Emmerich. . Elektrische Muskelstimulation ist derzeit sehr angesagt. Das Fitbox-Studio in Emmerich bietet genau das an. Die NRZ wagt den Selbstversuch.
Schon seit einigen Jahren gibt es im Fitnessbereich eine Neuerung, die mittlerweile beständig genug ist, um nicht mehr von einem Trend zu sprechen. EMS – elektrische Muskelstimulation – heißt das Zauberwort, dass mit wenig Zeitaufwand große Erfolge verspricht. Seit September gibt es ein darauf spezialisiertes Studio, Fitbox, auch in Emmerich und das läuft bisher sehr erfolgreich.
EMS ist nicht nur für Großstädte geeignet
„Vor ein paar Jahren hat man noch gesagt, EMS sei nur was für Großstädte“, weiß Leroy Nienhaus (26), der das Studio leitet. Nun habe sich aber gezeigt, dass es gerade in kleinen Städten wie Emmerich, wo viel über persönliche Weiterempfehlung und Mundpropaganda läuft, „heftig durch die Decke geht“.
Gemeint sind damit die Mitgliederzahlen – das Fitbox-Studio gibt es jetzt ein gutes halbes Jahr in Emmerich und es ist bereits zu 75 Prozent ausgelastet. Ein Grund für die NRZ, das Ganze mal auszuprobieren. Ein Selbstversuch.
Zweimal 20 Minuten sollen reichen
Das Studio ist klein und liegt fast ein bisschen versteckt an der Straße Hinter dem Schinken. Zwei Trainingseinheiten in der Woche, einmal Krafttraining und einmal Cardio, jeweils für 20 Minuten, sollen hier genügen, um gesund und fit zu werden. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein.
„Rein physiologisch reicht das“, ist Studioleiter Leroy Nienhaus überzeugt. „Wenn wir jetzt nur Krafttraining anbieten würden, würde ich noch zu Ausdauertraining raten.“ Aber das besondere im Fitbox ist, dass hier beides angeboten wird. Und sogar die dritte Komponente, Ernährung, wird auf Wunsch abgedeckt.
Gesundheitsorientiertes Fitnesskonzept
Weder von außen, noch von innen wirkt Fitbox wie ein typisches Fitnessstudio. Vielleicht weil Spiegel fehlen, es keine Hantelbänke gibt und weder Bilder besonders trainierter Körper, noch pseudo-motivierende Sprüche an den Wänden hängen. Bodybuilder oder Disco-Pumper sucht man vergeblich.
Der Fokus liegt eben, anders als im konventionellen Fitnessbereich, weniger auf der Optik: „Es ist ein gesundheitsorientiertes Fitnesskonzept“, erklärt Studioleiter Leroy. „Ich find es schön, wenn jemand abnimmt, aber noch schöner ist es, wenn jemand gesundheitlich weiter kommt.“
Das Durchschnittsalter liegt bei 46 Jahren
Dieser Schwerpunkt lässt sich auch an der Mitgliederzusammensetzung erkennen: Das Durchschnittsalter liegt bei 46 Jahren, das älteste Mitglied ist 80. Zwar gebe es auch einige wenige 18-Jährige, sagt Leroy, die seien aber eher selten.
Nicht zuletzt hängt das auch mit dem Preis zusammen: 30 Euro zahlen die Mitglieder für zwei Einheiten in der Woche samt Betreuung. Preislich liegt das zwar im Mittelfeld für EMS, verglichen mit normalem Personal-Training ist es sogar günstig, eine konventionelle Fitness-Studio-Mitgliedschaft ist allerdings deutlich günstiger zu haben.
Um diesen Betrag zu investieren muss einerseits die Lebenssituation stimmen und andererseits auch die Bereitschaft da sein, einen solchen Betrag in die Gesundheit zu stecken. „Das fängt meist erst ab 25 oder 30 an“, weiß Leroy.
„Es ist alles viel persönlicher“
Das Studio hat die Größe eines kleinen bis mittleren Ladenlokals und ist minimalistisch gehalten: Es gibt nur ein Laufband und zwei Trainingsmatten, jeweils mit einem EMS-Gerät daneben. Im hinteren Studiobereich finden sich ein paar Umkleidekabinen und ein kleiner Bereich zum Sitzen. Das Farbkonzept setzt hauptsächlich auf weiß, grau und hellgrün, lässt den Laden hell und freundlich wirken. Im Hintergrund läuft leise Musik, motivierende Elektrobeats.
Dass hier alles so klein gehalten ist, hat seinen Grund. „Das ist das Mikro-Studio-Konzept“, erklärt Studioleiter Leroy, der hier als einer von vier Trainern arbeitet. „Es ist alles viel persönlicher. Man ist viel näher dran an den Leuten und kann besser an den Zielen arbeiten.“
Trainieren mit Ziel
Diese Ziele gibt jedes neue Mitglied beim ersten Termin an: Abnehmen, Muskeln aufbauen, Körper straffen, Rücken stärken, Ausdauer verbessern, Fitness steigern, Haltung verbessern oder Stress abbauen. „Natürlich würde jeder alles davon mitnehmen“, lacht Leroy, dennoch soll man drei Bereiche nennen, auf die der Fokus gelegt werden soll.
Auch ich mache das heute. Wenn auch nur pro forma, schließlich werde ich lediglich das eine Training absolvieren. Am wichtigsten ist mir: Haltung verbessern. Denn wenn ich mich nicht darauf konzentriere, habe ich die typische Schreibtischsitzer-Haltung mit leicht nach vorn gekippten Schultern, die mir schon jetzt manchmal Rückenschmerzen bereitet.
