Elten/Bergamo. Emmerichs Fußballprofi Robin Gosens hat die Champions League mit Atalanta Bergamo im Visier - und spricht im Interview auch über die Bundesliga.

Gut drei Wochen vor Weihnachten hat sich Robin Gosens’ größter Wunsch bereits erfüllt. „Unser letztes Punktspiel des Jahres ist am 22. Dezember gegen Milan. Zum Fest kann ich also in Elten bei der Familie sein, das hat in den vergangenen beiden Jahren nicht geklappt“, verrät der 25-jährige Fußball-Profi von Atalanta Bergamo, der im Sommer 2017 von Heracles Almelo nach Italien gewechselt war, im NRZ-Interview. Bis dahin stehen noch drei Partien in der Serie A für den aktuellen Tabellensechsten und natürlich die finale Gruppenpartie der Champions League bei Schachtar Donezk auf dem Programm.

Herr Gosens, ein 1:0 dürfte kommenden Mittwoch in Charkiw reichen, um in die K.-o.-Runde der Champions League einzuziehen. Wie sehen Sie die Chancen?

Robin Gosens: Drei Spiele haben wir alt ausgesehen und Lehrgeld bezahlt, das 0:4 in Zagreb am Anfang war sicher ein Tiefpunkt für uns. Aber jetzt sind wir in der Königsklasse angekommen. Wir werden nicht nur gegen den Frost in der Ukraine ein Feuerwerk abbrennen müssen, um zu gewinnen. Unsere Chancen stehen 50:50.

Über den niederländischen Erstligisten Heracles Almelo ging es für Robin Gosens bis in die Champions League.
Über den niederländischen Erstligisten Heracles Almelo ging es für Robin Gosens bis in die Champions League. © FFS | SK

Was nehmen Sie mit aus ihrem ersten Jahr in der Königsklasse?

Einige magische Momente für die Ewigkeit, wie die Spiele gegen Manchester City. Die Champions League ist das größte Schaufenster, in das sich ein Profi auf Klub-Ebene stellen kann. Mehr Prestige geht kaum.

Auch Bundesligisten wie Schalke 04 hatten Sie plötzlich im Visier.

Derzeit ist das Thema ruhig. Und ich habe einen Vertrag bei Atalanta bis zum Sommer 2022. Der Klub weiß allerdings, dass ich irgendwann gern in der Bundesliga spielen will.

Sie könnten für Atalanta ein gutes Geschäft sein. Der Transfer von Heracles Almelo 2016 hat Bergamo nur 900.000 Euro gekostet.

Ein Transfer könnte eine Win-win-Situation für den Verein und mich werden. Aber so weit ist es nicht.

Auch für die Nationalelf wurden Sie zum Thema gemacht. Linksverteidiger sind gefragt. Hat Bundestrainer Joachim Löw schon angerufen?

Nein, und ich denke, dass dieses Thema derzeit nur eine Spekulation ist, leider. Aber ich biete mich natürlich an mit guten Leistungen. Nico Schulz und Marcel Halstenberg sind allerdings auch sehr gute Konkurrenten auf meiner Position.

Welche Rolle in Ihrer Entwicklung spielt Ihr Trainer bei Atalanta, Gian Piero Gasperini?

Meine gute Formkurve in den vergangenen beiden Jahren spricht Bände. Er hat mich taktisch und athletisch sehr weiterentwickelt. Das war und ist ganz viel Arbeit – und es ist sicher nicht nur Spaß, trägt aber Früchte.

Ihre Rolle im 3-5-2-System ist es, auf der linken Seite defensiv und offensiv zu arbeiten.

Das ist komplex, anspruchsvoll und war am Anfang nicht einfach. Ich war das Spiel auf der linken Seite in einer Viererkette gewohnt. Eine Dreierkette defensiv zu unterstützen und vorn auch Flanken zu bringen, daran musste ich mich gewöhnen.

Was hat sich für Sie mit dem Italien-Wechsel noch verändert?

Persönlich habe ich mir neben der Sprache die absolute Lebensfreude der Italiener ein wenig abgeguckt. In Deutschland ist oft ein Übermaß an Druck da, hier wird auch viel in den Tag hineingelebt. Man sollte die Qualität haben, genau dies seinem Leben hinzuzufügen.

Sie beschäftigen sich in Italien auch mit vielen Dingen neben dem Fußball.

Stimmt. Und das brauche ich auch, um abzuschalten oder in einer guten Balance zu sein. Mein sportpsychologisches Studium habe ich mit Zertifikat abgeschlossen. Ich studiere nun Psychologie an der SRH-Fernschule in Riedlingen.

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Ihr Freiburger Profikollege Nils Petersen hat in einem Focus-Interview mal betont, er müsse schon Bücher lesen, um nicht im oberflächlich behandelten Fußball zu verblöden. Hat er recht?

Grundsätzlich ist doch jeder seines Glückes Schmied. Und ein Fußballprofi hat auch eigentlich genug Zeit, nebenher etwas anderes zu machen. Das ist auch ein Privileg.

Wie wird Ihr Studium denn im Mannschaftskreis gesehen?

Ich bin da jetzt sicher nicht der Mannschafts-Psychologe vom Dienst. (lacht) Aber mit einigen Spielern bin ich im Austausch. Im Fußball steckt viel Emotion. Es gibt oft auch öffentliche oder interne Aussagen, die man im Kontext einordnen muss, um sie wirklich zu verstehen. Genau dies können Situationen sein, wo meine Meinung intern manchmal gefragt ist.

Was war bisher Ihr psychologisch bester Moment in Bergamo?

Platz drei und die Qualifikation für die Champions League. Das hat der Klub in 111 Jahren nicht geschafft. Dieser Erfolg bleibt für die Ewigkeit, nicht nur für mich persönlich.

Bleibt auch Ihr Treffer beim 1:3 gegen Juventus Turin in der Hinrunde der Serie A haften?

Natürlich. Ich habe gegen mein Kindheitsidol getroffen, das kann auch nicht jeder sagen.

Haben Sie das im Spiel getragene Trikot von Cristiano Ronaldo trotz des Treffers an jenem Tag auch bekommen?

Nein, ich habe es schon zweimal bei ihm versucht. Aller guten Dinge sind drei, ich bleibe da dran. (lacht) Und wir müssen in der Rückserie ja noch in Turin spielen.

Übrigens:

Das getragene Jersey von Cristiano Ronaldo hat Robin Gosens noch nicht ergattert. Dafür zählt das himmelblaue Dress von Nationalspieler Ilkay Gündogan aus dem Champions-League-Treffen mit Manchester City zu seiner Sammlung.

Den Abend im Etihad Stadium hat Gosens in frischer Erinnerung: „Eine Halbzeit haben wir mitgehalten, dann mussten wir für jeden Fehler gegen eine der besten Mannschaften der Welt bezahlen.“ Das Spiel mündete für Bergamo in einem 1:5.