Oberhausen. . Hinter dem Kanu-Weltmeister liegt die erfolgreichste Saison seiner bisherigen Laufbahn. Doch der 24-jährige Oberhausener will noch mehr.

Es ist kurz nach halb zwölf am Clubheim der Kanuabteilung des TC Sterkrade 69 direkt neben dem Stadion Niederrhein. Lukas Reuschenbach erscheint zum vereinbarten Termin. Ein wenig verspätet, doch der Weltmeister im K4 über die 1000 Meter hat eine gute Erklärung. „Tut mir leid, ich war noch beim Arzt.“ Mit einer leichten Erkältung ist der 24-jährige Sportsoldat ins neue Jahr gestartet. „Aber sonst ist alles gut“, erklärt er mit einem Lächeln.

Mit reichlich Optimismus auf 2019 zu blicken, dazu hat Reuschenbach auch allen Grund. Schließlich liegt das erfolgreichste Jahr seiner Laufbahn hinter ihm. Mit Sebastian Stachowiak sprach er darüber, was der Erfolg ihm bedeutet, über seine Vorsätze und seinen großen Traum Olympia 2020.

Ein neues Jahr bedeutet auch, gute Vorsätze zu fassen. Wie sieht’s bei dir in dieser Hinsicht aus? Privat, als auch sportlich?

Privat würde ich sagen, auf jeden Fall keinen Mist zu bauen (lacht). Nein, privat ist alles gut, da kann ich mir nicht mehr wünschen. Sportlich ist natürlich das große Ziel, mich vorzeitig für Olympia 2020 zu empfehlen. Deshalb möchte ich meine persönlich beste Saison fahren. Was dabei letztlich raus springt, muss man sehen. Das hat man nicht immer selbst in der Hand.

Du sprichst davon, so gut werden zu wollen wie nie zuvor. Dabei war 2018 mit dem WM-Titel doch dein bisher erfolgreichstes Jahr…

Geschafft: Über die 1000 Meter sicherte sich
Geschafft: Über die 1000 Meter sicherte sich © UteFreise

Vom sportlichen Erfolg, was für mich und das Team dabei heraussprang, war es auf jeden Fall das erfolgreichste Jahr. Aber ich hatte nie das Gefühl, meine persönlich allerbeste Leistung abgerufen zu haben. Da war ich schon ein wenig unzufrieden und dachte, da geht noch mehr. Bei der WM war ich schon sehr gut drauf, doch bei der DM habe ich im Einer nicht das gezeigt, was möglich ist. Vom eigenen Niveau war ich schon weiter und das ist auch mein Anspruch, dort wieder hinzukommen.

Du warst wie jedes Jahr bis kurz vor Weihnachten im Trainingslager des Nationalteams in Florida. Wie muss man sich einen Trainingstag dort vorstellen?

Um acht Uhr fangen wir mit dem ersten Grundlagenausdauertraining auf dem Wasser an. Um 10.30 Uhr geht’s dann für 90 Minuten zum Krafttraining, bevor die Mittagspause ansteht. Im Anschluss kommen dann noch zwei Einheiten auf dem Wasser und schließlich das Abendessen. So richtet sich der Tag also nach Aufstehen, Frühstücken, Paddeln, Essen, Paddeln, Schlafen.

Viel Zeit zum Abschalten hat man da wohl nicht, oder?

Abends sitzen wir schon zusammen und quatschen miteinander. Manchmal zieht man sich aber auch zurück, hört Musik und entspannt ein wenig. Mittwochs und samstags sind die Tage auch ein wenig kürzer. Und der Sonntag ist sowieso frei, wo man mal etwas unternehmen kann wie surfen oder shoppen gehen.

Wie wichtig ist diese Vorbereitung mit Blick auf die Saison, die ja erst im April so richtig beginnt?

Lukas Reuschenbach im Gespräch mit NRZ-Reporter Sebastian Stachowiak.
Lukas Reuschenbach im Gespräch mit NRZ-Reporter Sebastian Stachowiak. © Jörg Schimmel

Das was man im Winter schafft, ist die Grundlage, die einem keiner mehr nehmen kann. Man ist außerdem besser in der Lage, die schnelleren Einheiten, die noch folgen, besser zu bewältigen. Ausdauer ist eine ganz entscheidende Komponente.

Ist es denn ein Unterschied, ob du die Vorbereitung hier oder in Florida machst?

Auf jeden Fall. Die Bedingungen dort sind natürlich ideal. Dort hat man die Chance, mit der deutschen Elite zu trainieren und sich gegenseitig zu pushen. Außerdem ist es wesentlich angenehmer, im T-Shirt zu trainieren als mit drei Schichten Funktionswäsche und Wollmütze.

Hat sich die Wahrnehmung deiner Person durch den Weltmeistertitel verändert?

