Kamp-Lintfort. Mit Prudence Kinlend hat Handball-Zweitligist TuS Lintfort eine Torjägerin im Kader. Sie spricht im Interview über Kamerun, Sturheit und Beyonce.

Bettina Grenz-Klein pflegt als Cheftrainerin der Zweitliga-Handballerinnen des TuS Lintfort eigentlich den sachlichen Umgangston. Doch als wenige Wochen vor dem Abbruch der Saison durch die Corona-Pandemie in Prudence Kinlend eine Bundesligaspielerin in der Eyller Sporthalle aufschlug, griff Grenz-Klein verbal auf haushohe Töne zurück: „Dass Prudence nun bei uns spielt, ist für den TuS wie ein Lottogewinn.“ Das Kompliment gibt die 27-jährige Spielmacherin aus Kamerun, die acht Saisons für Koblenz, Göppingen und Leverkusen in der Bundesliga unterwegs war, im Interview nun zurück.

Frau Kinlend, fühlen Sie sich wie ein Lottogewinn für einen Zweitligisten wie den TuS Lintfort?

Prudence Kinlend: (lacht) Ich sehe das genau andersherum. Lintfort war für mich vor neun Jahren ein Lottogewinn.

Wie kam es dazu?

Damals hatte ich in Leverkusen ein Doppelspielrecht und bin der 3. Liga für den TuS aufgelaufen. Ich habe viel gespielt, viel gelernt, mich dabei super gefühlt. Das hat mich alles sehr nach vorn gebracht hat. Betty (Bettina Grenz-Klein, d.Red.) hatte ihren großen Anteil daran.

Wieso nun die Rückkehr? Sie könnten ja mit 27 Jahren noch weiter in der Bundesliga mitmischen.

In Göppingen hatte ich nach vier Jahren erkannt, dass meine Karriere stagniert. Die Zeit stand still. Und ich mag keinen Stillstand. Ich wollte wieder näher bei der Familie in Siegen sein, musste dazu auch an meine berufliche Zukunft denken.

Dieses Vorhaben hat in Leverkusen zuletzt nicht funktioniert.

Das stimmt. Ich konnte das Ende des Studiums, eine neue Arbeit und bis zu zehn Trainingseinheiten in Leverkusen nicht unter einen Hut bringen. Letztlich hatte ich im Team dann auch nur wenig Spielanteile.

Prudence Kinlend ist für den TuS Lintfort in der Vorbereitung auch auf Sand aktiv.  
Prudence Kinlend ist für den TuS Lintfort in der Vorbereitung auch auf Sand aktiv.   © TuS LIntfort

Also haben Sie sich für die berufliche Zukunft entschieden?

Genau. Ich konnte in der Bundesliga zwar vom Handball leben. Und ich hatte auch Angebote von anderen Vereinen. Doch was passiert, wenn ich nicht mehr spiele?

Dann kam Lintfort ins Spiel.

Ich habe Betty angerufen und mein neues Ziel auf Lintfort gelenkt. Ich wollte meinen Körper weniger belasten, nicht noch einmal umziehen, ein berufliches Standbein haben. Das habe ich in der Unternehmens-Kommunikation bei den Stadtwerken Kamp-Lintfort gefunden. Und die Zweite Liga ist total neu für mich. Das ist übrigens auch ein sportlicher Reiz.

Wie sind Sie zum Handball gekommen?

Meine Lehrerin in der Grundschule in Siegen hat damals meine Schwester Stephanie und mich dazu gebracht, mal zu einem Training zu gehen. Der Verein vor Ort hatte Flyer in der Schule verteilt. Die Lehrerin hat gemeint, ich solle mal aus mir herauskommen.

Haben Sie dann ja auch gemacht.

Stimmt. Ich bin mit sechseinhalb Jahren aus Kamerun nach Deutschland gekommen, konnte nur Französisch, habe anfangs ein halbes Schuljahr in der ersten Klasse verpasst. Das Leben war also am Anfang nicht so einfach für mich. Der Handball hat mir in meiner gesamten Entwicklung ganz schön geholfen, der Sport war für mich ein sehr guter Einstieg in Deutschland.

Was mögen Sie an Handball vor allem?

Das körperbetonte Spiel, das Durchsetzungsvermögen gegen eine Abwehr. Als Mittelangreiferin lenke ich auch das Spiel, muss immer Lücken suchen und Lösungen finden.

Wie viele Spielzüge muss Ihre Mannschaft draufhaben?

So sieben bis zehn – mit einigen Varianten. Wichtig ist immer, dass alle hellwach sind und mitmachen. Allein auf dem Spielfeld kommt man im Handball nicht zum Erfolg.

Gab es andere Sportarten, die Sie ähnlich begeistert hätten?

Eher nicht. Ich kann gut sprinten, spiele auch hobbymäßig mal Volleyball. Der Reiz am Handball ist abereindeutig am stärksten.

Erster Auftritt in jungen Jahren beim TuS Lintfort: Prudence Kinlend im Sommer vor der Handball-Saison 2011/12 in der 3. Liga.
Erster Auftritt in jungen Jahren beim TuS Lintfort: Prudence Kinlend im Sommer vor der Handball-Saison 2011/12 in der 3. Liga. © TuS LIntfort

Haben Sie ein Vorbild?

Ich habe mir immer Spielerinnen gesucht, die auf meiner Position Dinge besser können. Da habe ich genau beobachtet und abgeschaut – um am Ende besser zu werden als meine Mitspielerinnen.

Welche Schwäche würden Sie auch nach vielen Jahren in der Bundesliga gern ablegen?

Generell bin ich ein bisschen engstirnig und stur. Ich will gern Dinge durchsetzen. Und es ist nicht leicht, mich zu überzeugen. Aber ich arbeite dran, etwas weniger stur zu sein. (lacht)

Wo sehen Sie sich in den nächsten zehn Jahren?

Sicher nicht als Trainerin im Handball. Mit meinem Studium in Marketing und Unternehmens-Kommunikation kann ich überall landen und habe da keine feste Berufswahl. Das gefällt mir aber genau so.

Welche Persönlichkeit würden Sie gern mal treffen?

Im vergangenen Jahr war ich auf einem Konzert von Beyonce. Die Show auf der Bühne, ihre Stimme, das hat mir unheimlich imponiert, obwohl ich eigentlich gar kein Fan von Beyonce bin. Nach dem Konzert hatte ich allerdings das Gefühl, wie spannend es wohl wäre, mal im Backstage-Bereich dabei zu sein.

Übrigens:

In Göppingen fuhr Prudence Kinlend einen Sponsorenwagen mit dem eigenen Konterfei auf der Fahrertür. „Das sah cool aus, hatte aber auch den Nachteil, dass jeder wusste, wo ich grad bin, wenn ich mit dem eigenen Auto unterwegs war“, betont die Lintforter Rückkehrerin.

Die Rückkehr in den Handball-Westen im Frühsommer 2019 führte Kinlend nach Düsseldorf, wo sie auch dem nach kurzen Engagement bei Bayer Leverkusen noch wohnt. Bei den Stadtwerken Kamp-Lintfort ist die studierte Handballerin beruflich in der Öffentlichkeitsarbeit tätig.