Straelen. Der Weggang von Inka Grings vom SV Straelen war eine Überraschung. Carlos Girnt bleibt den Blumenstädtern treu. Er hat eine außergewöhnliche Vita.
Eigentlich heißt er Karl-Heinz. Die meisten Leute kennen ihn aber inzwischen als Carlos Enrique. Das ist nicht die einzige Kuriosität, die sich durch die Vita dieses inzwischen 66-jährigen Herren zieht.
Er hat als Profi in Spanien im Tor gestanden und später in der Schweiz sein Wissen an jüngere Keeper weitergegeben. Außerdem ist er noch Videoanalyst im Trainerstab einer zweifachen Europameisterin und steht mit einem Sternekoch am Herd.
Willkommen in der bunten Vita von Herrn Girnt! „Ja, ich habe schon einiges erlebt“, erzählt Karl-Heinz, oder besser Carlos Enrique Girnt. Zwei Pässe hat der Mann nämlich auch noch.
Mit „Bruno“ in Mülheim am Ball
Aber der Reihe nach. 1953 wird der kleine Karl-Heinz in Mülheim an der Ruhr geboren. Bei der inzwischen nicht mehr existierenden Spielvereinigung Dümpten 13 stellt er sich zum ersten Mal in den Kasten, ehe er zu Rot-Weiß Mülheim wechselt und mit dem spätere Nationalspieler und Mönchengladbach-Profi Hans-Günter Bruns in der Jugend, in einer Mannschaft steht. Nach den weiteren Stationen Tuspo Saarn, VfB Speldorf und SV Raadt verschlägt es ihn nach Paderborn.
Girnt verpflichtet sich bei der Bundeswehr als Zeitsoldat, doch der Militärdienst hält ihn nicht davon ab, auf dem Platz Karriere zu machen. Mit dem TuS Schloß Neuhaus, dem Vorgängerverein des heutigen Bundesligisten SC Paderborn, spielt er in der Oberliga Westfalen. 1977 kehrt er nach Mülheim und zum VfB Speldorf zurück, ehe er nach zwei Jahren wieder auf Reisen geht.
Rot-Weiß Lüdenscheid, FC Schwandorf, Jahn Regensburg und noch einmal Mülheim, diesmal Union 09, sind die weiteren Stationen des Keepers, der als gelernter Hotelfachwirt und Koch überall arbeiten kann – zum Beispiel in Spanien.
1991 verschlägt es Girnt auf eine den Deutschen recht bekannten Insel. „Ein spanischer Freund von mir hat mich nach Mallorca gelockt“, verrät Girnt. Bis dahin heißt er noch Karl-Heinz und arbeitet als Koch im Ferienort Cala d’Or. Dort lässt es sich nicht nur gut leben, nein, der örtliche Club Deportivo ist immerhin in der zweiten spanischen Liga am Ball. „Ich habe bei CD Cala d’Or ein Probetraining absolviert. Das war wohl ganz gut, jedenfalls wollte mich der Verein verpflichten“, erzählt Girnt und führt lachend aus: „Weil die Spanier aber meinen Namen Karl-Heinz nicht aussprechen konnten, haben sie mich Carlos-Enrique genannt. Das hat sich bis heute gehalten.“
Mit Nadal auf Mallorca
Im mallorquinischen Derby gegen CE Manacor trifft er auf einen gewissen Nadal. „Das war der Onkel von Rafael“, erinnert sich Girnt. Miguel Angel Nadal und er werden schließlich von RCD Mallorca verpflichtet, doch mit dem Aufstieg des besten Vereins auf der Insel in die Primera Division geht Girnt zurück nach Cala d’Or und wird dort Spielertrainer.
Über fünf Jahre bleibt er auf der Balearen-Insel und erhält neben der deutschen auch die spanische Staatsbürgerschaft. Dann fliegt er zurück in die Heimat, um seine kranke Mutter zu pflegen. Er schließt sich wieder dem VfB Speldorf an, diesmal als Torwarttrainer. Vom „Blötter Weg“ geht es weiter zum damaligen Frauenfußball-Bundesligisten FC Rumeln-Kaldenhausen aus Duisburg, wo Girnt die Jugend-Torhüterinnen trainiert und Martina Voss-Tecklenburg kennenlernt.
Als die heutige Nationaltrainerin nach Jena wechselt, zieht es Girnt in die Schweiz. Rapperswil SG und der renommierte FC Basel sind seine nächsten Klubs, doch als 2015 seine Mutter stirbt, geht es wieder zurück in den Westen Deutschlands. Unter Ex-Nationalstürmerin Inka Grings wird er nicht nur Torwartcoach, sondern auch Videoanalyst.
Die eigenen Keeper im Spiel filmen oder den Gegner beobachten, das macht Carlos-Enrique Girnt auch heute noch – inzwischen beim SV Straelen. „Für mich ist es wichtig, dass ich die Spieler noch einmal aus einer anderen Perspektive sehen kann als von meiner Position am Spielfeldrand“, sagt Inka Grings, bis zur vorigen Wochen noch Trainerin des designierten Regionalliga-Rückkehrers vom Niederrhein. „Carlos und ich arbeiten jetzt schon ein paar Jahre sehr vertrauensvoll zusammen, das passt einfach.“
Software aus Hoffenheim
Mit technischen Dingen hat der 66-Jährige keine Probleme. Girnt verfügt längst über ein enges Netzwerk im Fußball und tauscht sich unter anderem regelmäßig mit Michael Rechner, dem Torwarttrainer von 1899 Hoffenheim, und VfB Lübecks Keepercoach Walter Franta aus. Auch die Software für sein Videoprogramm kommt aus Hoffenheim. Nach einem Spiel – als vor der Coronapause noch der Ball im Amateurfußball rollte – schneidet Girnt das Material zusammen. „Das sind immer so vier bis fünf Stunden Arbeit“, erklärt er. Dann drückte er Inka Grings einen Stick in die Hand, die Analyse oblag natürlich der bisherigen Straelener Cheftrainerin.
Montags, wenn der Job im Fußball erledigt ist, kann sich Carlos-Enrique Girnt dann wieder seiner zweiten Lieblingsbeschäftigung widmen – dem Kochen. Seit zwei Jahren gehört er zum Eventcatering - Team von Starkoch Nelson Müller, der in Essen ein Sterne-Restaurant führt und seine Künste am Herd auch häufig im Fernsehen vorführt.
Nelson Müller war zwar früher Handballer, aber vielleicht kann ihn ja Carlos-Enrique Girnt mal zum Fußball nach Straelen locken, wenn dort wieder gespielt werden kann. Ein schönes Regionalliga-Aufstiegsmenü kommt bestimmt nicht nur bei Klubchef Hermann Tecklenburg gut an.