Mülheim. Seit Beginn des Jahres coacht Ahmet Inal den Mülheimer FC. Was ist der Trainer für ein Typ? In seiner Karriere gab es drei kritische Punkte.

Seit gut neun Monaten ist Ahmet Inal Trainer des Mülheimer FC 97. Mit dem 41-Jährigen stiegen die Styrumer zum ersten Mal in die Fußball-Oberliga. Doch wer ist eigentlich dieser Ahmet Inal? Im Gespräch mit dieser Redaktion ließ er seine Karriere Revue passieren und erklärte, wie er fast aserbaidschanischer Nationalspieler geworden wäre – und was Berti Voigts und David Beckham damit zu tun haben.

Inal wuchs in Marl „in einer Art Ghetto“ auf. Nach der Schule war die erste Anlaufstelle meistens der Fußballplatz. „Da wurde erstmal bei den 28 Parteien im Haus Sturm geklingelt“, erinnert sich der heute 41-Jährige. Dort wurde der Grundstein gelegt für eine Karriere, die an drei Stellen eine andere Wendung hätte bekommen können.

Vom MSV Duisburg in die erste türkische Liga

Über Germania Lenkerbeck und den TSV Marl-Hüls wechselte der Mittelstürmer („Mal Stoßstürmer, mal einer, der die tiefen Wege sucht, mal einer, der entgegenkommt“) im zweiten B-Jugendjahr zum MSV Duisburg. 26 Tore erzielte er in der B-Jugend-Regionalliga, die heute Bundesliga heißt.

„Das macht vieles kaputt, weil die Jungs dann früh einen Höhenflug bekommen“, glaubt Inal. Er selbst habe das Gefühl damals nicht gehabt. Geändert hat sich das erst, als er zur türkischen U18-Nationalmannschaft eingeladen wurde.

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Plötzlich hatte er ein Angebot von Gaziantepspor. Erste türkische Liga. Beim MSV hatte er noch ein Jahr Jugend vor sich und durchaus gute Karten. „Mit dem jetzigen Kopf würde ich natürlich sagen: Bleib noch ein Jahr“, weiß Inal heute. Doch er brach das Fach-Abitur ab und ging in die Türkei. Der erste Fehler?

Statt vor 80 Zuschauern an der Westender Straße spielte er plötzlich vor 25.000 Fans. „Wir haben 1:2 verloren und die gegnerischen Fans haben an unserem Bus gerüttelt. Da denkst du dir nur: Wo bin ich hier gelandet?“

Als Inal ging, vollzog Gaziantepspor einen Umbruch

Es war die goldene Zeit von Gaziantepspor, das gerade zweimal Dritter geworden war und im UEFA-Cup spielte. Viele der damaligen Spieler kickten später bei den großen Istanbuler Klubs. „Trainer in der Türkei haben besonders wenig Zeit und deswegen setzen sie auch keine 18-Jährigen ein“, sagt Inal und fügt hinzu: „Das habe ich natürlich damals noch nicht so verstanden.“

Mittelstürmer Ahmet Inal als aktiver Spieler.
Mittelstürmer Ahmet Inal als aktiver Spieler. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

2002 ging er nach Holland. Genau in dem Jahr, als Gaziantep einen Umbruch vollzog und fortan auf junge Spieler setzte. „Mein Zimmerkollege wurde Kapitän“, kann Inal heute darüber lachen. Der zweite Fehler?

Zehn Jahre zwischen zweiter und dritter Liga in der Türkei

Nach einem Adduktorenriss und einer Rückkehr nach Deutschland spielte der Angreifer anschließend fast zehn Jahre lang in der zweiten und dritten türkischen Liga. „Ich habe drei, vier Jahre Lehrgeld bezahlt, mir dann aber einen ganz guten Namen gemacht“, so der heutige MFC-Coach, der erklärt: „In der Türkei musst du ein kompletter Spieler sein, in Deutschland eher ein Systemspieler.“

Eine Zwischenstation führte Inal auch zu Kapaz PFK in Aserbaidschan. Weil seine Frau gleichzeitig in Shanghai arbeitete, war die Kommunikation schwierig. „Ich musste acht Kilometer zum Internetcafé laufen. Heute macht man sein Handy an und ist mit der ganzen Welt verbunden. Dafür bin ich einfach zehn Jahre zu früh auf die Welt gekommen“, sagt der Fußballer.

