Emmerich/Kleve. . Zur Bundesliga-Partie gegen Werder Bremen fuhr die NRZ mit im Bus der Schalke Freunde Emmerich und des Klever Fan-Clubs “Zum blau-weißen Rüssel“.
Da zappelt der Ball im Netz. In der Nachspielzeit. Die Königsblauen schlagen die Hände über dem Kopf zusammen. Die Werder-Fans in der Arena auf Schalke explodieren. Bremen gewinnt in letzter Sekunde mit 2:1. Der Reporter, der diesen Moment live im Stadion nur erlebt, weil die Schalke Freunde Emmerich ihn als Werder-Fan auf die Tour eingeladen haben, bekommt ein schlechtes Gewissen.
Doch es kommt noch schlimmer. Zur Rückfahrt im Bus angekommen, bemerkt der Reporter: „Mein Block ist weg. Der liegt noch in der Arena...“ Jetzt muss er alle Gesprächspartner, die ihm vor dem Spiel noch voller Inbrunst ihre besonderen Schalke-Beziehungen erzählt haben, erneut abklappern: „Erzähl nochmal. Was haste mir vorhin erzählt?“ Versteht sich von selbst, dass die Euphorie, mit der die Königsblauen mittags noch berichteten, sich nun ob der Niederlage in letzter Sekunde doch merklich gelegt hat. Als wenn der Reporter ihnen das jetzt noch unter die Nase reiben wollte. Noch mehr schlechtes Gewissen...
Samstag. 11.04 Uhr. Die ersten Schalke-Fans trudeln in der Stammkneipe Onder de Poort an der Rheinpromenade ein. „Ente“ Andre Miesen begrüßt alle gut gelaunt. Er kümmert sich um die Tickets für die Heimspiele auf Schalke.
Um 12.20 Uhr soll der Bus ab Alter Markt prallgefüllt mit Königsblauen abfahren. Das Bier fließt durch den Zapfhahn. Die Königsblauen reden natürlich über Fußball. Frank van Nüß beteuert, dass das „Geschäft Fußball“ seinen Reiz von früher verloren habe. Anstoßzeiten etwa am Montagabend stoßen auf Ablehnung. Aber der Mythos Schalke bleibe. Gäb’s ein Kartenquartett für Schalke-Fans würden in der Kategorie „Seit wann Dauerkarten-Fan-Inhaber?“ einige der Anwesenden mit hohen Werten stechen können.
Viele Gelegenheitsmitfahrer
Im Bus herrscht gute Stimmung. Beim Plaudern verliert man die Zeit. Das Bier fließt. Um den Kern, der immer dabei ist, gibt’s etliche Gelegenheitsmitfahrer. Tatsächlich sind noch mindestens zwei weitere Werder-Fans im Bus, die irgendwer mitgebracht hat. Sie sind aber nicht durch grüne Trikots oder Schals zu erkennen.
Entstanden ist das gemeinsame Schalke-Erlebnis Anfang der 90er. Die Clique um Miesen, „Funny“ van Nüß, „Kalli“ Andre Rottwinkel und „Mischel“ Michael Rottwinkel kam regelmäßig in der Klause von Clemens Langer in Speelberg zusammen. Warum nicht zusammen im Bus nach Schalke fahren? So nahm das Ritual seinen Lauf. Zeitweise fuhren die Schalke Freunde Emmerich, auch „Klausianer“ genannt, ab dem Kapaunenberg und ab der Leegmeerstube, seit zwei Jahren ab Onder de Poort. Das passt sehr gut, zumal das Wirte-Paar Marcel Meisters und Manuela Pertz auch königsblaublütig ist.
„Wenn es um Schalke geht, kennt der Rhein keine Grenzen!“
Auf dem Rastplatz in Hünxe wird eine Toiletten-Pause eingelegt. Einige Busse mit königsblauer Fracht machen hier Halt. Auf diese Weise haben die Emmericher auch vor zwei Jahren Kontakt zum Klever Fan-Club "Zum blau-weißen Rüssel" aufgenommen, der im Gegensatz zu dem Emmericher Treff ein eingetragener Fan-Club ist. „Seit etwa zwei Jahren fahren wir zusammen“, berichtet der 1. Vorsitzende Frank Kempen.
Die Klever zählen 19 Mitglieder, die Elefantenstube ist ihr Vereinslokal: „Wir fahren immer mit. Wenn es um Schalke geht, kennt der Rhein keine Grenzen“, sagt der Niederländer. So kommt es häufiger vor, dass – wie an diesem Tag – ein 50er-Bus vom Niederrhein Richtung Gelsenkirchen fährt.