Verkürzte Brustmuskeln, schwacher Rücken: Ein häufiges Problem
Ein gängiges Problem, weiß Leroy. Der Brustmuskel ist verkürzt und die Rückenmuskulatur schwach. Besonders den sogenannten Kapuzenmuskel, auf lateinisch: Trapezius, der die Schultern geradeziehen könnte, sei bei vielen Menschen so untrainiert, dass sie ihn gar nicht bewusst anspannen können. Ihnen fehlt die „Mind-Muscle-Connection“. Mir fehlt sie auch.
Kurz klären wir noch ab, ob Gründe vorliegen, aus denen ich EMS nicht machen dürfte. Aber ich bin weder krank noch schwanger, also kann es los gehen. Ein paar „lockere Runden“, wie Leroy sagt. Das 15-minütige Einsteiger-Programm.
Die passende Kleidung gibt’s auch im Studio
Der erste Schritt – wie vor jedem Training – ist das Umziehen. Für den Sport unter Strom ist besondere Kleidung erforderlich. Die bekomme ich, wie ein Großteil der Mitglieder auch, vom Studio. Es gebe auch die Möglichkeit die Sachen zu kaufen, erklärt Leroy, aber die meisten würden den sogenannten Komfort-Service nutzen. Heißt: Die Klamotten sind gemietet und verbleiben im Studio. Das wiederum kümmert sich um die Wäsche.
Der schwarze Stoff liegt an wie eine zweite Haut, verzeiht keine Rolle und keinen Schwabbel. Glücklicherweise kommt direkt die EMS-Weste drüber. Und das ist erst mal ein Schock: Sie ist kalt und nass und verschlägt mir für einen kleinen Moment den Atem. Aber der Strom will schließlich geleitet werden.
Ein Gefühl, wie auf einer Massagebank
Es folgen Bänder für Arme, Beine und den Po. Überall werden Elektroden angeschlossen, acht an der Zahl. Willentlich könne ein Mensch nur 35 Prozent seiner Muskelfasern aktivieren, hat mir Leroy erklärt. Der Strom steigere diesen Wert auf 94 Prozent, also deutlich mehr als doppelt so viel, fast die dreifache Menge. Deshalb sei das Training so effektiv.
„Viele sagen, es fühlt sich an wie ein Kribbeln“, versucht der Trainer mich auf das vorzubereiten, was jetzt gleich kommt. Und tatsächlich: Es ist ein bisschen, wie auf einer stark eingestellten Massagebank zu liegen, nur eben ohne Liegen.
„Mit dem Impuls“ trainieren
Es kribbelt, es kitzelt, es ist sogar angenehm. Ich stehe auf der Matte, schulterbreit, und blicke auf eine bunt blinkende Anzeige vor mir. Grüne Kreise repräsentieren die Elektroden an meinem Körper. Stück für Stück schaltet Leroy sie hoch, so lange bis ich die einzelnen Muskelgruppen spüren kann, aber nicht so, dass es unangenehm ist.
Dann geht es los. Ich soll „mit dem Impuls“ trainieren – das weiß ich schon. Auf dem EMS-Gerät baut sich ein roter Streifen auf: Pause. Dann kommt gelb: Muskeln anspannen. Und grün: Übung ausführen bei maximalem Kribbeln.
Pistol Squads, Bizeps Curls und der Skispringer
Nacheinander durchlaufe ich verschiedene Übungen für Einsteiger, mache Sachen wie Pistol Squads (einbeinige Kniebeugen mit nach vorn gestrecktem Fuß), Bizeps Curls (eine Übung für die Oberarme) oder den Skispringer (Knie gebeugt, Arme werden nach hinten gezogen).
Vor allem die letzte Übung ist anstrengend. Sie soll den Trizeps beanspruchen und gegen die sogenannten Winkearme helfen. Nur gerade dort merke ich es nicht. Leroy stellt den Strom hoch. 35 Prozent sind gut, 37 schon zu viel. Unglaublich, wie intensiv sich dieser scheinbar kleine Unterschied anfühlt. „Das hat damit zu tun, dass der Trizeps ein Muskel ist, der im Alltag kaum benutzt wird“, erklärt der Trainer.
„Das war mal wieder Power pur!“
Neben mir trainiert Wilhelm, genannt Willi. Er ist 61 Jahre alt und kommt seit der Eröffnung im September regelmäßig zur EMS. Heute hat er seine Cardio-Einheit. Während ich auf der Matte merkwürdige Posen einnehme, trainiert er auf dem Crosstrainer, und das ebenfalls unter Strom.
„Das war mal wieder Power pur!“, freut er sich nach dem Training. Zehn Kilo wollte er verlieren, das war vor einem halben Jahr das erklärte Ziel, mit dem er angetreten ist. „Ich hab auch vorher Sport getrieben, aber mein Gewicht ging nicht runter“, blickt er zurück.
Willi hat mit EMS schon deutlich an Gewicht verloren
Mittlerweile hat er schon einige Kilo verloren. Beim ersten Training wog er 90 Kilo, nun seien es 84 – allerdings mit Klamotten. „Meine Arbeitskollegen haben schon gesagt: ‘Du siehst ganz anders aus!’“, erzählt Willi stolz. Er fühle sich nun viel fitter.
Neben dem EMS-Training geht er regelmäßig schwimmen, benutzt seit einiger Zeit auch wieder seine Geräte zuhause: Crosstrainer und Laufband. „Das ist bei vielen Leuten der Fall, wenn sie bei uns anfangen“, erzählt Leroy. „Dass sie dann auch wieder sportliche Gedanken fassen.“