Schermbeck. Im Sommer beginnt für die Fußballer des SV Schermbeck eine neue Zeitrechnung. Am 1. Juli gründet die kickenden Zunft einen reinen Fußball-Verein.
Scheiden kann bekanntlich sehr schmerzhaft sein. Doch was in diesen Wochen und Monaten in Schermbeck passiert, hat offensichtlich so gar nichts mit einem Rosenkrieg gemein. Beim Sportverein des Ortes, dem SV Schermbeck, löst sich die Fußballabteilung aus dem Gesamtverein. Ab dem 1. Juli gehen die rund 600 Kicker des Klubs – von den Senioren über die Oberliga-Mannschaft bis hin zum jüngsten Nachwuchs – eigene Wege. Und wohl selten ist eine Trennung so einmütig über die Bühne gegangen wie in diesem Fall. „In unserem allerhöchsten Gremium, der Generalversammlung, wurde der Antrag einstimmig bei einer Enthaltung angenommen”, sagt Johannes Brilo, Vorsitzender des Gesamtvereins. „Mehr Basisdemokratie geht nicht.”
Das war bereits im vergangenen Sommer. Die damals beschlossene Ausgliederung der Fußball-Abteilung war aus Sicht von Michael Steinrötter, Abteilungsleiter bei den Kickern, erforderlich geworden, um Strategien und Zukunftsvisionen deutlich rascher umsetzen zu können. In der Vergangenheit galt, dass bei jeder Investition größeren Umfangs stets der Gesamtverein seine Zustimmung erteilen musste. Für einen Fußball-Oberligisten, der anders als die Leichtathletik-, Badminton oder Tischtennis-Abteilung nicht selten die Obergrenze solcher zustimmungspflichtigen Summen überschreitet, ein manchmal ärgerliches Hemmnis, um schnell zu reagieren.
„Deutlich flexibler agieren und reagieren“
„Die Zustimmung des Gesamtvorstandes wird ab Sommer dieses Jahres nicht mehr länger erforderlich sein”, sagt Steinrötter. „Wir können nun deutlich flexibler agieren und reagieren, nachdem wir diesen unabdingbaren Schritt beschlossen haben und im Sommer vollziehen werden. Wir werden nun auch mit Partnern und Sponsoren Gespräche führen können, die vorher so gar nicht denkbar waren.”
Ein wenig Unruhe löste dabei allein der Umstand aus, dass mit der Neugründung eines Vereins zwangsläufig auch eine Namensänderung einhergeht. Die Fußballer nennen sich künftig Sportverein Schermbeck 2020, der Spielverein Schermbeck 1912 bleibt hingegen die Heimat aller anderen Abteilungen. „Natürlich diskutieren wir in diesem Zusammenhang auch eine Neugestaltung des Vereinslogos”, sagt Steinrötter. „Erste Entwürfe liegen bereits vor, doch wollen wir möglichst nah an unserem etablierten SVS-Logo bleiben.”
Allerdings ist auch die Arbeit für die Fußballer deutlich mehr geworden, seitdem das Abrahamhaus steht und die Kicker sich um dessen Verwaltung kümmern. Das Großprojekt, das erst vor rund einem halben Jahr fertiggestellt worden ist, erfordert viel Manpower, soll den Fußballern aber auch die Möglichkeit bieten, zusätzliche Einnahmen zu generieren, über deren Verwendung sie nun bald allein entscheiden können.
Auch interessant
Auch um die Sportanlage „Im Trog” kümmert sich fortan der neue Verein. Der SVS 2020 bekommt jährlich ein Fixum von der Gemeinde, um die anfallenden Kosten zu decken. „Wir wollen und werden den Vorstand, der bislang aus fünf Leuten besteht, auf sieben aufstocken, von denen jeder einzelne einen anderen Schwerpunkt bearbeitet”, sagt Steinrötter. „Die Gespräche mit den entsprechenden Fachleuten laufen.”
Vor zehn Jahren lösten sich die Schwimmer vom SVS
Die kickende Zunft ist die zweite Abteilung, die sich vom SV Schermbeck löst. Bereits vor knapp zehn Jahren kehrten die Schwimmer dem SVS den Rücken. Damals waren es rund 800 Mitglieder, die durch die Gründung des WSV Schermbeck verloren gingen. Der WSV übernahm in Eigenregie später das Hallenbad und zählt nun rund 3000 Mitglieder. Durch den Weggang der Fußballer verliert der SVS nun auf einen Schlag 600 Sportler.
Auswirkungen auf Förder- und Sponsorengelder befürchtet niemand – weder im Gesamtverein noch bei den Fußballern. Im Gegenteil. „Wir können nun deutlich verbesserte Angebote machen”, sagt Steinrötter mit Blick auf die veränderte Vermarktungssituation. „Auch, weil wir mit unserer Oberliga-Mannschaft als Zugpferd weit über Schermbeck hinaus für Partner und Sponsoren im Jugendbereich ebenfalls attraktiv sein können.”
Johannes Brilo sieht noch einen anderen Aspekt. „Im Abrahamhaus beschäftigen wir Langzeitarbeitslose in Integrationsprojekten”, so der Vorsitzende des Gesamtvereins. „Damit das auch künftig gewährleistet werden kann, war diese Umstrukturierung unumgänglich. Das neue Konstrukt ist für alle Beteiligten eine gute Lösung.”