Ich glaube, ich war bereits vorher durch meine guten Leistungen im Nationalteam akzeptiert. Außerdem ist dort gefühlt jeder Weltmeister, so dass man sich mit einem solchen Titel nicht groß hervorhebt. Vielmehr hat sich bei mir selbst etwas geändert, dass ich sagen kann, dass ich etwas Großes erreicht habe. Das gibt eine gewisse Sicherheit, auch wenn es hoffentlich nicht der einzige WM-Titel bleibt.

Du kommst eigentlich aus einer Fußballerfamilie. Wenn du in diesem Sport denselben Erfolg hättest wie im Kanu, wäre die Aufmerksamkeit aber doch noch einmal eine ganz andere, oder?

Das würde zweifelsohne einen ganz anderen Rahmen geben, auch finanziell müsste ich mir wahrscheinlich deutlich weniger Gedanken machen. Aber gerade weil der finanzielle Bonus wegfällt, ist so ein Titel noch etwas wichtiger, da ich mich nur durch den Erfolg definiere – und nicht, welches Statussymbol in meiner Garage steht.

Neben deinem eigenen Erfolg, was waren für dich ansonsten die sportlichen Höhepunkte 2018?

Es war cool zu sehen, dass Oberhausen mit der Unterwasserrugby-WM der Junioren als Sportstandort einen großen Schritt gemacht hat. Und dadurch, dass mein Vater selbst früher Unterwasserrugby gespielt hat, war das auch besonders interessant, mal vorbeizuschauen.

Und, auch schon selbst Unterwasserrugby ausprobiert?

Nee, dass habe ich noch nicht gemacht (lacht).

Fühlst du dich unter Wasser nicht so wohl wie auf dem Wasser?

Nein, so ist es nicht. Ich schwimme und tauche wahnsinnig gerne. Nur eben in Verbindung mit Rugby habe ich’s noch nicht getestet.

Wie oft trainierst du noch hier am Rhein-Herne-Kanal in Oberhausen?

Wie hier mit Moderator Christian Keller (l.) wird Lukas Reuschenbach auch in diesem Jahr ein Kandidat für „Oberhausens Sportler des Jahres“ sein.
Wie hier mit Moderator Christian Keller (l.) wird Lukas Reuschenbach auch in diesem Jahr ein Kandidat für „Oberhausens Sportler des Jahres“ sein. © Christoph Wojtyczka

Die letzten Tage war ich oft hier und versuche auch sonst häufig da zu sein. In Essen am Baldeneysee sind aber noch mal andere Bedingungen, was vor allem auch die Trainingskameraden betrifft. Und sich mit dem Stärksten zu messen, muss einfach meine Priorität sein. Hier auf dem Rhein-Herne-Kanal drehe ich in der Regel solo meine Runden. Auch im Sommer schaue ich gerne vorbei, um zu gucken, wie sich der Nachwuchs so schlägt.

Wie sieht’s jetzt mit dem weiteren Saisonverlauf aus?

Am 2. Februar geht’s für mich wieder nach Florida zum zweiten Trainingslager. Kurz darauf bin ich noch 14 Tage in Sevilla, bevor dann die erste und zweite Rangliste folgt. Dann bin ich hoffentlich wieder in der Nationalmannschaft drin. Im Anschluss beginnen der Weltcup-Zirkus und die Kanu-EM in Minsk. Höhepunkt ist dann die WM in Szeged mit Olympiaqualifikation.

Wie sind deine Olympia-Chancen?

Im Grunde sind alle olympischen Strecken belegt. Meine Strecken wären der K1 über 1000 Meter oder der K2 über 1000 Meter. Im Einer ist Max Rendschmidt Vizeweltmeister und im K2 sind Max Hoff und Marcus Groß Weltmeister geworden. Somit stehen die Chancen schlecht, weil die erstmal gesetzt sind. Deshalb gilt es in den Weltcups in der internationalen Qualifikation, mich gegen diese Boote durchzusetzen.

Erhöht das für dich den Druck?

Nein, eigentlich habe ich nichts zu verlieren und kann nur gewinnen. Es ist eine Chance und die versuche ich auf jeden Fall zu nutzen. Wie groß die allerdings ist, ist aktuell noch schwer zu beurteilen.

Wie sehen die Pläne aus, falls es mit Tokio nicht klappen sollte?

Der Älteste im Nationalteam ist 37 Jahre alt. Also, man kann diesen Sport, wenn man die Veranlagung hat und verletzungsfrei bleibt, lange ausüben. Dennoch denke ich von Jahr zu Jahr und wenn es mit Tokio nicht klappt, werde ich für mich die richtigen Schlüsse ziehen.

Erstmal steht ja sowieso der 25. Geburtstag an…

Stimmt, am 16. Januar.

Nicht immer so leicht mit den Geschenken, wenn gerade erst Weihnachten war…

Ich muss mir ja selbst nichts schenken, also liegt der Druck bei anderen (lacht). Meine Freundin hat mich erst letztens gefragt, was ich mir wünsche. Da habe ich gesagt: Lass mich noch etwas darüber nachdenken, worauf sie anmerkte: Aber nicht zu lange, sonst ist es zu spät. Da ist was Wahres dran.