Aserbaidschanischer Nationalspieler unter Berti Voigts?

Trotz einer gewissen Einsamkeit öffnete sich ein Hintertürchen: Inal hätte aserbaidschanischer Nationalspieler werden können. Doch er verzichtete und ging zurück in die Türkei. „Zwei Monate später wurde Berti Voigts Nationaltrainer und mein Zimmerkollege spielte gegen England und deckte David Beckham.“ Der dritte Fehler?

Kapitän von Westfalia Herne: Ahmet Inal im Jahr 2014.
Kapitän von Westfalia Herne: Ahmet Inal im Jahr 2014. © WAZ FotoPool | Rainer Raffalski

Inal schüttelt mit dem Kopf. „Trotz alledem: Ich möchte nicht meckern. Ich bin sehr gut vernetzt, habe sehr viele Leute kennengelernt und bin dankbar für alles, was ich erleben durfte.“

Bei der SpVgg Erkenschwick ins kalte Wasser geworfen

Ob er später Trainer werden wollte? Darüber konnte er kaum nachdenken, als er bei der SpVgg Erkenschwick ins kalte Wasser geworfen und vom spielenden Co-Trainer zum Chefcoach wurde. „Plötzlich stand ich da und musste 25 Leute führen und Gegneranalyse machen“, erinnert sich Inal. Von Platz zehn führte er den Traditionsverein noch auf Rang drei. Auch mit YEG Hassel ging es in der Westfalenliga vom letzten innerhalb von drei Jahren auf den vierten Platz.

„Ich habe mit vielen Trainern zusammengearbeitet“, hat sich der Coach von allen etwas abgeschaut. Sein Credo: immer authentisch sein, mit den Spielern auf Augenhöhe sprechen. „Du musst heute jeden Spieler individuell behanden, dazu gilt es, die Charakterzüge zu erkennen und darauf zu reagieren“, sagt Inal.

Direkt zum Oberligisten? „Ich wollte es selbst erreichen“

Er kam in der vergangenen Winterpause nach Mülheim. „Ich hätte auch direkt zu einem Oberligisten gehen können, aber ich wollte das selbst erreichen“, sagt der 41-Jährige. Natürlich wollte er mit dem MFC unbedingt aufsteigen. „Gleichzeitig darf man die Jungs nicht den Druck spüren lassen“, betont Inal.

Seit einigen Jahren ein Duo an der Seitenlinie: Ahmet Inal und Benjamin Wingerter.
Seit einigen Jahren ein Duo an der Seitenlinie: Ahmet Inal und Benjamin Wingerter. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Beim MFC denkt er nicht nur kurzfristig. „Ich bin mit meiner Frau zusammen seit ich 18 bin, meine Freunde sind immer noch die, mit denen ich aufgewachsen bin. Also ich bin einer, der alles langfristig macht“, betont der Coach. Dazu dürfe der Verein aber nicht in alter Muster verfallen, sondern müsse sich mit klarer Aufgabenverteilung weiterentwickeln.

Mülheimer Trainer bereitet die A-Lizenz vor

Irgendwann möchte Ahmet Inal, der gerade alles für die A-Lizenz vorbereitet, auch als Trainer in den bezahlten Fußball kommen. „Ich habe das jahrelang als Fußballer gemacht und wenn es klappt, will ich da als Trainer wieder hin. Noch bin ich davon aber weit entfernt und sehe immer wieder, dass ich auch noch lernen muss.

Die Erfahrung aus der Spielerkarriere soll helfen, wenn es irgendwann wieder wichtige Entscheidungen zu treffen gilt.