Am Niederrhein. Jupp Tenhagen hat im Fußball-Geschäft viel erlebt. In Teil 1 des Interviews geht‘s u.a. um den VfL Bochum, die DFL und den 1. FC Bocholt
Franz-Josef „Jupp“ Tenhagen ist im Fußballzirkus am unteren Niederrhein eine Legende. Der 71-Jährige bestritt insgesamt 457 Bundesliga-Spiele für Rot-Weiß Oberhausen, Borussia Dortmund und vor allem den VfL Bochum und erzielte dabei 25 Tore. Zudem brachte es der frühere Libero auf drei Länderspiele für die Deutsche Nationalmannschaft. Tenhagen, der anschließend als Trainer aktiv war, ist mittlerweile an die Castroper Straße zurückgekehrt. Beim VfL Bochum sitzt er seit Oktober 2016 im Aufsichtsrat und seit der ein Jahr später erfolgten Ausgliederung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ist er Präsidiumsmitglied des Klubs.
Die NRZ spricht mit dem gebürtigen Millinger im ersten Teil des großen Interviews über den VfL Bochum, die DFL, den deutschen Fußball und den Regionalliga-Spitzenreiter 1. FC Bocholt.
NRZ: Herr Tenhagen, wie geht es Ihnen aktuell?
Jupp Tenhagen: Mir geht’s gut, ich bin gesundheitlich topfit, habe keinerlei Beschwerden oder Probleme.
Halten Sie sich denn noch sportlich fit?
Nein, ich mache sportlich gar nichts mehr. Man achtet ein bisschen auf seinen Lebenswandel, um fit zu bleiben.
Seit Oktober 2016 sitzen Sie im Aufsichtsrat des VfL Bochum. Was sind Ihre genauen Aufgaben im Klub und haben Sie auch noch genauen Einblick in das tägliche Geschäft?
Ich bin ja im Präsidium und im Aufsichtsrat beim VfL und ich habe dementsprechend schon Einblick und natürlich Entscheidungsgewalt, wen oder ob wir zum Beispiel jemanden verpflichten. Natürlich bekommen wir Vorschläge von den Geschäftsführern Ilja Kaenzig und Patrick Fabian sowie Sportdirektor Marc Lettau. Am Ende obliegt natürlich uns die Entscheidung, ob ein Trainer oder ein Spieler verpflichtet wird.
Derzeit belegt die Mannschaft mit 16 Punkten den 14. Tabellenplatz. Wie bewerten Sie die bisherige Hinrunde ihres Vereins?
Der Start der Saison war nicht so besonders gut. Wir sind direkt im Pokal bei Arminia Bielefeld ausgeschieden, was nicht so vorhergesehen war. Und dann haben wir in München eine schöne Klatsche bekommen und in Stuttgart auch hoch verloren. Insgesamt waren die ersten Spiele nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir haben aber auch einige neue Spieler, die integriert werden mussten. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass wir 16 Punkte haben und in dem einen oder anderen Spiel, welches wir Unentschieden gespielt haben, hätten wir auch drei Punkte holen können und dann hätten wir noch besser dagestanden. Dennoch sind wir mit dem momentanen Verlauf sehr zufrieden und die Entwicklung der Mannschaft ist gut.
Wie sehen Sie die Arbeit von Trainer Thomas Letsch, der das Amt im September 2022 von Thomas Reis übernommen hat?
Wir haben ja mittlerweile auch den Vertrag mit ihm verlängert, denn wir sind der Überzeugung, dass wir mit ihm einen guten Trainer haben, der die Mannschaft entwickelt und den VfL Bochum in der Bundesliga hält.
Am 11. Dezember fand eine Abstimmung der 36 Profi-Klubs statt. Die Mehrheit hat dafür entschieden, dass die Deutsche Fußball Liga (DFL) sich um einen Investor bemühen darf. Wie steht der VfL Bochum bzw. wie stehen Sie zu dem Entscheid?
Das Thema ist ja nicht neu, sondern ist bereits vor einem Dreivierteljahr schon mal bearbeitet worden. Damals ist es jedoch von den Meisten noch abgelehnt worden. Jetzt ist es so, dass die Zweidrittelmehrheit erreicht wurde und die DFL nun irgendwann auf Investorensuche gehen wird. Ich bin der Meinung, dass wenn die deutschen Vereine International noch mithalten wollen, wir keine andere Chance haben, als einen anderen Weg zu gehen. Wenn ich sehe, was in England, Spanien oder auch Italien bezahlt wird und was da an Geldern fließt, haben wir gar keine andere Möglichkeit. Wenn wir mit dem deutschen Fußball nicht hinten dran stehen möchten, dann müssen wir diesen Weg gehen. Es ist zwar nicht der ideale Weg, aber wir haben keine andere Chance.
In Deutschland gibt es aber eine besondere Fankultur, die am vergangenen Wochenende ja auch in den Stadien dagegen protestiert hat. Birgt das nicht auch irgendwo eine Gefahr, dass uns diese Kultur abhandenkommt?
