Wo ist der Sport an diesem Sonntag in Oberhausen, an dem offizieller Betrieb abgesetzt ist. Er ist da, gedeiht im Kleinen.
Katharina Köther war vor zwei Jahren Oberhausens Sportlerin des Jahres. Vergangenen Samstag wäre wieder Sportgala gewesen, die Ausnahme-Kanutin war erneut nominiert. Wegen Corona wurde die Party mit Wahl der besten Sportler des Jahre zeitig abgesagt. Achselzucken bei ihr und ihrer Schwester Johanna, die damals die Ehrungen entgegennahm, weil Katharina im Trainingslager war. Die beiden haben aktuell andere Sorgen: Wie bleibt man in diesen Zeiten möglichst fit? Katharina Köther: „Jetzt bin ich wieder hier, denn wegen Corona wurde unser Trainingslager in Portugal eine Woche früher abgebrochen, damit wir überhaupt noch nach Hause fliegen können.“
Wir haben Katharina wie viele andere Oberhausener Sportler am Sonntag zufällig getroffen. Bei unserer Rundfahrt über Oberhausener Plätze und Anlagen, um zu schauen: Lassen sich die Oberhausener Sportler an diesem ersten Sonntag, an dem der Ligabetrieb in allen Sportarten wegen Corona ruhen muss, ihr Hobby nehmen?
„Nein“ sagt Köther, denn für sie als Leistungssportlerin auf dem Wasser beginnt jetzt die wichtigste Phase der Saison. Es geht in die Wettbewerbe, um sich für die Nationalmannschaft zu qualifizieren und im Gefolge davon zu den Olympischen Spielen in Tokio. „Der erste Termin wurde schon verlegt, der nächste ist Mitte Mai. Da bin ich mal gespannt“, sagt sie und lädt uns ein, sie vom Bootshaus des TC 69 zum Kraftraum auf dem SSB-Gelände zu begleiten. Einmal um die Ecke, vorbei am Drive-In für den schnellen Corona-Test am Parkplatz vor dem TC 69-Bootshaus.
Morgens Kanu, mittags Kraft
Sie erzählt: „Morgens war ich noch am Baldeneysee trainieren, aber da ist jetzt auch alles zu. Ich muss gucken, wie ich meine Stunden zusammen bekomme.“ Daher geht es nun in den Fitnessraum: Bankziehen, Kreuzheben, Klimmzugstange, also Kraft machen. Und wenn die Sportstätten geschlossen werden?
„Ich habe vorgesorgt. Bei meiner Mutter habe ich ein Ergometer sowie Kraftmaschinen. Dann trainiere ich eben zu Hause, sagt die Wirtschaftsrecht-Studentin. Zumindest in ihrer Ausbildung hat sie keine Zwangspause zu erwarten, ist nämlich ein Fernstudium.
Um ihre Saisonziele zu erreichen und gesund zu bleiben, achtet sie nicht nur in diesen Tagen sehr auf Hygiene im Kraftraum. Mit Desinfektionstüchern wird das Gerät abwischt, bevor sie startet. Ihre Schwester Johanna macht mit, denn sie ist Schwimmerin in Essen und das Rüttenscheider Bad, ihre Trainingsstätte, ist bereits geschlossen.
Vorne am Bootshaus kommt gerade Jillian Schneider mit ihrem Boot rein. Gemeinsam mit Andreas Rothkopf und Anne Brandenburg haben die Trainer und stellvertretenden Abteilungsleiter Kanu mit Schneider ihre Kinder auf eine Kanu-Wandertour auf dem Kanal entlang Richtung Dellwig geführt. „Kleine Gruppe, nicht organisiert“ sagt Rothkopf und hofft, dass dies den Kindern weiter möglich bleibt. „Das große Training in Gruppen ist abgesagt, die Leistungssportler trainieren individuell wie Katharina“, sagt Rothkopf.
Brandenburg fügt an: „Wir müssen ihnen was bieten sie können doch nicht in ihrer Lieblingsbeschäftigung von Hundert auf Null gehen. „Dies alles in einem Rahmen, in den die beiden Trainer glauben, verantwortlich zu handeln. Brandenburg: „Die Maßnahmen sind wichtig und richtig und wir halten uns daran.“ Wettkämpfe sind bei den Kanuten bis Ende April abgesagt. Rothkopf: „Wir werden in den nächsten Tagen mit allen Trainern individualisierte Pläne erstellen. Dann wird eben gelaufen.“
Ortswechsel nach Schmachtendorf: An der Übungshalle der Kunstturner hängt das erste sichtbare Signal, dass hier wegen Corona kein Sportbetrieb mehr stattfindet. Mit durchaus kritischen Worten, aber letztlich verständnisvoll. Gleiches an der Halle Oranienstraße, wo sonst Badminton bei Sterkrade-Nord gespielt wird. Auch hier ein DIN-A-4-Blatt: Der Trainingsbetrieb ist eingestellt.
