Duisburg. Rollhockey-Rekordmeister RESG Walsum kann die Spielerabgänge kaum noch auffangen. Abteilungsleiter Reinhold Luerweg rüttelt die Mitglieder auf.
Mehr als ein Dreivierteljahrhundert Rollhockey-Geschichte, deutscher Rekordmeister der Männer, zahlreiche nationale Titel für den Nachwuchs, amtierender Bundesliga-Vizemeister – und jetzt auf einmal alles vorbei? Bei der RESG Walsum geht die Angst um, seit Abteilungsleiter Reinhold Luerweg in einem Brandbrief an die Vereinsmitglieder aufgezeigt hat, wie es um die unmittelbare Zukunft des Traditionsvereins aus dem Duisburger Norden bestellt ist. Das Schreckgespenst sieht so aus: keine Meldung für die neue Bundesligasaison, eine mehr als ungewisse Rückkehrperspektive, damit verbunden wohl auch das Aus für die gerade wieder mühsam in Gang gebrachte Jugendarbeit – und nach dem bereits vollzogenen Rückzug des Frauenteams aus der Bundesliga vermutlich über kurz oder lang das Ende für den Rollhockeysport in Walsum.
„Unser Herrenteam steht momentan kurz vor dem Aus“, verdeutlichte Reinhold Luerweg in besagtem Schreiben per Fettdruck, worum es gerade geht. Das Grundproblem ist seit Jahren bekannt: Die RESG, die einst fast ausschließlich den eigenen Nachwuchs zu den Senioren hochzog, hat mit einer riesigen Lücke im Jugendbereich zu kämpfen. Weil die Verantwortlichen aber auch keinen Sinn darin sahen, bei den wenigen Vereinen der zuletzt auf nur noch sechs Teams geschrumpften 1. Bundesliga zu „wildern“, blieb nur noch die Alternative, im Ausland Spieler zu finden.
Daher besteht die Walsumer „Erste“ schon seit längerer Zeit überwiegend aus Akteuren, die aus Spanien oder Portugal stammen. Durch gute Kontakte auf die iberische Halbinsel, wo Rollhockey im Gegensatz zu Deutschland ein unter nahezu professionellen Umständen betriebener Sport ist, war es immer wieder möglich, dort fündig zu werden. Damit verbunden war freilich auch immer wieder ein hoher organisatorischer Aufwand, was Wohnmöglichkeiten und Arbeitsplätze betrifft. Dieser könne „nicht mehr nur von ein oder zwei Personen gestemmt werden“, verdeutlichte Reinhold Luerweg in seinem Brief.
Die Notwendigkeit, sich wieder in Südeuropa auf die Suche zu machen, wurde nach dem Ende der vergangenen Saison akut. Mit Victor Iranzo und dem Engländer Arran Hall verabschiedeten sich gleich beide Torhüter; außerdem entschied sich Oldie Nuno Rilhas, mit nun 50 Jahren den Schläger an den Nagel zu hängen. Nachdem auch noch César Torres angekündigt hatte, in seine portugiesische Heimat zurückzukehren, wurde es bereits eng. Die letzten Hiobsbotschaften folgten dann aber unlängst mit dem beruflich bedingten Abschied von Fabian Schmidt und etwas, womit der Verein gar nicht gerechnet hatte: dem Wechsel von Jung-Nationalspieler Jan Dobbratz zu Meister Germania Herringen.
Nur vier Feldspieler bleiben bei der RESG
Ergab exakt vier Feldspieler, die blieben: die drei Spanier Miquel Vila, Gerard Aragay und Marc Coll sowie der deutsche Nationalspieler Sebastian Haas, inzwischen ja auch in Personalunion Sportlicher Leiter der RESG. Zwar konnten bereits zwei spanische Torhüter und ein Landsmann fürs Feld neu verpflichtet werden, doch nach den jüngsten Abgängen umfasste der Kader nur noch ganze sieben Akteure. „Damit werden wir kein Team in die neue Saison starten lassen können“, so Luerweg.
Die Bemühungen, innerhalb der Landesgrenzen Ersatz zu finden, zerschlugen sich allesamt. Anfragen bei Ex-Spielern wie Christopher Berg oder Daniel Quabeck wurden aus verschiedenen Gründen abgelehnt, und auch die neu eingeführte Möglichkeit, Zweitspielrechte für Akteure aus unteren Klassen zu nutzen, verfing nicht. Dabei hatte Reinhold Luerweg genau diese Option gemeinsam mit seinem Kollegen Ralf Henke von der inzwischen in die Regionalliga zurückgezogenen ERG Iserlohn auf den Weg gebracht, um Talenten aus dem Sauerland eine hochklassige Spielmöglichkeit zu verschaffen. Doch der Walsumer stellte frustriert fest: „Die Jungs haben teilweise keinen Führerschein und die Eltern waren nicht bereit, den Fahrtaufwand zu leisten. Außerdem wollten sie auch eigentlich nur am Wochenende spielen, nicht trainieren.“
Gern hätte der Verein auch Junioren-Nationalspieler Aaron Drossel vom RSC Chemnitz verpflichtet. Reinhold Luerweg: „Wir haben uns über Monate bemüht, waren so gut wie handelseinig, hatten schon dafür gesorgt, dass er seine Ausbildung hier fortsetzen kann. Und dann kam auf einmal die IGR Remscheid dazwischen.“ Die Bergischen hätten dem jungen Sachsen das Angebot gemacht, per Zweitspielrecht für sie aufzulaufen, ansonsten aber in seiner Heimat bleiben zu können. Damit zerschlug sich auch diese Verpflichtung.
Sitzung mit Präsidium und Förderkreis
Allerdings sind durch diesen Vorgang sowie den Dobbratz-Wechsel nach Herringen bei der RESG die Hemmungen gefallen, sich bei der Bundesliga-Konkurrenz umzuschauen. „Niemand schaut über den eigenen Tellerrand hinaus. Leider vergessen die Vereine, denen es jetzt noch personell gut geht, dass auch sie noch Gegner brauchen“, so Luerweg. Sollte die RESG tatsächlich nicht mehr für die Bundesliga melden, würde diese noch sechs Teams umfassen: Zwar wollen es der RHC Recklinghausen und der HSV Krefeld zur neuen Saison mal wieder erstklassig versuchen, doch dafür hat sich der RSC Darmstadt endgültig verabschiedet.
Reinhold Luerweg ist allerdings mittlerweile guter Hoffnung, dass der größte anzunehmende Unfall dank des Brandbriefes noch einmal abgewendet werden kann: „Es tut sich was. Das Präsidium und der Fördererkreis haben sich kurzfristig zu einer gemeinsamen Sitzung getroffen.“ Darin sei beschlossen worden, die Mittel für notwendige Neuverpflichtungen bereitzustellen. Dass an der Zukunft des Bundesligateams auch jene des eigenen Nachwuchses hängt, liegt auf der Hand. Die Spieler, die jetzt aus der U 13 in die neue B-Jugend – auf Verbandsebene wurden die Altersklassen umbenannt – aufrücken, brauchen noch einige Jahre, um für den Seniorenbereich infrage zu kommen. Bis dahin sollen sie dem Verein aber unbedingt erhalten bleiben. „Da herrscht ein toller Zusammenhalt. Unser Trainer Alfredo Meier hat es geschafft, dass die komplette Mannschaft mitsamt den Eltern in den Herbstferien ein einwöchiges Trainingslager in Wimmis in der Schweiz absolvieren kann. Das finde ich sensationell“, so Reinhold Luerweg.