber auch immer schön, wenn man im Sommer oder Winter auch mal Zeit hat, um in die Heimat zu fahren.“

Samstagabend gegen Hertha BSC

Sein viertes Bundesligaspiel bestreitet Janis Blaswich am Samstagabend (18.30 Uhr) gegen Hertha BSC Berlin. Bereits bei Union Berlin (1:2), gegen den VfL Wolfsburg (2:0) und beim FSV Mainz 05 (1:1) hatte der 31-Jährige Péter Gulácsi ersetzt. Die neue Nummer 1 der Leipziger hat einen neuen Backup erhalten: RB verpflichtete den vereinslosen Norweger Orjan Nyland, der die Rolle des Ersatzkeepers übernimmt.

Dass er nicht mehr so schnell am heimischen Niederrhein ist wie zu seiner Zeit in Holland (keine 100 Kilometer trennen Almelo und Mehrhoog), nimmt Blaswich ganz professionell hin. Der Kontakt zu den alten Kumpels, mit denen er als Kind zusammen beim VfR kickte, ist trotzdem nie abgerissen. „Wir sind da noch so eine Clique von zehn Jungs“, erzählt der Neu-Leipziger, der sich in Sachsen auch häufig über Besuch von der Familie freuen kann.

Bruder Luis vom PSV feuert Keeper in Glasgow an

Auch im Celtic Park am Dienstag war mehr als ein Blaswich vertreten. Luis, der am Sonntag noch beim 3:0-Erfolg seines Weseler Fußball-Landesligisten PSV Lackhausen bei der SV Hönnepel-Niedermörmter einen Treffer und einen Assist beigesteuert hatte, wollte beim großen Tag des älteren Bruders in Glasgow unbedingt dabei sein und nahm auch noch seinen Mannschaftskollegen Jost Kasparek mit in den schottischen Fußball-Tempel. Im mit 60.000 Fans gefüllten Hexenkessel ging damit nicht nur für einen Jungen vom Niederrhein ein Traum in Erfüllung.