Oberhausen. Die Oberhausener Leistungssportlerin Michelle Lambert lebt und trainiert derzeit auf Sparflamme. An Olympia glaubt sie nicht mehr.

„Jeder Tag ist gleich, jetzt geht es nur noch darum, nicht dick zu werden.“ Die Oberhausenerin Michelle Lambert hat ihren Humor noch nicht verloren, obwohl aktuell große Unsicherheit über allem steht. Die 25-jährige Schwimmerin des Potsdamer Schwimmvereins versucht, sich individuell fit zu halten, ihre Lieblingsserien nicht ein drittes Mal gucken zu müssen. Sie will besonnen und nicht panisch mit der Situation umgehen.

„Heute Morgen habe ich erstmal lange geschlafen, gestern waren wir um 10 Uhr morgens schon fertig mit Joggen.“ Lambert ist seit dieser Woche wieder in Potsdam, am Wochenende wurde die Familie in Oberhausen besucht. Nun steht der Alltag auf der Tagesordnung und der ist schon Herausforderung genug. „Wir spielen ganz viel, lesen und dazu kommt eben der Netflix-Marathon. Es gibt ja auch Serien, die man öfter gucken kann, Grey’s Anatomy gucke ich zum zweiten Mal.“

Möglichkeiten zum Training begrenzt

Aktuell gibt es für Lambert und ihren Freund, ebenfalls Schwimmer beim PSV, noch die Möglichkeit, raus zu gehen. Spazieren hilft, Fahrradfahren, joggen um den See, um nicht permanent auf engstem Raum zu sein. „Ich denke, wir kriegen das schon gut hin. Aber wenn man sich gar nicht aus dem Weg gehen kann, wird das schon anstrengend. Unsere eineinhalb Zimmer sind schon voll, wenn meine Gymnastikmatte geliefert wird“, stellt Lambert fest.

Aber ohne Gewichte und Kurzhanteln bleiben die Möglichkeiten begrenzt. „Für meine Kniebeugen mit 70 Kilogramm Gewicht finde ich bei uns in der Wohnung nichts, was ich mir auf die Schultern stellen kann.“

Abgesagt für den Sommer

Die Wettkämpfe sind für den Sommer ohnehin abgesagt: „Bis zum 31. Mai wurde jede Sportveranstaltung abgesagt, wir kommen nicht mal in die Nähe des Beckens.“ Keine deutsche Meisterschaft, keine Hochschulmeisterschaft und ab dem Herbst würde eigentlich auf die Kurzbahn gewechselt werden.

„Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass einfach alles nach hinten gelegt wird. Im Juni fangen die Ferien an, da wird es nicht einfach, einen neuen Termin zu finden“, ist Lambert skeptisch.

„Es würden schlechte olympische Spiele“

Diese Probleme im „Kleinen“ gelten natürlich auch für Olympia. „Ich kann es mir nicht vorstellen. Es würden auch schlechte olympische Spiele werden, gerade im Schwimmen“, stellt sie fest. „Man kann joggen, ein Home-Workout machen und ein Ergometer hinstellen. Aber das Wassergefühl und die schwimmerische Ausbildung ist halt nicht möglich.“ Außerdem „betrifft es ja mittlerweile alle. Die Briten sind vor kurzem noch geschwommen und qualifizieren kann sich jetzt ja auch keiner mehr.“

Das IOC sieht das noch anders und will an den olympischen Sommerspielen in Tokio festhalten. Daher trainiert auch der Olympiakader aktuell noch. „Hier gibt es ganz strenge Auflagen“, verrät Lambert. Eine Freundin von ihr ist im paralympischen Kader, dürfte zu festen Zeiten und mit ihrem Trainer ins Schwimmbad, doch weil der nicht da ist, bleiben die Bahnen unberührt.

Spinde in Oberhausen ausgeräumt

Lambert darf nicht mehr rein. „Ich war am Wochenende ja zuhause und am Freitag kam die Nachricht, dass wir unsere Spinde ausräumen sollen. Montag kamen wir nicht mehr rein. Da sitzen Sicherheitsleute und stellen klar: Keine Minute, nicht ohne Sondergenehmigung.“ Daran merke man, wie sich die Situation dramatisiert. „Ich habe das lange auch nicht so ernst genommen, mittlerweile versteht man schon, welche Verantwortung jeder Einzelne hat. Ich habe Kontakt zu Schwimmern aus Leipzig, Darmstadt und Potsdam und durch die Schwimmergruppen hat man den bundesweiten Verlauf nachvollziehen können.“

Auch wenn Lambert selbst versucht, das Thema nicht zu nahe an sich heran zu lassen, bekommt sie alles Wichtige natürlich mit. „Mein Freund liest relativ viele Nachrichten, ich versuche weitestgehend soziale Medien zu vermeiden, das macht mir eher Angst. Wir nehmen das ernst, aber wollen den Kontakt zu unseren Familien so gut halten, wie es geht.“

Es bleiben Aktivitäten im Freien

Die Meinungen zum Thema Schwimmen sind diskutiert. So liest man, dass das Chlor in den Becken die Viren töten würde, ein geschlossener Raum sei natürlich immer ein Problem. Lambert hat Verständnis, so bleiben nur Aktivitäten im Freien, auch mal mit einer Freundin und dem Hund spazieren gehen, gehört zur Bewältigung. Auch wenn für die Schwimmer große Gruppen aktuell ohnehin nicht möglich sind, weil viele zu ihren Familien gefahren sind. Im Wald sieht es bei einigen anders aus, da finden schon noch Grillfeste statt.

Dass damit auch die Möglichkeit einer Ausgangssperre wächst, beschäftigt Lambert. „Aktuell können wir immerhin mal mit dem Rad neue Ecken erkunden und uns bewegen. Wir trainieren zehn Mal die Woche und so schnell stellt sich der Körper nicht um. In Quarantäne würden wir ganz schön zunehmen“, ist sich die Oberhausenerin sicher und spricht damit ein wichtiges Element an: Die Motivation. „Du hast dich drauf vorbereitet und jetzt findet nichts statt. Eine Freundin in Leipzig konnte noch trainieren und die hat sich auch gefragt, wofür sie das eigentlich macht.“

Auch normale Probleme

So geht es um Struktur und darum, die Freude hoch zu halten und den Alltag zu bewältigen. Dazu gehört auch das Studium. „Das ruht jetzt ja eine Woche länger, bis zum 20. April und ich warte noch auf eine Note.“ Auch hier kann sich Lambert vorstellen, dass der Start noch einmal nach hinten verschoben wird. Inwieweit sich die Universitäten bis dahin auf die neue Situation eingestellt haben, wird sich zeigen.

„Da bekommt man aktuell ja auch noch nicht so viele Infos. Die Note brauche ich eigentlich auch gar nicht, sie können mir auch einfach ein ‚Bestanden‘ eintragen“, lacht Lambert. Es gibt also auch in turbulenten Zeiten noch ganz normale Probleme.