Überall DIN-A-4-Aushänge
Weiter zu den Fußballern im Nordler-Park. Sonntag, 14.50 Uhr, normal würden hier gerade die letzten Vorbereitungen für das Landesliga-Spiel der Nordler gegen BW Dingden laufen. In echt ist wenig los. Auf dem großen Platz herrscht die weite Leere, auf dem kleinen nebenan kicken ein paar Jungs und ein Vater schaut zu. Gemeinsam mit den Jungs trägt er dann ein Tor zur Mittellinie und es heißt auf dem Kleinfeld: Drei gegen Drei, letzter Mann hält.
Die Club-Gaststätte ist geschlossen. Unter dem Geschlossen-Schild an der verglasten Eingangstür hängt das obligatorische Blatt Papier: Wegen des Coronavirus’….
Auf der anderen Seite der Fensterfront, hin zum Platz, klebt ein anderes Blatt Papier an der Scheibe: Ingo Anderbrügge Fußball-Camp für Bambini, Kinder und Jugend. 14. bis 16. April. Hat noch keiner abgehängt, ist aber wie so vieles in diesen Tagen von gestern und deswegen längst von der Realität überholt. Pause mindestens bis Ostern. Gerade kommen zwei Radfahrer vom Weg neben der Tribüne zum Platz. Vater und Sohn, auf dem Gepäckträger des Vaters klemmt ein Fußball. Der große Kunstrasen-Platz ist frei, lädt ein, genug Raum für individuelles Training.
Fast eng geht es an der Mellinghofer Straße auf dem großen und kleinen Kunstrasenplatz zu. 12.30 Uhr, Jugendfußball-Zeit. Einige Grüppchen von Kindern, manche von Elter begleitet, haben sich über den Platz verteilt und ihre kleine Ecke gefunden, wo ein bisschen gezockt werden kann.
Das machen einige junge Männer, so ab 20 bis um die 30 Jahre auf dem Kleinfeld nebenan genauso. Die spielen zwar auch im Verein, zwei kommen aus Essen-Schönebeck, doch den gepflegten Hobby-Kick lassen sie sich auch von Corona nicht nehmen. „Wenn wir was kriegen, ist das bei uns eine Grippe, und wir sind zwei Wochen weg vom Fenster“, sagt einer mit der Gewissheit, nicht zur Risiko-Gruppe zu gehören.
Marcel Sachau (37) übt Abschlüsse mit seinem Sohn Leon (9). Die beiden haben sich ein Fünfmeter-Tor geschnappt, Leon schießt, Vater Sachau hält und manchmal auch nicht. Wenn der Elfer halt gut und flach in die Ecke kracht. Dann freut sich Leo und Vater Sachau auch.
Kinderbetreuung schwer
Er ist normalerweise mit dem PSV im Sportzentrum Tackenberg unterwegs, wohnt aber an der Mellinghofer um die Ecke. Oben im Norden, bei PSV, BVO, Safak und Hobby-Liga ist momentan nichts los, sag Sachau, dann doch lieber hier vor der Haustür. Sachau ist Krankenpfleger an einem Hospital in Ratingen und hat Wechselschicht, auch Nacht. „Ja, das wird ein Problem mit der Kinderbetreuung. Meine Frau und ich müssen gucken, wie wir das mit Leon hinbekommen.“ Anfangs soll das noch ganz gut mit einer Betreuung klappen , die gibt es aber nur für ein paar Tage. „Dann müssen wir sehen.“ Immerhin, als Krankenpfleger hat er Leon sehr gut erklären können, was Corona ist und was das auslösen kann.
Hände waschen schützt
„Und er weiß auch, wie man sich schützen kann. Händewaschen ist schon eine ganze Menge wert, sagt Sachau und weiß, dass Sohn Leon das vielleicht ein bisschen besser beherzigen wird als Söhne und Töchter, die keinen Mann vom Fach als Vater haben.
Hofft Sachau und will noch was sagen, doch da meldet sich Leon ungeduldig: „Komm’ Papa, gib’ mir den Ball.“
Der Junge will schießen, nicht quatschen. Und schon gar nicht über Krankheiten.