Wesel. In der Saison 2012/13 schrieb der PSV Lackhausen nicht nur Weseler Fußball-Geschichte, sondern wurde am gesamten Niederrhein bekannt.

Der 1. FC Kleve? 15 Punkte dahinter! Der 1. FC Bocholt? Mittelmaß! Der SV Straelen? Fast abgestiegen! In der Saison 2012/13 sorgte keiner der üblichen Verdächtigen für die positiven Schlagzeilen in der Fußball-Landesliga. Es war der PSV Wesel-Lackhausen, der am Ende mit 13 Zählern Vorsprung vor der DJK/VfL Tönisberg ganz oben thronte. Wem das nicht besonders genug erscheint: Die Postsportler stellten damals die erste Mannschaft aus der Stadt Wesel überhaupt, die es mit der Oberliga auf die höchste Ebene des Fußball-Verbandes Niederrhein schaffte.

„So etwas kann man mit Geld nicht bezahlen. Ich möchte mit meinen 38 Jahren jetzt noch nicht von meinem Lebenswerk sprechen. Aber ich bin schon sehr stolz auf die Jungs, von denen ich einige seit vielen Jahren trainiere“, sagte damals ein sektgeduschter PSV-Trainer Roger Rütter noch auf dem Platz. „Ich habe als C-Jugend-Trainer davon geträumt, hier mal etwas Großes zu erreichen. Das haben wir jetzt geschafft!“

Trainer Roger Rütter: „Ich kriege immer noch eine Gänsehaut“

Bier und wie in diesem Fall Sekt von allen Seiten: Co-Trainer Marcel Kirsch (r.) verpasst Coach Roger Rütter nach dem Abpfiff der Partie gegen den 1. FC Bocholt (7:0) die x-te Getränkedusche.
Bier und wie in diesem Fall Sekt von allen Seiten: Co-Trainer Marcel Kirsch (r.) verpasst Coach Roger Rütter nach dem Abpfiff der Partie gegen den 1. FC Bocholt (7:0) die x-te Getränkedusche. © WAZ FotoPool | Markus Joosten

Auch heute blickt Rütter sehr gerne auf das Erreichte zurück. „Ich habe Fotos im Büro hängen und kriege auch jetzt immer noch eine Gänsehaut, wenn ich mich an die ganze Zeit zurück erinnere“, so der mittlerweile 45-Jährige. „Wir haben uns vor zwei Jahren zum fünfjährigen Jubiläum der Meisterschaft in unserem damaligen Trainingslager in Velbert getroffen und hatten wieder viel Spaß. Der PSV ist ohnehin schon so ein familiärer Verein, aber diese Truppe mit vielen Spielern aus der eigenen Jugend war noch einmal etwas ganz besonderes.“

Damals als Spieler dabei: der heutige PSV-Trainer Björn Assfelder. „Der Angriff gewinnt die Spiele, die Abwehr die Meisterschaft“, lautete die Erklärung des aus Rhede zurückgekehrten Innenverteidigers, warum die Grünen für die meisten Beobachter völlig überraschend am Ende der gesamten Konkurrenz das Nachsehen gaben.

In 17 von 30 Spielen ohne Gegentor

Dabei stellte der PSV sicherlich nicht die spielstärkste Elf der damaligen Gruppe 3. Nicht selten ärgerten sich die Gegner, warum sie nach neunzig Minuten zwar häufiger den Ball, aber weniger Tore als die Weseler erzielt hatten. Am Ende sollten die Schlussmänner Patrick Erhart, heute Co-Trainer, Sebastian Kaiser, zur nächsten Saison aus Rhede zurückkehrend, sowie Valentin Leber in 17 (!) von 30 Spielen ihren Kasten komplett sauber halten. Unglaublich!

Plötzlich Stadtgespräch und öfter vor großer Kulisse: Für die Oberliga-Partie gegen den Meisterschaftskandidaten Wuppertaler SV zogen die Lackhausener ins benachbarte Weseler Auestadion um.
Plötzlich Stadtgespräch und öfter vor großer Kulisse: Für die Oberliga-Partie gegen den Meisterschaftskandidaten Wuppertaler SV zogen die Lackhausener ins benachbarte Weseler Auestadion um. © WAZ FotoPool / Gerd Hermann | Gerd Hermann

Vorne brannte das Team vom Molkereiweg nicht immer so ein Feuerwerk ab wie beim 7:0 gegen Bocholt, als sich die Postsportler zum einen für das erst kurz zuvor erlittene 3:4 im nachgeholten Hinspiel revanchierten und zudem auch den Aufstieg endgültig eintüteten. Bei zehn der 23 Siege reichte den Weselern in der Differenz ein erzielter Treffer mehr. So stand am Ende eine Torbilanz von 69:25.