Das ist sicherlich eine Gefahr und diese sehen wir auch. Aber ich glaube, dass der Fan letztendlich nicht zufrieden ist, wenn kein deutscher Verein mehr in der Champions League mithalten kann. Das ist ein zweischneidiges Schwert und diese Entscheidung ist auch nicht einfach und ich denke, dass sich auch die Entscheider es sich nicht einfach gemacht haben. Aber ich glaube, wie ich schon gesagt habe, gibt es keinen anderen Weg, um International weiter mithalten zu können. Aber auch die kleinen Bundesliga-Vereine partizipieren davon, denn momentan kränkeln ja auch die TV-Geldgeber wie Sky oder DAZN ein bisschen finanziell. Und von der Warte aus, wenn dann die Fernsehgelder weniger werden – auch für die kleineren Vereine – wird es für diese auch nochmal wieder schwieriger.
Kommen wir zu einem Verein, der aktuell daran arbeitet, in den Profi-Fußball zurückzukehren. Die Rede ist natürlich vom 1. FC Bocholt, der aktuell Spitzenreiter der Regionalliga West ist und wo sie insgesamt elf Jahre als Trainer sowie anschließend noch für kurze Zeit als Sportdirektor tätig waren. Wie ist der Kontakt dorthin noch und wie intensiv verfolgen Sie, was dort derzeit passiert?
Kontakte habe ich sicherlich noch zum 1. FC Bocholt, bin aber nicht mehr so eng dran, wie ich früher mal dran war. Aber mich interessiert das auch und verfolge es sehr genau. Es freut mich sehr, dass Bocholt die Tabellenführung übernommen hat und wünsche es ihnen auch, dass sie den Weg in die 3. Liga gehen könnten, auch wenn dieser nicht einfach ist. Aber rein sportlich gesehen muss ich sagen, habe ich es nicht erwartet, dass sie so weit oben stehen und so gute Leistungen abrufen können. Aber so wie es momentan aussieht, ist es keine Eintagsfliege, sondern kontinuierlich hat sich die Mannschaft gesteigert, erzielt Topergebnisse und steht vollkommen zu Recht da oben.
Wie genau meinen Sie das?
Mit dem Aufstieg gäbe es natürlich einige Hürden zu überwinden und ob das machbar ist, ist ja auch noch nicht geklärt. Die 3. Liga ist auch sicherlich nicht ungefährlich, denn dort steigen die Kosten erheblich. Zudem muss man jetzt schon die Voraussetzungen dafür schaffen, was das Stadion angeht. Da sind so viele Dinge, die in Bocholt noch erledigt werden müssen. Von der Struktur her sind sie ja gerade so an der Grenze ausreichend für die Regionalliga und wenn sie aufsteigen würden, müssen sie den Weg gehen oder in ein anderes Stadion ausweichen. Das wäre meiner Meinung nach aber fatal für die Bocholter Zuschauer. Und wenn ich meine Heimspiele immer in einem fremden Stadion austragen müsste, dann würde ich als Verein vielleicht verzichten und würde dann lieber in der Regionalliga bleiben.
Birgt das nicht aber auch ein gewisses Risiko? Denn dann kann man ja davon ausgehen, dass der Verein niemals in die 3. Liga aufsteigen wird.
Jeder Trainer, Sportliche Leiter oder Spieler hat natürlich das Ziel, so hoch wie möglich zu spielen. Wenn der Erfolg möglich ist, möchte man diesen auch ernten, das ist einfach so. Das wäre natürlich fatal, wenn man das nicht realisieren könnte. Aber man darf das Risiko, dass der Verein noch jahrelang finanziell darunter leidet, auch nicht zu hochtreiben. Denn man hat schon genug Klubs gesehen, die heute noch wirtschaftliche Probleme haben, weil sie den Weg gegangen sind. Daher muss man sich das dementsprechend gut überlegen, was möglich ist und was nicht. Allerdings sehe ich im Moment auch Wege. Wenn ich die Presse so verfolge, sehe ich auch, dass dort Bewegung reinkommt, auch von Seiten der Stadt her. Ich glaube, dass sie sieht, dass der 1. FC Bocholt im Falle eines Aufstiegs ein guter Repräsentant der Stadt wäre. Nicht nur in dieser Region, sondern in ganz Deutschland. Ich glaube auch, dass die Wirtschaft in Bocholt davon profitieren würde, wenn der 1. FC in der 3. Liga spielen würde. Das wäre mit Sicherheit nicht uninteressant.
Das Weihnachtsfest steht an. Wie verbringen Sie die Feiertage?
Heiligabend machen wir ganz traditionell unter uns und am ersten Weihnachtstag treffen wir uns mit der gesamten Familie. Und den zweiten Weihnachtstag habe ich dann auch mal zum Erholen, ehe der Trubel mit meinem Geschäft weitergeht, da ja auch die Inventur ansteht.
Lesen Sie im zweiten Teil des großen NRZ-Interviews mit Jupp Tenhagen am Samstag u.a. über den Landesliga-Spitzenreiter SV Blau-Weiß Dingden, seine berufliche Situation sowie seine Enkelin und U-Nationalspielerin Mailin Tenhagen.