Heute sitzt wieder Rosario am Steuer. Der Busfahrer vom Taxi- und Busbetrieb Schlitt aus Goch ist unter den Blau-Weißen beliebt, denn er sei auf Zack und sorge dafür, dass die Schalker auch immer pünktlich ankämen. Kurz vor der Abfahrt Gelsenkirchen-Buer ertönt die Anfeuerung: „Busfahrer! Busfahrer!“ Sie kennen das schon. Rosario fährt an dem Stau auf dem Seitenstreifen vorbei und schert erst kurz vor der Abfahrt ein. So auch diesmal: Jubel bricht aus.
Die eine Ehe hielt, die andere nicht
Jeder im Bus hat seine persönliche Schalke-Geschichte. Wie Udo Hemming. Der Bocholter, der heute in Elten lebt, war einst der erste, der sich in der Kapelle der Schalke-Arena hat kirchlich trauen lassen. Den ersten Sohn nannten sie Youri Andy Ebbe. Da weiß jeder Schalker sofort Bescheid. Sie sind benannt nach Youri Mulder, Andreas Müller und Ebbe Sand. Ehemalige Kicker, die für Schalke stehen. Der zweite Sohn heißt Mike Emile Jörg (Büskens, Mpenza, Böhme). Die Ehe hielt nicht. Die mit der Frau versteht sich.
„Funny“ van Nüß, der 1991 den Wiederaufstieg in die Bundesliga gar mit der Mannschaft feiern konnte, räumt ein, dass ihm heute noch die Tränen kommen, wenn er an 2001 denkt. Als die Schalker sich vier Minuten lang für den neuen Deutschen Meister hielten. Um dann zu erfahren, dass das Spiel in Hamburg lief noch. Bayern schoss bekanntlich noch ein Tor in der Nachspielzeit und wurde Meister.
Heute denkt van Nüß mit Stolz daran zurück. Dabei hatte er Andre Miesen 1987 als 17-Jähriger gesagt: Er wolle sterben, wenn Schalke Meister wird. Also: Bayern hat ihm wohl das Leben gerettet. Dann gibt’s aber auch einen wie Willi Holtkamp, der Montag seinen 81. Geburtstag feierte. Als eher neutraler Fußball-Fan fuhr er erstmals mit Auf Schalke. Für Schalke ist man niemals zu alt.
Anstoß. Sollte es etwas zu jubeln geben, dann schön zurückhalten, hatte sich der Reporter vorgenommen. Doch um ihn herum sitzen tatsächlich einige Bremer, der Gäste-Fan-Block ist auch nicht weit. So sind für ihn auch reichlich Werder-Fan-Gesänge zu hören.
Das Spiel plätschert auf mäßigem Niveau dahin. Schalke hat gefühlt das Spiel im Griff. Das 1:0 fällt aber aus dem Nichts. Konoplyankas harmloser Schuss flutscht Werder-Keeper Pavlenka durch die Hände. Was für ein Patzer! Schalke jubelt. Emmericher Fans bedanken sich bei mir für das Geschenk. Bitte schön...
Gäste drehen das Spiel
Werder kommt auch in Halbzeit zwei nicht in Fahrt. Aber Schalke verwaltet das Spiel und geht nicht aggressiv aufs 2:0. Die 78. Minute verändert alles. Schalke-Verteidiger Nastasic sieht Gelb-Rot. Die Stimmung in der Arena kippt sofort. Blau-Weiß ahnt, das könnte noch schief gehen.
Der folgende Freistoß bringt schon das 1:1. Diesmal patzt Schalke-Keeper Fährmann. Kruse trifft. Jetzt hört man nur noch Werder. Fast schon überraschend schießt Pjaca einen Ball an den Bremer Pfosten.
Aber das Schicksal vollendet sich in Minute 93, als Junuzovic einem aufs Tor kullernden Ball hinterher spurtet und ihn vor dem Schalker Kehrer über die Linie drückt. Jetzt kann man sich als Bremer nicht mehr zurückhalten.
>>MITFAHREN IST MÖGLICH
Auch ohne Happy-End für Blau-Weiß laden die Emmericher Schalke Freunde den Reporter nochmal ein. So sind sie. Gastfreundlich. „Wir sind offen für Fans anderer Verein, die dürfen auch mit fahren“, sagt „Ente“ Miesen. Nur Dortmunder bitte nicht. Wer Lust hat die Bustouren mitzumachen, erkundigt sich bei den Onder de Poort-Wirten Marcel Meisters oder Manuela Pertz.