„Wir waren in der ersten Halbzeit selten besser, aber in den letzten 20 Minuten fast unschlagbar. Zudem hatten wir hier und da auch das Glück, das wir uns aber hart erarbeitet hatten“, so Rütter. „Die Abwehrarbeit war überragend und vorne kam über die Außen mit Christopher Abel und Sebastian Eisenstein eine Flanke nach der anderen.“

Meister trotz Topspieler-Verlust

Nach diversen Anläufen und Vize-Meisterschaften hatte es erst 2009 Ex-Profi Franz Raschid in seiner Debüt-Saison in Wesel geschafft, den PSV endlich in die Landesliga zu hieven und dort auch zu halten. Zur Spielzeit 2010/11 übernahm Rütter, der zuvor sämtliche Jugend-Altersklassen sowie die Reserve gecoacht und davor selbst viele Jahre in seinem Heimatverein in der Bezirksliga gekickt hatte.

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Nach Rang elf war es in seinem zweiten Jahr bereits Platz vier in der Abschlusstabelle. Großen Anteil daran hatte nicht nur wegen seiner 21 Saisontore in 23 Spielen Timm Golley, der den PSV anschließend allerdings Richtung Fortuna Düsseldorf II verließ, um Profi zu werden. In der Meistersaison musste der PSV auf den schnellen Offensivakteur also ebenso verzichten wie auf den bärenstarken, aber nach Bayern gezogenen David Müller. Auch das macht die Meisterschaft von damals so besonders.

Oberliga ohne höherklassige Verstärkung eine Nummer zu groß

Die Oberliga stellte sich dann allerdings schnell als eine Nummer zu groß heraus. Die Weseler waren das Unterfangen mit der Landesliga-Elf plus lokale, unterklassige Neuzugänge angegangen. So reichte es nur zu drei Saisonsiegen in 38 Spielen, die gegen den SV Uedesheim, VfB Speldorf und VfL Rhede nicht von ungefähr auch noch gegen die Mitabsteiger gelangen.

PSV-Kapitän David Mittelstädt (l./beim 1:2 gegen den Wuppertaler SV) verletzte sich in der Oberliga schwer und beendete seine Karriere.
PSV-Kapitän David Mittelstädt (l./beim 1:2 gegen den Wuppertaler SV) verletzte sich in der Oberliga schwer und beendete seine Karriere. © WAZ FotoPool / Gerd Hermann | Gerd Hermann

„Wir hatten in der Saison auch großes Verletzungspech, allein drei Kreuzbandrisse, und einige Leute, die beruflich bedingt kürzer treten oder aufhören mussten“, so Rütter. „Natürlich wäre es auch mit diesen Leuten sehr schwer geworden, aber es hätte anders laufen können. Trotzdem habe ich mich in guten wie in schlechten Zeiten immer der Presse und den Zuschauern gestellt“, so Rütter, der aktuell bis zur Corona-Saisonunterbrechung die D-Jugend des PSV in der Niederrheinliga auf Erfolgskurs hielt.

Ein Abenteuer ohne finanzielle Risiken

Da es sich um eine gewachsene Mannschaft handelte, die auch als abgeschlagenes Schlusslicht nicht schon im Winter auseinanderbrach, war die Bilanz von nur 14 Punkten und 32:130 Toren in der Oberliga zwar bitter, für den Verein aber verkraftbar. Der hatte die Oberliga ohnehin immer als „Abenteuer“ bezeichnet, für das der für seine gute Jugendarbeit bekannte PSV keine finanziellen Risiken eingehen wollte.

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„Das Bisschen, was es bei uns gab, gab es in den Vereinen von potenziellen Neuzugängen in deren zweiter Mannschaft“, so Rütter, der nach der Oberliga-Saison eigentlich aufhören wollte, auf der Weihnachtsfeier von Spieler Dario Floris aber überredet wurde, noch ein Jahr dranzuhängen.

In einer Gruppe mit nur 14 Mannschaften, aber auch nur acht Plätzen für den sicheren Klassenerhalt, drohte dem PSV in der darauffolgenden Landesliga-Saison am letzten Spieltag sogar das Abrutschen auf den Abstiegsrelegationsrang. Doch Necati Güclü traf in der letzten Minute gegen den ESC Rellinghausen zum benötigten 1:0-Sieg. Der PSV feierte den Treffer fast wie den Oberliga-Aufstieg.